Integration schwer gemacht:Der Wert der Arbeit

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Wenn die Regierung den Geldhahn zudreht: Weil die Förderung der Staatsregierung per Gesetz gedrosselt ist, mussten Jobbegleiter für Geflüchtete ihre Arbeit zum Teil schon vor Dienstbeginn wieder niederlegen

Von Victor Sattler, Ebersberg

- Der Arbeitsmarkt hat seine Tücken. Die Nachfrage kann sich von einem Tag auf den nächsten verändern. Das musste ein sogenannter Jobbegleiter auf die harte Tour lernen: Er sollte eigentlich Geflüchteten im Landkreis Ebersberg bei ihrer Arbeitssuche und Integration helfen, verlor dann aber seine soeben errungene Stelle wieder. Johannes Pflaum, Jobbegleiter für die Stadt München, kann über diese Ironie nicht lachen, denn er hatte als Projektkoordinator des Vereins "Initiativ-Gruppe" die Bewerbungsgespräche mit den Kandidaten geführt. Dabei war bereits der am besten geeignete Anwärter für die Arbeit mit Ebersberger Geflüchteten gefunden worden. Letztlich war das Projekt aber am Bewilligungsbescheid der Regierung von Oberbayern gescheitert, welcher dem Verein 8000 Euro weniger als von Pflaum erwartet zusprach und den Plänen so ein jähes Ende bereitete. "Die Enttäuschung bei mir war riesig", sagt Pflaum, "das war der denkbar ungünstigste Verlauf. Eine Woche vor dem Start musste alles wieder abgeblasen werden."

Jobbegleiter, wie sie von Initiativ-Gruppe und vergleichbaren Bildungsträgern insgesamt etwa 50 mal im Freistaat eingesetzt werden, dienen als Bindeglied zwischen den Unternehmen und Geflüchteten. Das bayerische Sozialministerium hat die Einstellungskriterien und Zuständigkeiten für diese Position im August 2017 im "Programm zur Bewältigung der Flüchtlingskrise" schriftlich festgehalten: Drei Seiten lang ist die Aufgabenbeschreibung. Der Jobbegleiter assistiert nicht nur bei der Orientierung, Bewerbung, Betriebsbesichtigungen und bei Praktika, er soll laut Lastenheft den Schützlingen etwa auch den hohen Wert von Arbeit in der "hiesigen Gesellschaft" näherbringen können.

Das ist ein gutes Stichwort. Denn: Woraus errechnet sich der Wert einer konkreten Arbeit in der hiesigen deutschen Gesellschaft eigentlich? Mit dieser Frage mussten sich bald sowohl die Regierung als auch der organisierende Verein beschäftigen. Obwohl Arbeitsministerin Emilia Müller (CSU) im Dezember 2017 bekannt gab, die Position sei genehmigt und stehe "zur Verfügung", war noch die Frage der Vergütung offen. Als Non-Profit-Organisation hätte Initiativ-Gruppe zehn Prozent der Kosten mit Eigenmitteln decken können, für die restlichen 90 Prozent waren sie auf die Finanzierung durch den Arbeitsmarktfonds des Freistaats angewiesen - und bekamen weniger als sie für nötig hielten. Eine Klage gegen die Bewilligungsentscheidung ist juristisch nicht zulässig, und neue Anläufe für das Projekt stehen folglich keine in Aussicht, sagt Pflaum ernüchtert.

Für den Nachbarlandkreis Freising war im selben Prozedere die Stelle eines dort angesiedelten Jobbegleiters beantragt und schon besetzt worden, mit ebenso leeren Händen steht Freising nun da. Im Landkreis Mühldorf war der gerade gefundene Jobbegleiter kurz vor Antritt abgesprungen, die Stelle werde nun neu ausgeschrieben, so eine Sprecherin des Landratsamts. Im Landkreis Dachau hat es geklappt, gemeinsam mit Landsberg eines der positiven Beispiele unter den acht versprochenen Jobbegleitern: "Nach relativ langem Weg und vielen Formalitäten" leistet die Dachauer Jobbegleiterin nun wichtige Arbeit, lobt sie das zuständige Jobcenter.

Same Afsali, dessen gemeinnützige "Ibarus GmbH" sich im Landkreis München der Aufgabe annahm, hatte es auch schon so weit geschafft: Die von ihm beschäftigte Jobbegleiterin für Geflüchtete machte sich seit November 2017 als "eine sehr fähige Mitarbeiterin mit sozialwissenschaftlichem Hintergrund und zahlreichen Erfolgen" bezahlt. Als sie im Rahmen des finalen Eingruppierungsprozesses in die Tarifklassen aber deutlich herabgestuft worden sei, von E11 in E9, musste sie zum 1. März ihre Stelle aufgeben, berichtet Afsali - an Engagement hätte es ihr dabei nicht gefehlt, denn die ehemalige Kollegin hilft Ibarus weiterhin als Ehrenamtliche aus, obwohl sie einen neuen, besser bezahlten Job hat. "Die öffentliche Hand ist hier leider nicht bereit, den Menschen eine marktübliche Bezahlung anzubieten", befindet der ehrenamtliche Geschäftsführer Same Afsali, "ich meine, die Frau hat auf einen Master studiert, sie hat das Recht, ein gescheites Geld zu verdienen." Nun hat Afsali aber neue Jobbegleiter in Aussicht, er ist weiter optimistisch, was das Konzept angeht.

Pressesprecher des Staatsministeriums berufen sich derweil auf das Besserstellungsverbot, das die finanziellen Zuwendungen drosselt. Nach diesem darf das Personal von Unternehmen wie etwa Initiativ-Gruppe, die im Wesentlichen durch Steuermittel gefördert werden, nicht besser entlohnt werden als "vergleichbare Beschäftigte" dieser öffentlichen Hand selbst, ergo der staatlichen Betriebe.

Für die Jobbegleiter für Ebersberg und Freising war die Tarifgruppe E10 mit 3653 Euro Bruttomonatsgehalt beantragt worden, man sah sich "auf der sicheren Seite" damit. Pflaum stand in Kontakt zu Hermann Schmidbartl, dem Geschäftsführer des Jobcenters Ebersberg, und hatte mit ihm bereits ein passendes Büro für den neuen Helfer ausgesucht. Die Stellvertretende Geschäftsführerin Anna-Maria Esterl sagt, das Jobcenter hätte das Projekt "sehr begrüßt und sehr gerne wahrgenommen"; dies gelte auch noch in der Zukunft, falls sich die Entscheidung des Ministeriums ändern sollte. Den Bescheid, welcher die Pläne zunichte machte, kritisiert Johannes Pflaum derweil scharf: "Die Berechnung des Bewilligungsbescheids wird mit Absicht nicht transparent gehalten von der Regierung", glaubt er fest, "man beantragt etwas, und es wird zuerst genehmigt, aber dann letztlich nicht gezahlt." Bei seiner eigenen Geschäftsführung sucht er keine Schuld, sie sei als Non-Profit in ihren Möglichkeiten nun mal stark begrenzt gewesen. Und: "Wer, von den qualifizierten Kandidaten", fragt Pflaum rhetorisch, "will sich schon unter Wert verkaufen?"

© SZ vom 20.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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