Kommentar:Alle in einem Boot

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Vielleicht sollte man eine geplante Mobilitätsuntersuchung erst einmal abwarten, bevor immer neue Möglichkeiten erdacht werden, noch mehr Menschen in die Sardinenbüchse Münchner Osten zu pressen.

Von Alexandra Leuthner

Schön und einvernehmlich schien die Zukunft zu sein, damals 2007. Da hatten die Nachbargemeinden Vaterstetten und Poing Geschäftspartner werden wollen. Das Projekt hieß "interkommunales Gewerbegebiet." Endlich einmal miteinander und nicht gegeneinander wollten zwei Gemeinden handeln. Viel Lob gab es für den Plan für einen Anfang vom Ende der Kirchturmpolitik. Ein knappes Jahrzehnt später lässt sich feststellen, die Kirchtürme sind höher als je zuvor - nicht nur, was diese beiden Nachbarn betrifft.

Da kann man hinschauen, wo man will: Vaterstetten und Poing streiten aktuell um die "Hauptstraße Ost" in Poing, wo ein neuer Supermarkt geplant ist - mehr Verkehr für Vaterstetten, fürchtet der dortige Gemeinderat. Der aber plant das Wohngebiet Vaterstetten Nord-Ost, was die Nachbarn in Grasbrunn auf die Palme bringt. Pliening regt sich seit Jahren über das stete Wachstum in Poing auf, nun kommt auch noch Kirchheim mit eklatanten Ausbauplänen dazu. Dass man sich in Kirchheim und Poing seinerseits gegen den Bau einer Plieninger Umgehungsstraße - die bis auf wenige Meter an Poings Neubaugebiete heran gereicht und wohl auch Kirchheim mehr Verkehr beschert hätte - ausgesprochen hat, kann manch einer in Pliening bis heute nicht verwinden. Vaterstetten will jetzt an der A 94 BMW ansiedeln, das finden die Poinger, an deren Grenze das passieren soll, gar nicht lustig. Das Vorhaben beeinträchtige das Landschaftsbild, liege zu weit außerhalb, sagt man in Poing. Dessen Logistzentrum der Firma Schustermann & Borenstein aber liegt just daneben.

Der Raum im Osten der Landeshauptstadt ist so eng besiedelt, dass es kein Neubaugebiet, keinen Supermarkt und keine Straße geben kann, die sich nicht auf eine oder gar alle anderen Gemeinden auswirkt. Eigentlich hat man gerade deshalb eine Initiative gegründet, geboren aus der Not der Bewohner, die unter Stau, Lärm und Abgasen leiden, um gemeinsam ein Konzept zu erarbeiten, in dem alle Verkehrsströme, Straßen, Verkehrsmittel analysiert werden. Um auf dieser guten Grundlage weiterplanen zu können. Wäre es nicht - bei allem Bedarf an Wohn- und Gewerbeflächen - sinnvoll, die Ergebnisse dieser Mobilitätsuntersuchung erst einmal abzuwarten, bevor immer neue Möglichkeiten erdacht werden, noch mehr Menschen in die Sardinenbüchse Münchner Osten zu pressen?

© SZ vom 16.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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