Kommentar:Betriebsstörende Bummelei

Lesezeit: 1 min

Natürlich sind rechtzeitig erstellte Protokolle erst einmal eine Formsache. Eine so lange Verzögerung wie in Grafing ist dennoch schlichtweg inakzeptabel

Von Thorsten Rienth

Einige Grafinger Stadträte vermuteten einfach nur einen Tippfehler. Dass sich da jemand bei der Abschrift der aktuellen Bauausschuss-Bekanntmachung in den Jahreszahlen vertan hat, kann ja mal passieren. Aber in den Daten der Ausschussprotokolle, die Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) dem Gremium am Dienstagabend vorlegte, waren keine Fehler. Allen Ernstes müssen im Grafinger Rathaus Ende September 2019 noch Mitschriften vom beginnenden Vorjahr durch die Genehmigung. Mehr als 18 Monate schob die Verwaltung also die beiden ältesten Protokolle vor sich her. Das ist doppelt so lange, wie man vor zehn Jahren für die komplette Freibadsanierung brauchte.

Natürlich sind rechtzeitig erstellte Protokolle erst einmal eine Formsache. Von einer Verzögerung fällt weder die Stadthalle in sich zusammen, noch wird die Stadt überflutet. Natürlich mag es Personalengpässe geben, können Kollegen kurzfristig ausfallen und auch mal eine Sommerpause dazwischenkommen. Aber eineinhalb Jahre mit Protokollen herumbummeln, knapp 300 Seiten hin oder her, ist betriebsstörend. Dabei waren es einst ausgerechnet die Grünen mit Fraktionschefin Obermayr, die ihren Vorgänger Rudolf Heiler für dessen lasche Protokollpraxis vor sich hertrieben. Und der hatte damals eine vergleichsweise läppische Verschleppung von ein paar Monaten gewagt.

Ebenfalls seit Monaten übt sich die CSU in der Geschichtsschreibung, dass Obermayr das Rathaus nicht im Griff hätte. Bislang fielen die allermeisten Vorwürfe ziemlich schnell in sich zusammen. Weil eben nichts dran war. Bei den Protokollen ist die Ausgangslage anders. Selbst für lokalpolitisch wenig interessierte Grafinger ist der Managementfehler dahinter offenkundig. Geschickt dosiert könnte die CSU die Protokoll-Karte durch den gesamten Wahlkampf spielen - und damit relativieren, dass Obermayr gerade bei den großen politischen Leitlinien wie Einheimischenbauland, Gewerbegebietserweiterung oder dem Elf-Millionen-Euro-Grundschulausbau eine konstant gute Figur abgegeben hatte.

Doch bei aller Kritik, die in einem Wahlkampf am Rathausmanagement kommen darf, muss und auch soll: Ganz so wichtig scheint es dem Stadtrat dann auch wieder nicht zu sein. Dass die alten Protokolle noch fehlten, fiel den allermeisten Gremiumsmitgliedern erst auf, als die Sache auf der Tagesordnung landete. Wirklich vermisst hatte die Protokolle also offensichtlich niemand.

© SZ vom 26.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: