Kommentar:Angst um den Wohlstand

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Die Infoveranstaltung Asyl in Grafing kam glücklicherweise ohne platte Parolen aus. Vielmehr versuchte man Angst und Sorge auf den Grund zu gehen

Von Thorsten Rienth

Debatten können so anstrengend sein. So aufreibend, so fordernd - und manchmal auch richtig frustrierend. Zum Beispiel, wenn jemand bei einer großen Informationsveranstaltung zur Flüchtlingssituation losschimpft: "Es herrscht kein Zustand von Recht und Ordnung." Oder: "Wir haben es mit einem rechtsfreien Raum zu tun." Solch pauschalisierte Zuspitzungen muss man wahrlich nicht teilen. Aber immerhin waren es keine Beschimpfungen aus der Kategorie, mit der sich einige Grafinger unlängst am Rande des Bauausschusses echauffierten. Genauso frustrierend ist deshalb die Reaktion der anderen Seite: Buh-Rufe und Pfiffe. Ausgerechnet aus jenen Ecken, die sonst gerne Zeigefinger heben und Diskussionskultur einfordern.

Wie gut, dass die beiden Extreme nicht beispielhaft für den Abend in der Stadthalle stehen. Mehr als drei Stunden wurden dort Informationen geliefert, Fakten benannt, Hintergründe erörtert, von eigenen Erfahrungen berichtet. Eine Professionalität, die sich in der anschließenden Diskussion fortsetzte. Natürlich ging es dabei um Ängste und Sorgen. Aber ebenso differenziert wie sensibel und fast ausnahmslos ohne platte Parolen.

Dass dem so war, haben die Grafinger maßgeblich dem Moderator des Abends, Pfarrer Axel Kajnath, zu verdanken. Höflich aber bestimmt ging er dazwischen, wenn Wortmeldungen zu Monologen wurden. Mit dem nötigen Fingerspitzengefühl forderte er konkrete Fragen ein und spielte sie an Landrat, Bürgermeisterin und Helferkreisvertreter auf dem Podium weiter.

So konnte sich am Ende des Abends herauskristallisieren, was mit den sogenannten Sorgen und Ängsten eigentlich gemeint ist: Dass die empfundene Bedrohung nämlich kaum aus einer bestimmten Anzahl von Asylbewerbern vor Ort resultiert. Vielmehr nährt sich die Angst aus der Sorge vor immer unübersichtlicheren Konfliktherden in relativer Nachbarschaft. Und der Frage, ob das nicht langfristig eine Gefahr für den Wohlstand ist, wie ihn die westliche Welt seit Jahrzehnten kennt?

© SZ vom 13.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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