Kommentar:Bequeme Intransparenz

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Bei der Suche nach alternativen Standorten für die geplante Flüchtlingsunterkunft stellt die Bürgermeisterin Stadtrat und Öffentlichkeit vor vollendete Tatsachen

Von Thorsten Rienth

Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) bekam, was sie bekommen wollte. Ein Stadtratsmandat für konkrete Verhandlungen um einen neuen Standort der geplanten Asylbewerberunterkunft im Gewerbegebiet. Anstatt dort, so wünscht es die Stadt, soll der Investor sein Vorhaben auf dem Gelände des ebenfalls geplanten neuen Bauhofs umsetzen. Für den Moment ist es zweitrangig, wo man sich bald zum feierlichen Spatenstich trifft. Sorge machen muss die Art und Weise, wie der Auftrag zustande gekommen ist. Klammheimlich und unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Zur Begründung verweist die Bürgermeisterin auf Vertragsinhalte. Doch die sind in Wirklichkeit nur Vehikel, um eine unangenehme Debatte in das angenehme Umfeld einer nichtöffentlichen Sitzung zu bugsieren. Im zugrunde liegenden CSU-Antrag sind solche Vertragsinhalte nicht einmal angedeutet. Die Christsozialen wollten eine Debatte über mögliche künftige Standorte.

Wie wenig die Bürgermeisterin über die Angelegenheit preisgeben will, zeigt auch die eilig nach der Stadtratssitzung verschickte Pressemitteilung. Kein Wort zum Zeitplan. Kein Satz zu den nächsten Schritten. Kein Ausblick auf die von der CSU zu Recht ins Gespräch gebrachte Nachfolgenutzung einer etwaigen Unterkunft. Wie ist es um das Selbstbewusstsein eines Stadtrats bestellt, der so mit sich umspringen lässt?

Es ist das zweite Mal innerhalb weniger Monate, dass die Grafinger von einer heiklen Angelegenheit erst erfahren, wenn alle Weichen längst gestellt sind. Im Juli waren es die Messstellen am Wasserschutzgebiet. Jetzt ist es die Flüchtlingsunterkunft am neuen Bauhof.

In einer Demokratie beziehen die Mächtigen ihre Legitimation daraus, dass sie ihre Pläne offenlegen. Die Menschen vertrauen den Regierenden, weil sie jederzeit die Möglichkeit haben, deren Tun zu überprüfen und im Zweifel, spätestens mit der nächsten Wahl, Widerspruch einlegen können. Überdenkt der neue Grafinger Stadtrat seine in letzter Zeit immer intransparenter werdende Grundhaltung nicht, wird dieser Widerspruch wünschenswert.

© SZ vom 12.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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