Innovationspreis für Selbsthilfe:Vom Träger zum Verleiher

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Willi Daniels (rechts) im Gespräch mit Ewald Schurer und ehemaliger Leichtathletik Weltmeisterin Anke Feller. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Willi Daniels, 67, gründete 2011 eine Facebookgruppe für Schlaganfall-Betroffene, am Mittwoch vergab er zum ersten Mal den von ihm initiierten Deutschen Innovationspreis für Selbsthilfe online

Von Theresa Parstorfer, Ebersberg

Umtriebig sein ist für Willi Daniels, 67, aus Steinhöring wie Therapie. Das sagte er am Mittwoch in der Begrüßungsrede des von ihm selbst ausgeschriebenen und an diesem Tag zum ersten Mal verliehenen Deutschen Innovationspreises Selbsthilfe online. Bereits 2011 hat Daniels, der selbst vor über 20 Jahren einen Schlaganfall erlitten hatte, eine Selbsthilfegruppe auf Facebook gegründet. Als nicht ausreichend empfand er die Verbreitung örtlicher Selbsthilfegruppen. Noch dazu hätten viele Betroffene auch gar nicht die Möglichkeit, an den existierenden Angeboten teilzunehmen, da sie "eben nicht mobil sind", so Daniels im Hermann-Beham-Saal im Ebersberger Landratsamt. Im versammelten Publikum befanden sich Hausherr und Gastgeber Landrat Robert Niedergesäß, die "Vertreter aus der Politik" Ewald Schurer (SPD) und Andreas Lenz (CSU) sowie Anke Feller, ehemalige Leichtathletik Weltmeisterin und Fernsehmoderatorin, die dann durch die Verleihung führte. Sie kenne Daniels "schon seit langer Zeit aus vielen Pressekonferenzen", und gab lachend zu, man könne "zum Willi schlecht nein sagen", weshalb sie auch nicht vor dem weiten Weg aus Leverkusen zurückgeschreckt sei.

Die Idee, soziale Netzwerke zu nutzen, um eine Plattform zu schaffen, auf der Erfahrungen und Ratschläge ausgetauscht werden können, die aber auch zu einen Ort für Verständnis werden kann, erwies sich als großer Erfolg. Nicht nur wurde Daniels schon 2014 mit dem Deutschen Motivationspreis in der Kategorie Selbsthilfegruppe ausgezeichnet, mittlerweile hat die Gruppe rund 5400 Mitglieder, nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz, Österreich, Frankreich, Belgien und Großbritannien. 700 Beiträge hat Daniels allein in den letzten 60 Tagen gezählt. "Vor allem jüngere Menschen - und Schlaganfälle sind bei weitem keine Alte-Leute-Krankheit mehr - haben ein Smartphone und die wollen eine Antwort nicht in zwei Tagen, sondern in zwei Stunden", sagte Daniels.

Wie wichtig dieser neue virtuelle Ansatz der Selbsthilfe in der medizinischen Versorgung ist, betonte auch Hans Christian Gnahn, Neurologe aus Ebersberg aus dem Publikum. Ein bis zwei Prozent aller Schlaganfall-Patienten nähmen an einer Selbsthilfegruppe teil, aber Austausch und gegenseitige Unterstützung seien unglaublich wichtig. "In dieser Hinsicht ist das Internet eine Chance. Und auch, wenn man mit seinen Daten natürlich vorsichtig sein sollte, kann eine geschützte Facebookgruppe, die so gewissenhaft verwaltet wird, sehr hilfreich sein", so Gnahn.

Anstatt sich auf seinem Erfolg auszuruhen, blieb Daniels indessen jedoch weiter umtriebig und wurde nun selbst zum Motivator. Unterstützt von den drei Firmen Bayer, TQ-Systems und Boehringer Ingelheim, die sich allesamt mit Gesundheitsforschung und Medizintechnik beschäftigen, schrieb er einen Preis unter den Mitgliedern der Facebookgruppe für die besten Innovationsvorschläge aus. Die Mitglieder wüssten schließlich selbst am besten, was ihnen in der Gruppe noch fehlte.

Die drei überzeugendsten Einsendungen wurden von einer Jury der Stiftung Deutsche Schlaganfall Hilfe ausgewählt und die Preisträger reisten aus Schleswig-Holstein, Hessen und Baden-Württemberg an. Den dritten Preis und 500 Euro erhielt die nicht selbst anwesende Ines Drehse für die Idee einer Datenbank, die bei der Lokalisierung anderer Mitglieder helfen könnte, um tatsächliche Treffen einfacher zu gestalten. Den zweiten Platz mit 750 Euro belegte Berthold Knabe, der vorgeschlagen hatte, eine kompakte Sammlung nützlicher Erfahrungswerte zu kompilieren. Er selbst habe sich nach seinem Schlaganfall "überfordert mit allem gefühlt" und Informationen als sehr schwer zugänglich empfunden. Jürgen Kammerls Idee einer Video-Chat-Funktion wurde mit dem ersten Preis und 1000 Euro geehrt.

Trotz der ersten Ausläufer eines Schneesturms, musste der Saal nach der Preisverleihung um 18 Uhr geräumt werden, jedoch betonten sowohl Feller, als auch Niedergesäß sowie Daniels selbst, dass es weder bei dieser ersten Verleihung des Deutschen Innovationspreises bleiben, noch dass dieses Projekt das Ende von Daniels Umtriebigkeit darstellen werde.

© SZ vom 01.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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