In der Baldhamer Petrikirche:Erlösende Klänge

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Die Sing- und Spielweise von Sopranistin Priska Eser (rechts) und der Flötistin Annette Hartig war voller Lebenskraft. (Foto: Christian Endt)

Das Passionskonzert von "Bach & More" zeigt sich leidensfrei, freudenvoll und erfrischend modern

Von Ulrich Pfaffenberger, Baldham

"Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen, und der dich behütet, schläft nicht." Es ist ein schönes Versprechen, das der Psalm 121 jenen gibt, die sich auf ihrem Weg durch die Welt Gott anvertrauen. Nicht von ungefähr ist er daher auch mit "Ein Wallfahrtslied" überschrieben, adressiert an die Pilger des alten Testaments, unterwegs nach Jerusalem. In der Fassung von Georg Philipp Telemann hat Matthias Gerstner das Lied "Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen" an den Beginn seines Passionskonzerts am Samstagabend in der Petrikirche Baldham gesetzt: Nicht das Leiden ist das Ziel des irdischen Daseins, sondern die himmlische Erlösung.

Weshalb es sich auch gut fügte, dass mit der Sopranistin Priska Eser und der Flötistin Annette Hartig zwei Solistinnen den Ton des Abends bestimmten, deren Sing- und Spielweise voller Lebenskraft sind. Beide intonieren die ihnen anvertrauten Melodien stets so, dass es kein Zaudern und Zögern vor dem nächsten Ton oder Akkord gibt, sondern stets ein überzeugtes Herangehen und ein beherztes Musizieren. Dieser zuversichtliche Ansatz zog sich als roter Faden durch das Programm des Abends, bei dem Gerstner einmal mehr bewies, dass die Auswahl, die er für seine Konzerte trifft, ihre Wirkung sowohl aus den Stücken wie aus deren Interpreten bezieht. Diese Kompositionsform erzeugt keine Zufallstreffer. In der Reihe von "Bach & More" hat ihr Erfinder dies schon oft gezeigt.

Es gilt daher auch Gerstners aufrichtigen Umgang mit seinen Solisten zu würdigen. Wo andere sich die Sahnestückchen herauspicken, begnügt er sich als Gleicher unter Gleichen mit einem Anteil, der seinem Instrument genauso gerecht wird wie der Botschaft, die er an die Zuhörer hat: Genießt den Klang, erbaut euch am Können seiner Schöpfer. Beim Choralvorspiel über Bachs "O Mensch, bewein Dein Sünde groß" zeigt er das mustergültig. Konservativ registriert, mit geduldiger Hand lässt er den Luftstrom der Melodie fließen, gibt ihm behutsam Richtung und gewährt der Freude über die bevorstehende Erlösung mehr Raum als dem Schmerz und der Trauer über die vergangenen Verfehlungen. Gerstner schafft einen starken Rahmen für die frohe Botschaft, die der Passionszeit ihren schmerzlichen Unterton nimmt.

Priska Eser fühlt sich in diesem Rahmen hörbar wohl, als Stammgast bei "Bach & More" hat sie schon mehrfach an seiner Form mitgearbeitet. In zwei geistlichen Liedern aus Schemellis Gesangbuch trägt sie mit ihrer ruhigen, besonnenen Interpretation dazu bei, dass die Anmutungen der Titel "Die bitt're Leidenszeit beginnet" und "Komm, süßer Trost, komm, sel'ge Ruh" nicht nur zeitlich, sondern auch geistig so unmittelbar aneinanderrücken. Sie singt diese Lieder hellwach, schenkt ihnen aber gleichzeitig die Behutsamkeit einer neugierigen Betrachterin, sprich: Sie lässt die Melodien sich entwickeln - und macht es damit ihren Zuhörern leicht, sie anzunehmen und wirken zu lassen.

Auf anderem Weg, aber mit gleicher Intensität gelingt dies auch Annette Hartig. Gemeinsam spielt sie mit Gerstner das Dreh- und Angelstück des Programms, die Sonate "La Lumague" des französischen Flötisten Michel Blavet. Beider entspannt-vergnügter Umgang mit dem angeblich schwermütigen und ernsten g-moll, in dem die fünf Sätze gehalten sind, führt diese fast 300 Jahre alten Melodien in den Status einer verblüffenden Modernität, weit entfernt von den gepuderten Perücken des Barock, aber ganz nahe am Atem der Menschen. Schön ausbalanciert in den Höhen und Tiefen, variantenreich in den Tempi verbinden sich die beiden Instrumente zu einem frohgemuten Chor.

Dass es am Samstag gerade einmal 30 Zuhörer waren, die sich Zeit für dieses Konzert nahmen, mag auf den ersten nüchternen Blick bedauerlich erscheinen. Vielleicht wirkt das Angebot eines ausdrücklich so apostrophierten Passionskonzerts in unserer Zeit nicht mehr verlockend. Auf den zweiten, eher philosophischen, Blick jedoch reihen sich die Wenigen aus Baldham ein in eine lange, ununterbrochene Reihe von Hörenden und Verstehenden, die über Jahrhunderte hinweg von diesen Melodien erreicht und bewegt wurden. Sich mit ihnen, unabhängig von Zeitgeist und Zustand der Welt, im Nachdenken über Passion und Erlösung verbunden zu fühlen ist, neben der künstlerisch-interpretatorischen, die geistige Qualität dieser abendlichen Stunde. Für beides gewährt das Publikum kenntnisreichen, anerkennenden Beifall.

© SZ vom 18.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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