Wettbewerb in Ebersberg:Jugendkulturpreis: Von der Fragilität des Lebens

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Was für ein Erfolg: Knapp hundert Kinder und junge Erwachsene haben heuer am Jugendkulturpreis teilgenommen, neun Werke haben Jury und Publikum besonders gut gefallen. (Foto: Christian Endt)

68 Werke wurden heuer im Rahmen des Wettbewerbs eingereicht. Sie zeigen, was alles zerbrechen kann - Herzen, Welten, Biografien.

Von Anja Blum

Sie sind gerade einmal sieben und neun Jahre alt, die Gewinner des diesjährigen Jugendkulturpreises zählen also zu den Allerjüngsten (teilnehmen dürfen alle bis 21). Trotzdem war die Entscheidung eindeutig: Das Werk von Roqia und Yasir Golmani erhielt als einziges von allen fünf Jurymitgliedern die volle Punktzahl. Sein Titel lautet: "Afghanistan. Grafing. Roqia und Yasir. Ein Jahr", denn die beiden Kinder sind erst seit zwölf Monaten in Deutschland.

Ihr Vater kam bereits vor fünf Jahren als Flüchtling in München an, erst Ende 2018 durften seine Frau und die drei Kinder nachkommen. Heute hat die Familie eine Wohnung in Grafing, "die Kinder gehen mit Begeisterung in die Schule (Deutschklasse in Kirchseeon), denn das war in Afghanistan nicht möglich", erzählt die Künstlerin Martina Brenner, die die Familie unterstützt. Da Roqia und Yasir sehr gerne malen, besuche sie mit ihnen einen interkulturellen Kurs von Gisela Heide und Rusydah Ziesel in der Grafinger Casa Creativa. "Für den Wettbewerb haben sie dann eine Woche lang eigenständig Motive aus Deutschland und Afghanistan gemalt", so Brenner weiter. "Das colorierte Porträt der jungen Afghanin stammt aus dem Kurs, das Drachenmobile hat Yasir gebastelt. Aus den einzelnen Bildern haben wir dann gemeinsam eine große bunte Collage geklebt und bemalt."

Die Arbeit schlage Brücken, lobt die Jury bei der Preisverleihung

Die Arbeit sei eine unglaublich starke Umsetzung des Themas, lobte die Jury bei der Preisverleihung, sie sei so detailreich wie ergreifend - und schlage Brücken. Beide Länder sind mit ihren Fahnen vertreten, dazwischen spannt sich die ganze gegensätzliche Erfahrungswelt der Kinder auf: Lachen und Weinen, bunte Blumen und Schießgewehre, eine fröhliche Fest-Szene neben einer monstermäßigen Fratze, sogar Markus Söder in einem Flugzeug kann man entdecken. Über all dem liegt eine Art Netz, bunte Linien, die in einem Punkt zusammenlaufen, Sinnbild für die Fragilität des Lebens?

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(Foto: Christian Endt)
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Eben diese thematisiert auch eine Arbeit, die gleich zwei Mal gekürt wurde: mit einem vierten Platz und dem erstmals vergebenen Publikumspreis. Felicia Haider (15), Lola Benzinger (15) und Juli Benzinger (13) haben gemeinsam eine offene Weltkugel modelliert, eine sehr aufwendige Plastik. Auf der Oberseite ist die menschliche Zivilisation zu sehen, die der Umwelt zu schaffen macht (Schiffe, Fabriken, Hochhäuser), im Inneren regiert die Natur (Holz, Blüten, Steine, eine Muschel). Die Jury lobte die liebevolle Umsetzung aus zahllosen Materialien sowie die Anmut des scheinbar schwebenden Globus.

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(Foto: Christian Endt)

Ebenfalls auf dem vierten Platz (dafür gab es keinen fünften) sah die Jury aus Geraldine Frisch, zweite Vorsitzende des Kunstvereins, Geräuschemacher Max Bauer, Babsi Lux vom Alten Kino, Künstlerin Anne Liebegott und Janis Michal vom KJR die Installation von Andrea Studt. Die 17-Jährige hat einen großen Spiegel mit opulentem silbernem Rahmen erst zerbrochen und dann bemalt, und zwar mit dem Porträt eines dunkelhäutigen Jungen. Die Jury hob hier die handwerkliche Leistung hervor, aber auch, dass der Titel viel zur bestechenden Wirkung der Arbeit beitrage: "Holy Smile".

Ein Trio landet mit einer Collage auf dem dritten Platz

Eine schier rätselhaft gute Technik sowie eine sehr gelungene Farbauswahl bescheinigten die Juroren dem Trio auf Platz drei: Ylljona Begiaj (16), Vivien Henning (16) und Marie Luise Ewald (15) haben ebenfalls eine Collage geschaffen: Den Hintergrund bilden vier in Blautönen gehaltene Bilder aus Kriegsgebieten, darüber prangt das Porträt eines Mädchens, dessen Umfeld sich allerdings wie in Splittern über die ganze Fläche verteilt. "Hier wird man wirklich angeschaut", hieß es über diese beeindruckende Arbeit.

Weder gemalt noch geklebt haben Jonas Schlögl (16), Anouk Normann (16), Philipp Strehlow (16), Leonie Bartl (15), Marko Gencev (16) und Martin Molnar (17), denn das Sextett hat einen Kurzfilm namens "Break it" eingereicht. Die Jury zeigte sich hier vor allem begeistert vom guten, weil rhythmisch-fließenden Schnitt, vom Spiel mit verschiedenen Tempi (Slow Motion) und einer schicken Schwarzweißoptik.

Insgesamt neun Gewinner kürte die Jury heuer aus 68 Einreichungen, das Preisgeld betrug insgesamt 2500 Euro, eine Unterteilung in Kategorien (Alter beziehungsweise Einzel/Gruppenarbeiten) ergab sich dieses Mal nicht. Über Platz sechs durfte sich Ida Hitzlsperger (14) freuen für ein kleinformatiges, eher rätselhaftes Bild in Schwarzweiß: Die 14-Jährige wählte einen Ausschnitt aus einem Porträt, man sieht nur ein Auge und einen Teil der Nase, alles verfremdet durch eine prismaartige Darstellung. "Fantasie- und humorvoll" zugleich sei die Zeichnung zum Thema Erde von Isabella Lettl (11), urteilte die Jury: "Elefant mit Regenschirm tanzend" landete auf Platz sieben. Sehr selbstkritisch ist Tuana Özkul das Thema angegangen: Die Zeichnung der 15-Jährigen zeigt ein zerbrochenes Handydisplay, die Apps darauf entsprechen allerdings nicht den üblichen, sie heißen vielmehr "Ehe", "Psyche", "Erde", "Vertrauen, "Träume" oder "Selbstbewusstsein". Als gut fotografiert und farblich komponiert wurde die dreiteilige Arbeit von Charlotte Luisa Adolf beurteilt. Die 12-Jährige hat eine Puppe auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt, was viel Raum für Interpretationen lässt.

© SZ vom 19.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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