Initiative für Neuregelung:"Nicht nur um Weltpolitik kümmern"

Lesezeit: 3 min

Angelika Niebler (55) ist Abgeordnete im EU-Parlament, stellvertretende Parteivorsitzende der CSU und Kreisrätin in Ebersberg. 2017 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz. Sie lebt mit ihrer Familie in Vaterstetten. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die EU will die Zeitumstellung abschaffen. Die Vaterstettener Europa-Abgeordnete Angelika Niebler sieht viele Vorteile

Interview von Viktoria Spinrad, Ebersberg/Straßburg

Am Wochenende ist es wieder soweit: Weil Politiker mal vor Jahrzehnten Strom sparen wollten, werden die mehr als 500 Millionen EU-Bürger ihre Uhren eine Stunde zurückstellen. Eine Vaterstettenerin hat dem Zeitumstellungs-Relikt aus Zeiten der Ölkrise auf höchster Ebene den Kampf angesagt: Europa-Abgeordnete Angelika Niebler (CSU). Zwischen Parlaments-Abstimmungen und einer Tagung in Straßburg spricht die 55-Jährige über den langen Weg der Initiative durch den EU-Dschungel - und gibt ihren Tipp ab, von wann an die Kühe wieder verlässlich wissen, wann sie gemolken werden.

SZ: In welcher Gemütslage blicken Sie auf das Wochenende, wenn wir die Uhren eine Stunde zurückstellen?

Angelika Niebler: In der freudigen Erwartung, dass wir bald keine Umstellung mehr haben werden. Wir waren tatsächlich noch nie so nah dran am Ziel.

Also spricht die Stimmung im EU-Parlament für den sogenannten "Cloxit"?

Ja, ich glaube, dass wir eine solide Mehrheit für eine Abschaffung haben. Wir haben in den letzten Jahren auch wirklich alle parlamentarischen Instrumente ausgenutzt. Zu Beginn der Legislaturperiode haben wir eine informelle Arbeitsgruppe gegründet und überlegt: Wie können wir Druck auf die Kommission und auf die einzelnen Mitgliedsstaaten aufbauen? Es gab Anhörungen im Parlament, schriftliche Anfragen an die Kommission, eine Untersuchung zu gesundheitlichen Auswirkungen, Energieeinsparung und, und, und.

Aber hoffentlich nicht in der Absicht, uns unsere schönen, langen Sommerabende zu nehmen?

Nein, ich persönlich wäre auch eher für die ganzjährige Sommerzeit. Es gibt aber auch gute Gründe für die ganzjährige Winterzeit - auch wenn sich die meisten Zeitabschaffungs-Befürworter in der Umfrage ja für die Sommerzeit ausgesprochen haben.

Ist die Umfrage überhaupt eine repräsentative Grundlage für die Empfehlung der Kommission? Kritiker monieren: Es stimmen vor allem diejenigen ab, die sich eine Veränderung wünschen. Und dann auch noch im Sommer, wenn man die lauen Abende auskostet - vor allem Deutsche.

In nur 14 Tagen haben 4,6 Millionen Menschen abgestimmt. So viel Resonanz hatten wir noch nie bei einer europaweiten Online-Befragung. Es gab in der EU schon viele andere weit weniger repräsentative Umfragen. Diese aber ist ein gutes Stimmungsbild. Ich selbst habe viele persönliche Zuschriften von Bürgerinnen und Bürgern bekommen, die zeigen: Das Thema bewegt die Menschen. Sie sind genervt davon, zweimal im Jahr die Uhren umzustellen.

Und die Wirtschaft, sich mit verschiedenen Rhythmen rumschlagen zu müssen?

Die europäische Wirtschaft leidet tatsächlich unter der Zeitumstellung. Es gibt aber auch noch einen anderen Aspekt. Viele Europäer scheinen den Eindruck zu haben: Für sie macht die EU nichts, was ihnen im Alltag hilft. Beispiel: Entschädigungen bei Verspätungen bei Bahn- und Flugreisen. Da haben die EU-Mitgliedstaaten eine EU-Vorgabe umgesetzt, aber kaum jemand weiß, dass diese Initiative ursprünglich aus Brüssel kam. Deshalb ist das Thema Zeitumstellung für uns EU-Abgeordnete - wie die Abschaffung der Roaminggebühren im EU-Ausland - eine gute Gelegenheit, zu zeigen: Wir greifen auf, was die Menschen daheim in der Region bewegt.

Könnte das nicht auch nach hinten losgehen? Stichwort: Gurken-Krümmung, die EU im Regelungswahn.

Den Vorwurf gibt es immer wieder. Nehmen wir das Beispiel Plastikmüll: Am Mittwoch haben wir beschlossen, Einwegplastik aus dem Verkehr zu ziehen - eine echte europäische Aufgabe. Natürlich kann man fragen: Habt ihr nichts Besseres zu tun, als uns Strohhalme zu verbieten? Aber dies ist eben auch ein Thema, das die Menschen unmittelbar berührt. Das müssen wir ernst nehmen. Natürlich gibt es auch gewichtigere Themen als die Zeitumstellung. Aber wenn wir wollen, dass die EU als eine Gemeinschaft wahrgenommen wird, die schützt und nützt, dann müssen wir uns um solche Alltagsfragen ebenso kümmern wie um die Weltpolitik.

Wie geht es nun weiter? Dass wir am Wochenende zum vorletzten Mal die Uhren umstellen, wie von der EU angedacht, erscheint doch etwas unrealistisch.

Der Vorschlag der Kommission ist eindeutig: Die Zeitumstellung soll weg. Wir Parlamentarier müssen hierüber nun beschließen, genauso wie die Mitgliedstaaten. Ich vermute, dass es bis 2020 dauern wird, bis wir Klarheit haben. Und egal, wie man es am Ende regelt: Die Aufregung wird sich legen. Jeder wird sich darauf einstellen. Für die Tierwelt ist natürlich wichtig, dass die Kuh weiß, wann sie gemolken wird.

Und der Eber im Ebersberger Forst, wann der Jäger kommt.

(Lacht) Genau!

© SZ vom 26.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: