Kommentar:Auf gute Nachbarschaft

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Islam und Islamismus - die Verwechselbarkeit der Begriffe kann Vorurteile schaffen. Das fürchten die Muslime im Landkreis

Von Annalena Ehrlicher

Einer, dessen Nachbar nicht sicher ist vor seiner Bosheit, ist kein Gläubiger, heißt es in einer Überlieferung des muslimischen Propheten Mohammed. Ein bekanntes deutsches Sprichwort lautet: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Im Sinne beider Sprichworte ist zu verstehen, dass nicht nur die muslimischen Gemeinden im Landkreis ein Auge auf die potenzielle Radikalisierung ihrer Mitglieder haben - sondern auch die politischen Gemeinden.

"Es gibt nun mal Jugendliche, die den Dschihad spannend finden", sagt der Jugendpfleger Rainer Schott. Da sei er als Pädagoge natürlich gefragt, deshalb tauscht er sich regelmäßig mit den Vertretern der muslimischen Gemeinde aus. Früher sei es noch einfacher gewesen, sich von den Eltern abzusetzen - beispielsweise indem man lange Haare hatte oder Rockmusik hörte. "Heute will ich die Glücksritter lieber auf dem Schirm haben, bevor sie ein Flugticket nach Syrien in der Hand haben", sagt Schott.

Dass es grundsätzlich vernünftig ist, Tendenzen vorzubeugen und Problemfaktoren wie Perspektivlosigkeit oder mangelnde Eingliederung als Gefahrenfaktoren im Auge zu behalten, ist sicherlich richtig. Ebenso richtig ist, dass den meisten Menschen bewusst ist, dass die Gleichung Flüchtling = Muslim = Terrorist nicht aufgeht. Deshalb sollte man aufpassen, dass die Vorsorge nicht in Hysterie kippt. Dass Muslime nicht per se in eine Verteidigungshaltung und auf diese Weise in eine Ecke hinein gedrängt werden.

Das geht jedoch bereits bei der im Deutschen mittlerweile etablierten Trennung zwischen Islam und Islamismus los. So macht Ditib-Vertreter Ekremhan Tuncer darauf aufmerksam, dass rein sprachlich die Assoziation von Islam inzwischen fast immer mehrdeutig ist: auf der einen Seite die friedliche Religion, auf der anderen Seite die radikale, die dunkle Seite. Die Terroranschläge, die im Namen einer verzerrten Vorstellung von Religion verübt werden, sollten nicht das Bild einer Gemeinschaft prägen. Manchmal kann da ein Blick in die örtliche Moschee Abhilfe schaffen - und Vorurteile im Keim ersticken.

© SZ vom 18.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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