Kommentar:An der Grenze

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Die Kommunalpolitiker klagen darüber, dass der Verkehr ihre Gemeinden überrollt. Dabei haben sie selbst zu dieser Entwicklung beigetragen

Von Wieland Bögel

Es reicht! Diesen Gedanken dürften viele haben, die sich zwei Mal täglich und weitgehend in Schrittgeschwindigkeit in der Pendlerkarawane zwischen Stadt und Umland bewegen. Doch, wie aktuelle Zahlen nun nahelegen, reicht es bei weitem noch nicht: Im Münchner Osten beziehungsweise Ebersberger Westen wird es immer voller, erst in den Baugebieten und dann auf den Straßen. Ein Ende ist nicht in Sicht, und auch die vor zwei Jahren gestartete Initiative mehrerer Kommunen in der Region wird daran nicht viel ändern. Das bislang einzige Ergebnis ist, dass die Kommunen ihr Verkehrsproblem nun schwarz auf weiß in einem Bericht haben.

Ein Bericht, der ihnen auch attestiert, für das Problem zu einem guten Teil selbst verantwortlich zu sein. Zwar liegt vieles, wie neue S-Bahnstrecken oder der Ausbau von Bundes- und Staatsstraßen, außerhalb ihrer Möglichkeiten. Aber der Verkehr kommt nicht von ungefähr, sondern von den vielen neuen Wohn- und Gewerbegebieten, die in der Region entstanden sind, und wohl auch in den kommenden Jahren entstehen werden. Denn bei allen Klagen über die Verkehrsbelastung: Ein Ende des Baubooms ist nicht in Sicht, weil dies von den Gemeinden gar nicht gewünscht ist. Profitieren sie doch davon, sei es durch den Verkauf von Bauland oder den Zuzug von Neubürgern und Firmen - also Steuerzahlern. Für die eigene Kommune versteht man es ohnehin, die dadurch entstehende Verkehrsbelastung in Grenzen zu halten, beziehungsweise: an der Grenze, der zur Nachbargemeinde nämlich. Blöd nur, wenn die dann die gleiche Idee hat, und auch über Nachbars Straßen erschließt. Da heißt es dann flugs eine ebenso kritische wie letztlich folgenlose Stellungnahme zu verfassen.

Ein Vorgehen, das die Gemeinden des Münchner Ostens übrigens auch nach der Gründung ihrer Verkehrsinitiative weiterhin sehr eifrig pflegen. Eine gemeinsame Verkehrsplanung indes - immerhin eines der Ziele der Initiative - ist in den vergangenen 24 Monaten in der Region genauso wenig zu beobachten gewesen wie in all den Jahren davor. Denn das würde bedeuten, eigene Nachteile in Kauf zu nehmen, für Vorteile anderer. Konkret: eine Entlastungsstraße fürs nachbarliche Baugebiet durchs eigene Gemeindegebiet zulassen. Oder die eigene Entwicklung zurückstellen, um die Nachbargemeinde nicht mit dem Durchgangsverkehr zu belasten. Niemand, der die Absicht hat, jemals eine Wahl oder Wiederwahl erfolgreich zu Ende zu bringen, wird sich ernsthaft auf so etwas einlassen.

Oder vielleicht gerade. In einem Jahr und einem Monat sind Kommunalwahlen, wer dabei mit einem neuen Ansatz für die ewigen Verkehrsprobleme antritt, könnte damit auf die Stimmen vieler zählen, die sich jeden Morgen und Abend denken: Es reicht.

© SZ vom 14.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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