Kommentar:Alleingelassene Helfer

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Wenn die Ehrenamtlichen in den Asylbewerberunterkünften nicht bald professionell unterstützt werden, könnten sie einer nach dem anderen abspringen

Von Isabel Meixner

Man will sich gar nicht ausmalen, was in der Bevölkerung los ist, wenn es einmal in einer großen Asylbewerberunterkunft wie der Kirchseeoner Gymnasiumturnhalle zu einer Massenschlägerei oder Schlimmerem kommen sollte. Menschen leben hier und in anderen Unterkünften auf engstem Raum zusammen, was allein schon wohl jeden, egal ob Flüchtling oder Einheimischen, an seine Grenzen bringen würde. Sie sind oft schwer traumatisiert, in einem fremden Land, dessen Sprache sie nicht verstehen, den ganzen Tag beschäftigungslos und teilen sich möglicherweise auch die Stockbetten mit Ethnien, vor denen sie geflohen sind.

Dass es in solchen Extremsituationen zu Konflikten kommen kann und wird, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Und ebenso klar ist, dass es nie, in keinem Fall gut gehen kann, die Menschen sich selbst zu überlassen. Das aber passiert derzeit, zumindest von behördlicher Seite. Asylbewerber werden derzeit nur noch verwahrt, feste Sozialpädagogen oder psychologische Berater, die sich um die Traumata der Flüchtlinge kümmern könnten, gibt es in den Turnhallen nicht. Das Landratsamt ist froh, wenn es die Anzahl an Asylbewerbern überhaupt unterbringt. So sind es die vielen Helfer, die seit Monaten Aufgaben übernehmen, für die sie nicht ausgebildet sind. Sie sind eigentlich gekommen, um Deutschunterricht zu geben, Fahrdienste zu organisieren, Hilfestellungen im täglichen Leben zu geben - de facto sind sie inzwischen als Psychologen und Unterkunftsmanager gefragt. Eine Aufgabe, die viele überfordert und an den Rand der emotionalen und physischen Belastbarkeit bringt. Wer einmal einem Asylbewerber zugehört hat, weiß, wie sehr derartige Schicksale zusetzen können.

Es ist im ureigensten Interesse des Landkreises und der Gemeinden, dass professionelle Kräfte in den Unterkünften eingesetzt werden, die für die Flüchtlinge da sind und die Ehrenamtlichen entlasten. Sonst kann nicht nur in den Unterkünften selbst eine ungute Eigendynamik unter den Asylbewerbern entstehen, sondern auch in den Helferkreisen - und ein Ehrenamtlicher nach dem anderen abspringen.

© SZ vom 22.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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