Kommentar:Auf gute Nachbarschaft

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In Vaterstetten wird gebaut und nachverdichtet, was das Zeug hält. Nur für die Finkenstraße gelten andere Regeln

Von Wieland Bögel

Man kann Vaterstettens CSU nur gratulieren, zu einer beispiellosen Kehrtwende. Nach Jahren und Jahrzehnten als bedingungslose Betonfraktion, der kein Wohngebiet zu dicht bebaut sein konnte und kein Grundstück zu klein für ein drittes und am besten noch ein viertes Hinterliegerhaus, ist bei den Christsozialen offenbar die Ära der Mäßigung ausgebrochen. Mit ihrer Mehrheit verhinderten sie nun im Bauausschuss die Nachverdichtung eines Grundstücks in Baldham. Die geplanten 20 Wohnungen seien einfach zu viele, die Bebauung werde zu dicht, und zu viel Verkehr erzeuge die ganze Wohnerei auch noch. Nachvollziehbare Argumente in der Tat. Dennoch bleibt die große Frage: Warum gerade hier und jetzt?

Schließlich treffen alle diese Argumente auf so gut wie jedes Bauprojekt in der Großgemeinde zu. Seien es die Wohngebiete im Norden Vaterstettens, seien es Nachverdichtungen in bestehenden Siedlungen mit ihren anschließend noch voller beparkten Straßen. Bei vierstelligen Quadratmeterpreisen wird gebaut, was irgendwie aufs Grundstück passt. Nur halt eben nicht auf dieses eine Areal an der Finkenstraße, hier soll auf einmal das zu viel sein, was anderswo locker reinpasst. Oder liegt es vielleicht gar nicht an der Grundstücksgröße, an der besonderen Vorbelastung durch den Verkehr rund um den Bahnhof und der daraus resultierenden Parkplatzknappheit, sondern an der Nachbarschaft? In der rein zufälligerweise CSU-Gemeinderat und stellvertretender Fraktionssprecher Stefan Huber zuhause ist. Dieser selbst hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er als häufiger Nutzer der Finkenstraße das Bauvorhaben vehement ablehnt. Was absolut verständlich und nachvollziehbar ist. Schließlich dürften die wenigsten Menschen von der Aussicht auf erstens eine monatelange Großbaustelle in der Nachbarschaft und zweitens auf ein späteres Park-Chaos bis vor die eigene Haustür erpicht sein.

Die Frage bleibt aber: Warum ist so etwas anderswo überhaupt kein Problem? Huber selbst hatte noch vor wenigen Wochen ähnliche Kritik an einem anderen - deutlich größeren, dichter bebauten und schlechter an öffentliche Verkehrsmittel angebundenen - Wohngebiet mit den Worten zurückgewiesen, Vaterstetten sei eben nicht das gallische Dorf aus den Asterix-Comics, man könne sich gegen Wachstum und Zuzug nicht abschotten. Jedenfalls - so scheint sich der Satz ergänzen zu lassen - nicht überall.

© SZ vom 24.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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