Kommentar:Auf zweierlei Niveau

Lesezeit: 2 min

Während vonseiten der Grafinger Bürger konstruktive Vorschläge zum Mauer-Thema kommen, haben manche politischen Vertreter außer Gepolter wenig Sinnhaftes zu bieten

Von Thorsten Rienth

Es ist in Grafing ein großes Lob an die Mitglieder des "Mauer-AK" auszusprechen, allen voran: Die Privatleute unter ihnen, zu denen in dem Fall auch Ex-SPD-Stadtrat Franz Frey, der Ex-Grünen-Bundestagskandidat Stefan Kisters, der FDPler Bernhard Gar oder der stellvertretende CSU-Ortsvorsitzende Josef Grunwald zählen dürfen. Solche politisch interessierten Privatleute waren es nämlich, die der Grafinger Politposse um die leidige Mauer so etwas wie eine würdevolle Komponente mitgaben.

Indem sie ihre Gedanken in bester Argumentationsmanier in eine These packten, sie erläuterten und dann mit konkreten Beispielen unterlegten. Indem sie auf diese Weise etwa darlegten, dass zur "Rettung" des Denkmals jetzt nicht einfach der ehemalige Botschafter in Prag, Herrmann Huber, eingewechselt werden dürfte. Und es eben nicht genug war, den verstorbenen Ehrenbürger nur mit ein paar Sätzen in der Denkmalseröffnungsrede zu nennen. Indem sie ernsthaft versuchten, den Knoten aus Denkmal, Politveranstaltung, Stadtratsanträgen und eben dem Botschafter irgendwie zu entwirren, auf dass sich nicht mehr jeder von der Ebersberger Faschingsgesellschaft bis zum Bayerischen Fernsehen über ihre Stadt lustig machen möge. Indem sie - freundlich im Ton aber in der Sache bestimmt - nicht locker ließen, als die Tendenzabstimmung für oder gegen die Mauer im prozessualen Klein-Klein zu versanden drohte.

Wie es auf der anderen Seite des argumentativen Ernsthaftigkeitsspektrums bestellt war, konnte die Runde dann an CSU-Stadtrat Josef Pollinger beobachten. Der lederte erstmal los, warum sich eigentlich alle so über Bauers Mauer aufregten, wo doch dessen Vorgängerin, die Grüne Angelika Obermayr, ein "verrostetes Ofenrohr" im Stadtpark habe aufstellen lassen. Nicht nur brüskierte Pollinger damit seinen Parteifreund und Bürgermeister Christian Bauer. Der steht nämlich jetzt eben doch als Sich-ein-Denkmal-Bauer da, noch dazu bestätigt von den eigenen Leuten.

Das Pollinger-Gepolter bedarf auch einer inhaltlichen Klarstellung: Worin der Stadtrat ein Ofenrohr sieht - natürlich, über Geschmäcker und Interpretationsansätze lässt sich trefflich streiten - handelt es sich um das ein Kunstwerk mit dem Titel "Geben." Der Grafinger Kunstschmiedemeister und frühere Bergmeister-Geschäftsführer Hans Lohmair hatte es vor einigen Jahren für den Skulpturenweg erstellt. Die Spitze einer Säule löst sich in Form einer Münze ab. "Ein Geldstück, das ich weggeben will", erklärte der Künstler. Den Reichtum des Lebens teilen, und das nicht alleine im materiellen Sinne. Später spendete er das Werk an die Stadt, weswegen es an Ort und Stelle stehen blieb. Eine Platte mit ihrem Namen ließ die damalige Bürgermeisterin Obermayr - anders als Bauer bei der Mauer - übrigens nicht anbringen.

© SZ vom 24.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: