Hohenlinden:Es gibt ein Leben vor der Wurst

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Die Bildhauer Ludwig Frank und Mukai Katsumi lassen rund um das Rathaus Hohenlinden eine "Demonstration der Tiere" aufmarschieren. Schwein, Rind und Gans sind allerdings aus Holz

Von Rita Baedeker, Hohenlinden

Sie sind es leid, haben die Schnauze gestrichen voll, wollen Platz, Freiheit und natürliches Futter. Schließlich gibt es ein Leben vor dem Tod, vor dem unausweichlichen Ende als Wurst, Gulasch oder Schnitzel. So und anders lauten sie, die Proteste und Forderungen auf den Transparenten von Teilnehmern einer ungewöhnlichen Demonstration, die sich gerade rund ums Hohenlindener Rathaus formiert hat. Einer der Demonstranten zeigt sogar den "Stinkefinger". Doch da naht ein Baufahrzeug der Gemeinde und hievt mit einem Kran nacheinander jeden der Protestierer auf einen anderen Platz.

Die insgesamt 16 Kämpfer für Tierrechte, darunter Pute, Kuh, Schweine, Gans, Ziege, Schaf, Fisch und Ente, sind allerdings aus hartem Holz und nehmen daher diese grobe, mit dem Demonstrationsrecht nicht zu vereinbarende Behandlung nicht weiter krumm. Dank ihrer altägyptischen Tiergöttern gleichen Gestalt und Körpergröße bis zu sechs Metern kann sie so leicht nichts umwerfen. Knallbunt sind sie bemalt, tragen Käppi, Krawatte, Latzhose, Bikini und wirken auch sonst recht menschenähnlich. Allesamt sind sie Geschöpfe der Bildhauer Ludwig Frank, Mukai Katsumi und Hans Pretzl, der als Schreiner zuständig ist für Statik und Sicherheit.

Mit der "Demonstration der Tiere" soll die Öffentlichkeit für eine artgerechte Tierhaltung gewonnen werden. Aber nicht "oberlehrerhaft, mit erhobenem Zeigefinger", wie der Bildhauer, der Fleisch "in Maßen" isst, sagt, sondern mit Humor. Deshalb habe er jene Tiere, die nach einem kurzen Leben in Ställen und Legebatterien als Braten enden, auch nicht als gequälte Kreaturen gestaltet, sondern als Comic-Helden. "Die Leute finden die Figuren lieb, sollen aber auch zum Nachdenken angeregt werden", sagt Frank, der in Wien geboren ist und in Altenmarkt sein Atelier hat.

In seiner Heimatstadt hat Ludwig Frank zunächst Kunstschlosser gelernt, bevor er die Schule für Angewandte Kunst besuchte. 1972 kam er nach München und machte eine Ausbildung zum Metallbildhauer. Seither stellt er weltweit aus. Für die Fußball-WM 2002 in Südkorea etwa gestaltete er das Kulturprogramm im Stadion; auch auf der Seidenstraße in Fernost leitete er ein Kunstprojekt. Und in München arbeitete er unter anderem für das asiatische Kulturprogramm auf dem Tollwood-Festival.

Dass er und der Japaner Mukai Katsumi im Zuge ihres künstlerischen Nomadentums, wie Frank es nennt, auch in Hohenlinden ausstellen, liegt daran, dass die Künstler und Hohenlindens Bürgermeister Ludwig Maurer gut miteinander bekannt sind. "Für uns ist es schön, wenn dieses Projekt, das auf dem Tollwood-Sommerfestival 2015 zu sehen war, auch bei uns Zwischenstation macht", sagt Maurer. Immer wieder, so erzählt Ludwig Frank, stelle der Bürgermeister auf seinem Bauernhof Künstlern Raum zum Arbeiten zur Verfügung. "Wir haben auf seinem Hof schon einige Sachen für Tollwood gemacht", sagt Frank. "Der ist oft unsere letzte Rettung, wenn wir mal viel Platz brauchen, zum Beispiel für den acht Meter hohen Engel, der auf Maurers Anwesen entstanden ist." An den heiklen Transport des Riesendings können sich Künstler und Rathauschef noch sehr gut erinnern.

Für die Tierdemo jedenfalls ist der Platz im Zentrum genau richtig. Öffentliche Aufmerksamkeit ist garantiert. Die Kleinen aus dem angrenzenden Kindergarten etwa bestaunen fasziniert die gigantischen Figuren. "Ich überlege schon, ob ich denen ein Stück Holz in die Hand drücken soll", sagt Ludwig Frank. "Dann können wir gemeinsam Viecher z'ammschrauben." Man merkt ihm an, dass auch er viel Spaß bei der Arbeit mit der Kettensäge hatte. "Zehn Jahre haben wir nicht so viel gelacht."

Gute Laune ist das Motto der Demo mit ernstem Hintergrund. Nur einer, der Fisch, teilt diese Stimmung ganz und gar nicht. "Pfiat eich, Servus, Tschüss, ich sterbe aus", lautet seine bedrückende Botschaft.

Die Ausstellung "Demonstration der Tiere" mit einer Installation von Ludwig Frank und Mukai Katsumi wird am Samstag, 27. Februar, um 15 Uhr auf dem Rathausplatz Hohenlinden eröffnet. Sie ist bis Ende April zu sehen und zieht dann weiter nach Salzburg auf den Mönchsberg.

© SZ vom 25.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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