Jazzmusikerin:Mit dem Saxofon verwachsen

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Fühlt sich mit ihrem Instrument verwachsen: Altsaxofonistin Karolina Strassmayer. Im Alten Kino Ebersberg spielt sie mit Schlagzeuger und Ehemann Drori Mondlak (Bild), Stefan Bauer und Thomas Stabenow. (Foto: Helge Strauss/oh)

Eher zufällig entdeckte Karolina Strassmayer ihre Leidenschaft für den Jazz. Mittlerweile zählt sie zu den weltbesten Musikerinnen des Genres - in einer Woche kommt sie nach Ebersberg.

Interview von Rita Baedeker, Ebersberg

Von den Lesern des US-amerikanischen Jazzmagazins "Downbeat" wurde die in der Steiermark geborene Jazzmusikerin Karolina Strassmayer, 46, mehrmals unter die fünf weltbesten Altsaxofonisten gewählt. In der Formation Klaro!, zu der weitere international erstrangige, mit Preisen ausgezeichnete und ausgesuchte Musiker wie der Jazz-Schlagzeuger Drori Mondlak, Vibrafoninst Stefan Bauer und der Bassist Thomas Stabenow gehören, ist Strassmayer am Donnerstag, 23. März, Beginn 20.30 Uhr, zu Gast im Alten Kino Ebersberg. Mit der SZ sprach Strassmayer über ihre erstaunliche Karriere und ihre Musik, welche die Lyrik der europäischen Klassik mit der rhythmischen Kraft des amerikanischen Jazz verbindet.

SZ: Wo Sie aufgewachsen sind, in der Steiermark, kommt man als junger Mensch nicht ohne weiteres mit Jazz in Berührung. Wie war das bei Ihnen? Wie kamen Sie zum Altsaxofon?

Karolina Strassmayer: Ich komme aus einer musikalischen Familie, als junges Mädchen habe ich Blockflöte und Klavier gelernt, ich spielte klassische Musik und war Mitglied eines Mädchen-Dreigesangs. Aber mit 13, 14 Jahren, also in der Pubertät, änderten sich meine Interessen. Im Alter von 16 Jahren gab mir eine Schulfreundin auf dem Weg zur Schule im Zug Kassetten, die sie von zu Hause mitgebracht hatte. Für sie war das "furchtbares Gedudel". Ich also nehme mir eine Kassette, lege sie in den Walkman. Es ist halb sechs Uhr in der Früh, der Zug fährt los, ich drücke Play und bin wie elektrisiert. Es war die Kassette "Kind of Blue" von Miles Davis; und was ich da hörte, war das Altsaxofon von Cannonball Alderley. Damals hatte ich keine Ahnung, wer oder was das war. Mein Opa, der Kapellmeister in Altaussee war, hat mir erklärt, dass das Jazz ist. Von da an stand für mich fest, dass ich das auch machen wollte. Ich bekam ein Altsaxofon geschenkt, begann zu studieren und alles nahm seinen Lauf.

Was ist für Sie das Besondere am Klang des Altsaxofons?

Man sagt, der Klang komme der menschlichen Stimme nahe und man könne durch das Instrument singen. Für mich ist das so. Das Saxofon besitzt hohe Ausdruckskraft, die reicht vom zarten Hauchen bis zum intensiven Kratzen; der Ton kann schrill sein oder warm, die klangliche Bandbreite ist faszinierend. Ich habe das Gefühl, dass ich im Lauf der Jahre mit dem Saxofon verwachsen bin. Es fühlt sich an wie eine Verlängerung meiner Stimme, meiner Seele.

Die Karriere, die Sie aufgrund eines Stipendiums nach Ihrem Studium an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Graz gemacht haben, klingt wie ein Wunder. Sie haben mal in einem Interview gesagt, dass man nicht nach New York kommen könne, um es sich ein bisserl gut gehen zu lassen und in den Clubs abzuhängen. Wie haben Sie sich in der Jazzszene dieser Stadt zurechtgefunden?

Man muss sich dort nach der Decke strecken, man muss rausgehen, Leute kennenlernen, in Klubs gehen, Musiker ansprechen, mal wo mitspielen. Visitenkarten braucht man auch (lacht), bei uns in der Steiermark war das unüblich. Es ist ja nicht so, dass die in New York auf ein Mäderl aus der Steiermark gewartet haben. New York ist voll von Musikern aus der ganzen Welt, die da ihr Glück suchen, etwas erreichen wollen. Es gibt dort eine große Zahl von Zugereisten (lacht). Das bedeutet Konkurrenz, schafft aber auch Gemeinsamkeit. Mir hat diese Atmosphäre gut getan nach der Grazer Idylle. Ich musste über mich hinauswachsen, musste ins kalte Wasser springen, Ängste überwinden. In New York ist man nichts Besonderes. Man muss sich Respekt und Erfolg hart erarbeiten, aber genau das hat mich beflügelt.

Was hat Sie in den Jahren in den USA musikalisch besonders geprägt?

Das Zusammenspiel mit hochrangigen Jazzmusikern. Die gibt es da in einer Dichte wie sonst nirgendwo. Und dann die Vielfalt. Man spielt afrikanisch-kubanische Musik, Bebop, Swing, Kammermusik.

Sie haben sich dann trotzdem für eine feste Stelle in der WDR Bigband in Köln entschieden, der Sie heute noch angehören. Ist das für Sie die Basis, von der aus Sie sich frei entfalten und in anderen Projekten engagieren können?

Geplant war das nicht, ich wollte in New York bleiben. Das Angebot für die Big Band erhielt ich über Umwege. Der Bassist dieser Band ist Amerikaner, und er hat als Abonnent einer amerikanischen Jazz-Zeitschrift ein Sample von mir gehört und mich über die Stelle informiert. Ich bin zum Vorspiel gefahren, ein halbes Jahr später, das war 2004, bekam ich die Zusage.

Hatten Sie nicht Bedenken, durch das Engagement ihre künstlerische Freiheit zu verlieren, den Kontakt zu New York?

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Ja, diese Sorge hatte ich tatsächlich. Aber das Gegenteil war der Fall. Durch die Mitgliedschaft in dem festen Ensemble habe ich mehr künstlerische Freiheit. Wir decken ja ein enormes Spektrum ab, andererseits komme ich zur Ruhe, muss nicht mehr so viel rennen. In Köln habe ich die Möglichkeit, in mich hineinzuhorchen und zu fragen: Was bin ich in diesem musikalischen Prozess? Was gehört zu mir?

Sie haben sich musikalisch auch mit der Geschichte der Habsburger beschäftigt, mit dem Leben von Kaiser Maximilian I. von Mexiko und dessen Frau Charlotte, die dem Wahnsinn verfiel. Was reizte Sie an diesem Thema oder anders gefragt: Erzählen Sie gerne Geschichten?

Ich bin keine Expertin für Geschichte. Mein Mann, Drori Mondlak, ist Amerikaner, aber in Mexiko geboren. Als wir uns kennenlernten und ineinander verliebten, wusste ich nur, dass es mal einen österreichischen Kaiser gab, der auch Mexiko regierte. Wir wollten die Geschichten beider Länder miteinander versöhnen. Musik ist für mich etwas Persönliches. Ich habe auch mal ein Stück über die Begegnung mit einem Steinbock im Allgäu komponiert.

Der Jazz ist eine musikalische Sprache, in der Grenzen überschritten, Konventionen gesprengt werden. Sie gehen auch gerne zum Klettern in die Berge. Mögen Sie Grenzerfahrungen?

Grenzen zu überschreiten ist nicht mein Ding. Ich will nicht den Jazz neu definieren. Wichtig ist mir die absolute Präsenz, mit jedem Ton, den ich spiele, will ich da sein, verbunden sein. Es ist wie beim Klettern. Auch da ist Präsenz lebenswichtig, aber auch erfüllend. Wir Künstler, finde ich, haben die Aufgabe, unser Bestes zu geben und präsent zu sein. Ärzte retten Leben, wir kümmern uns um die Seelen.

Was werden Sie dem Publikum bei Ihrem Konzert in Ebersberg präsentieren? Der Titel des Konzerts, "Of Mystery and Beauty", klingt ja sehr geheimnisvoll.

Wir spielen eigene Kompositionen von mir. Stilistisch ist viel geboten, von lyrisch bis funky. Im Jazz ist mir stets ein melodiöser Faden wichtig. Ich gehe zwar gern auch abenteuerliche Pfade, aber Improvisationen müssen zusammengehalten werden.

Das Konzert der Band Klaro! ist am Donnerstag, 23. März, 20.30 Uhr, Einlass 19.30 Uhr, im Alten Kino Ebersberg. Kartentelefon (08092) 255 92 05 und www.kultur-in-ebersberg.de

© SZ vom 16.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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