Kommentar:Auf neuen Wegen

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Noch vor kurzem hieß es, die Fällung der 300 Jahren Eiche bei Grafing sei "alternativlos". Die Entwickulngen der vergangenen Wochen brachten zu Tage, dass dies eine Fehleinschätzung war

Von Alexandra Leuthner

Alternativlos, so hatte es immer geheißen seitens des Staatlichen Bauamts Rosenheim, alternativlos sei es, die neue Straße zwischen Nettelkofen und dem Seeschneider Kreisel so zu bauen, dass dafür zwei alte Eichen fallen müssen. Und nach strenger Auslegung der staatlichen Richtlinien war die Planung das sicher auch. Und es ist insofern auch verständlich, wenn Verwaltung, Landrat, Kreistag und Untere Naturschutzbehörde der Aussage der Straßenbauexperten gefolgt sind.

Nun aber stellt sich heraus, dass es doch Alternativen gibt. Gleich drei haben sich im Verlauf der teils hitzig geführten Debatten der vergangenen Wochen herauskristallisiert. Natürlich haben alle einen Haken, bringen entweder nicht die angestrebte - und förderfähige - Verbesserung von Verkehrsfluss und Verkehrssicherheit. Oder aber, die Neuplanung dauert zu lange, was Folgekosten im sechsstelligen Bereich nach sich zöge. Oder, es sind erneute intensive Verhandlungen mit den Grundstücksbesitzern nötig, auf deren Flächen die ausgebaute Straße und der parallel geführte Radweg verlaufen sollen. Keine ist ideal, aber es gibt diese Alternativen. Und die sind jetzt sichtbar geworden, auf öffentlichen Druck hin, von Naturschützern, von Grünen, von Unterzeichnern einer Petition, ja sogar von Kindern.

"Unerfreulich und ärgerlich" hatte Landrat Robert Niedergesäß in dieser Woche gesagt, sei es, dass es so weit kommen musste. Ärgerlich ist es, dass es so viel Druck brauchte, um zu zeigen, dass auch die "alternativlose" Lösung einen Haken hat, nämlich die Beseitigung eines unersetzbaren Baums. Der so wertvoll ist, wie die Untere Naturschutzbehörde sagt, das keinerlei Ausgleichsmaßnahmen für die verbrauchte Fläche mehr nötig sind, wenn er nun doch stehen bleibt. Und von dem man, davor stehend, das Gefühl habe, dass er etwas Besonderes ist, das es zu erhalten gilt, so Niedergesäß.

Aber, und das ist der positive Aspekt, , jetzt wird um die Eiche gerungen, und selbst wenn alle Bemühungen nichts mehr nutzen sollten, birgt die Geschichte doch eine Chance. Künftig kann man es besser machen. So kann man, wie im Umweltausschuss von der geladenen Baumpflegefirma zu erfahren war, einen alten Baum versetzen, wenn der zeitliche Vorlauf da ist. Ein Vorgang, der weniger kostet als die jetzt angedachte Wurzelbrücke - und in etwa so viel, wie die von der CSU vorgeschlagene Ersatzpflanzung von 300 jungen Eichen inklusive aller Kosten für Wässerung und Pflegemaßnahmen. Tatsächlich, und für Laien erstaunlich, selbst wenn ein alter Baum die Umsetzung auf lange Frist - da sprechen wir von Jahrzehnten - nicht überlebt, büßt der nichts von seiner Wertigkeit als Habitat ein. Die entwickelt sich nämlich erst richtig, wenn ein Baum viel Totholz bildet - was aber schwierig zu handeln ist, wenn er direkt an einer Straße steht.

Man hätte sich die Sache vor Ort anschauen können und die Grundstücksverhandlungen gleich anders führen können, hatte Niedergesäß gesagt. Genau das kann man bei künftigen Straßenbauprojekten tun, und zwar bevor der erste Planer beauftragt wird. Einer muss hinfahren und schauen. In diesem Fall hätte er noch nicht mal in den Wald hinein laufen brauchen.

© SZ vom 11.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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