Hohenlinden:Einfach da sein und zuhören

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Vier der acht Helfer: Christian Schier, Mathias Sprung, Carola Baumgartner und Robert Wimmer (von links). (Foto: Christian Endt)

Seit 1987 kümmern sich die Mitglieder des Helferkreises um Menschen, die nach Verkehrsunfällen oder bei anderen Notfällen Unterstützung brauchen. Doch das Team ist klein - Verstärkung wäre dringend nötig

Von Carolin Fries, Hohenlinden

An viele Einsätze erinnert sich Robert Wimmer bis heute. Da waren die Zeugen eines schweren Verkehrsunfalles auf der Autobahn A 99, die man zunächst zur Raststätte begleitete und bei einem Gespräch beruhigte, bis sie die Weiterfahrt sicher fortführen konnten. Oder der Lastwagenfahrer, der heulend in seinem Führerhaus saß, weil er beim Abbiegen ein junges Mädchen mit ihrem Fahrzeug übersehen hatte. Seine Schuldgefühle waren so stark, dass er nicht mehr im Stande war, mit seinem Truck weiterzufahren. Mitarbeiter des Helferkreises begleiteten ihn mit dem Lastwagen zum nächsten Parkplatz und konnten den Mann mit der Nachricht aus der Notaufnahme beruhigen, dass sich das Mädchen nicht lebensgefährlich verletzt hatte. Und auch die Familie aus Kroatien hat Wimmer noch heute vor Augen, wie sie nach einem Totalschaden ihres Fahrzeugs durch einen Unfall völlig hilflos war und vom Helferkreis zur Weiterreise zum Bahnhof gebracht wurde. Der Helferkreis kümmert sich seit 1987 um Menschen im Landkreis Ebersberg, die bei einem Unfall nicht im Mittelpunkt stehen, aber deshalb nicht zwingend weniger stark unter den Vorkommnissen leiden. Robert Wimmer, 58, aus Hohenlinden war damals Gründungsmitglied und ist bis heute Einsatzleiter und Vorsitzender.

"Was passiert mit den Unverletzten?" Diese Frage hat sich Robert Wimmer immer wieder gestellt, wenn es auf der B 12 gekracht hatte. Damals, er ist in der Erdinger Straße in Hohenlinden aufgewachsen, gab es die A 94 noch nicht, und er hörte oft den Notarzt die Straße entlang sausen. Als er dann in einer Zeitschrift von zwei ehrenamtlich organisierten Helferkreisen bei Hamburg und im Allgäu las, war für ihn klar: Das brauchen wir hier auch. Ein paar der Nachbarn waren sofort dabei, der Helferkreis begann zu helfen.

Insbesondere nach Verkehrsunfällen, aber auch nach häuslichen und persönlichen Unfällen und Notfällen bietet die Organisation unverletzten Betroffenen, Angehörigen, Zeugen und Ersthelfern psychische und organisatorische Hilfe und Betreuung an. Wimmer spricht von einer "Grauzone der psychischen Ersten Hilfe, dort wo keine professionelle Hilfe nötig ist". Konkret heißt das manchmal einfach nur da sein und zuhören - oder zusammen schweigen.

Ärzte und Helfer wissen, dass die ersten Minuten und Stunden nach einem Ereignis für eine Betreuung die wichtigsten sind, will man einer posttraumatischen Belastungsstörung vorbeugen. Also versucht man möglichst schnell da zu sein. Im Gegensatz zu den Mitarbeitern des Kriseninterventionsteams (KIT) stellt der Helferkreis aber keine ausgebildeten Fachkräfte. Durch Seminare in der psychosozialen Notfallversorgung und interne Fortbildungsmaßnahmen werden die Mitglieder jedoch in diesem Gebiet intensiv geschult und können laut Wimmer besonders "bei den leichten Fällen" helfen.

Voraussetzung für einen Einsatz ist die Alarmierung durch die Polizei oder den Rettungsdienst. Während das Kriseninterventionsteam je nach Einsatzart von der Leitstelle automatisch mitalarmiert wird, muss der Helferkreis separat informiert werden. "Manchmal vergessen Polizei und Rettungskräfte uns oder finden die Zeit für einen Anruf nicht", sagt Wimmer. Vorrangig sei nun einmal die Versorgung der Verletzten und die Sicherung der Unfallstelle. Wenn Wimmer dann im Radio von einem schweren Unfall auf der Autobahn hört - die A99 und A94 gehören zum Einsatzgebiet - ruft deshalb auch schon mal er bei der Polizei an und bietet Hilfe an. "Für die Polizei oder die Rettungskräfte ist es oft nur ein normaler Unfall. Für die Betroffenen mitunter ein schwer zu verarbeitendes Erlebnis", betont Wimmer, der im Landratsamt Ebersberg als Sachbearbeiter arbeitet.

Seit 1999 ist der Helferkreis ein eingetragener Verein, der sich ausschließlich über Spenden finanziert. Zwischenzeitlich wuchs die Zahl der Mitglieder auf mehr als 20 Personen. Aktuell gibt es acht aktive Helfer im Landkreis, die meisten arbeiten hauptberuflich in sozialen Berufen oder ehrenamtlich bei einer Rettungsorganisation. Im vergangenen Jahr hatte der Helferkreis 24 Einsätze, in diesem Jahr sind es bereits 25. Alle Helfer bekommen das Dachschild "Helferkreis im Einsatz" zur Kenntlichmachung des privaten Einsatzfahrzeugs und eine Einsatzweste mit der Aufschrift "Helferkreis Betreuung". Manchmal klingelt das Telefon, und jemand bietet Kleidung für Asylbewerber an - dann muss Wimmer erklären, dass sein Helferkreis sich ein anderes Engagement auf die Fahne geschrieben hat. Er hat alle Asyl-Helferkreise angeschrieben und gebeten, den Zusatz Asyl zu benutzen, um Verwechslungen vorzubeugen.

Der Vorsitzende sucht dringend zusätzliche Helfer. Idealismus, Hilfsbereitschaft sowie Bereitschaft und Zeit für einen Einsatz sollten Interessenten mitbringen. "Das bedeutet nicht, dass man rund um die Uhr zur Verfügung stehen muss", sagt Wimmer, der die Einsätze koordiniert. Wichtig sei auch ein Mobiltelefon zur Erreichbarkeit und ein Fahrzeug, das zur Verfügung steht. "Auf alles andere wird man vorbereitet."

Der Helferkreis ist permanent unter der Rufnummer (0172) 891 40 01 erreichbar. Wer mithelfen will, kann sich unter www.helferkreis.info informieren und Kontakt per E-Mail an HelferkreisEBE@aol.com aufnehmen oder telefonisch abends unter (08124) 44 57 00.

© SZ vom 02.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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