Historisches:Der Schmalzler-Schlossherr

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Knapp drei Jahrzehnte lang hat Adolf von Büsing-Orville zahlreiche feudale Güter im südlichen Landkreis besessen und ihr Aussehen bis heute geprägt. Ein neues Buch von Hans Huber stellt das Wirken des Barons nun vor

Von Wieland Bögel

Der Konsum von Schnupftabak, bairisch: Schmalzler, mag nicht ganz unumstritten sein, aus gesundheitlichen wie auch ästhetischen Gesichtspunkten. Der Süden des Landkreises Ebersberg indes hat dem Schmalzler viel zu verdanken, ohne Schnupftabak wäre die Region rund um Glonn um einige architektonische Meisterwerke ärmer. In den Jahren seit 1898 wurde das Schloss Zinneberg genau wie zahlreiche Gutshöfe der Gegend von den besten Architekten der Zeit aus- und umgebaut, was ihr Aussehen bis heute prägt. Auftraggeber war Adolf von Büsing-Orville, geboren 1860 in Frankfurt am Main, 1901 in den Adelsstand erhoben wegen seines Reichtums - den er dem Familienunternehmen verdankte: Die Orvilles waren seit Generationen im Tabakhandel erfolgreich, unter anderem eben mit dem Vertrieb von Schmalzler.

Wie der reichste Spross dieser Familie in den Landkreis Ebersberg kam, welche Güter er hier erwarb, und was unter seiner Ägide - und auch später - aus diesen wurde, hat nun der Archivar und Lokalhistoriker Hans Huber aus Taglaching in einem reich bebilderten Buch dargestellt. Bereits beim Tag des offenen Denkmals 2019 waren die ehemaligen Besitztümer des Barons Thema, auch dank der Recherchen von Hans Huber, der sich seit Jahren auch mit Büsing-Orville und seinen Spuren im Landkreis befasst.

Der Brucker Archivar und Lokalhistoriker Hans Huber beschäftigt sich schon lange mit der Geschichte Zinnebergs. (Foto: Christian Endt)

Das neue Buch schildert unter anderem, wie Büsing-Orville 1898 den Erbstreit der Familie Scanzoni nutzte, um Schloss Zinneberg und die damit verbundenen Güter und Ländereien zu erwerben. Darunter waren etwa Schloss und Brauerei Egmating, die Güter Ober- und Niederseeon sowie Altenburg, Georgenberg und Sonnenhausen. In den kommenden Jahren vergrößerte Büsing-Orville seinen Besitz durch den Ankauf weiterer Höfe und Grundstücke.

Dabei war er durchaus nicht zimperlich, wie Huber herausgefunden hat. So lieferte sich der Baron etwa einen jahrelangen Streit mit dem damaligen Eigentümer des Steinsees, den Büsing-Orville durch andere Grundstückskäufe von seinem See aussperrte. Was ihm dann zwar ein Gericht untersagte, später aber nutzte er eine Notlage des Fischers, um den See dennoch zu erwerben - und für die Öffentlichkeit zu sperren, bis ihn Proteste der Bevölkerung zur Öffnung des Sees zwangen. Proteste gab es auch 1911 um die Brauerei Egmating, als deren Arbeiter in die Gewerkschaft eintreten wollten. Büsing-Orville organisierte Streikbrecher, es kam zu Tumulten und im August des Jahres brannte die Brauerei nieder - ob es Brandstiftung war und wenn ja, von wem, wurde nie geklärt. Insgesamt, so schreibt Huber, war Büsing-Orville "als knallharter Geschäftsmann bekannt", der es verstand, Menschen unter Druck zu setzen. Andererseits war er wohl nicht geizig, laut Huber gab es viele, die von sich aus dem Baron Immobilien verkaufen wollten, da bekannt war, dass er gute Preise zahlte.

Spuren, die der Baron im Landkreis Ebersberg hinterlassen hat, beschreibt Hans Huber in seinem Buch. (Foto: SZ Ebersberg)

Vermutlich auch in Herrmannsdorf, wo Büsing-Orville kurz nach der Jahrhundertwende das ganze, aus neun Hofstellen bestehende, Dorf aufkaufte. Daraus entstand dann Gut Herrmannsdorf, in der Struktur, wie es im wesentlichen bis heute existiert. Ebenfalls bis heute zu sehen ist das Administratorenhaus, also der Wohn- und Arbeitsort des Gutsverwalters. Entworfen hat es Friedrich von Thiersch, einer der bedeutendsten Architekten seiner Zeit, der der Landeshauptstadt zahlreiche wunderbare Gebäude beschert hat. Die bekanntesten sind der Justizpalast, der Turm der Technischen Universität sowie die Reichenbach- und die Corneliusbrücke. Für Herrmannsdorf entwarf er unter anderem das im Stil eines englischen Landschlösschens gehaltene Administratorenhaus mit seinen zwei markanten Türmchen. Solche gibt es - wenn auch etwas kleiner - auch im wenige Kilometer entfernten Georgenberg zu sehen. Hier ging Büsing-Orville ähnlich vor wie in Herrmannsdorf: die alten Bauernhöfe wurden abgerissen, an ihrer Stelle entstand ein moderner Gutshof.

Auch das Administratorenhaus in Herrmannsdorf geht auf Friedrich von Thiersch zurück. (Foto: Christian Endt)

Denn - auch dies beleuchtet Hubers Buch - Büsing-Orville ging es nicht nur darum, sich hübsche Landsitze bauen zu lassen. Der Baron sei ein ehrgeiziger Geschäftsmann gewesen, und dies zeige sich auch an seinen Höfen. Herrmannsdorf etwa bekam neben dem englischen Schlösschen einen neuen Stall für 100 Kühe, 40 Zugochsen und 25 Pferde, Lagerhäuser, eine Saatgut-Reinigungsanlage und eine für die damalige Zeit höchst innovative Silage-Anlage mit sechs Türmen. In der Stegmühle am Glonnbach entstanden eine Pumpstation, um die Wasserversorgung auf Schloss Zinneberg zu verbessern - und den ebenfalls von Friedrich von Thiersch entworfenen Seepark zu speisen und auch ein Wasserkraftwerk, das zwar nicht mehr in Betrieb, aber noch erhalten ist.

Thiersch und Wilhelm Spannagel entwarfen auch die Gebäude des Gestüts Sonnenhausen. (Foto: Privat)

Ein weiteres Beispiel für die Ansprüche Büsing-Orvilles an seine Besitzungen ist Gut Sonnenhausen, ein Gemeinschaftswerk von Friedrich von Thiersch und Wilhelm Spannagel - einem weiteren bedeutenden Münchner Architekten der damaligen Zeit. Das ganze Ensemble war "von Anfang an auf Noblesse ausgerichtet" schreibt Huber, mit dem Zweck, bei Gästen Eindruck zu machen. Der Jugendstil ist erkennbar prägend für die Spannagel-Gebäude des Gestüts, das gleichzeitig nach modernen Gesichtspunkten angelegt wurde und etwa 50 Pferden Platz bot. Einige Jahre später entstand die Reithalle nach Plänen von Thierschs.

Dessen und auch Büsing-Orvilles wichtigste Hinterlassenschaft ist aber zweifellos Schloss Zinneberg. Dessen heutiges Aussehen verdankt es maßgeblich der Bautätigkeit des Barons, wie Huber ausführlich und anhand zahlreicher Originalpläne - etwa vom berühmten Treppenhaus oder der Orangerie - sowie historischer und zeitgenössischer Fotos beschreibt. Auch die Parkanlagen wie eben der künstliche See oder auch die Gärten rund um das Gebäude sind Büsing-Orville zu verdanken - der, so schreibt es Huber, seine Gärtner besonders gut bezahlte, da ihm die Parks sehr wichtig waren.

Nach dem Ersten Weltkrieg verlor der Baron jedoch das Interesse an seinen Glonner Besitztümern. Von 1920 an verkaufte Büsing-Orville nach und nach seine Güter. Zuletzt im Jahr 1927 Schloss Zinneberg an die Schwestern vom Guten Hirten, die dort eine Jugendhilfe-Einrichtung für Mädchen und junge Frauen betreiben. Was den Baron zu seinem Abschied aus dem Landkreis bewogen hat, dazu bietet Huber mehrere Gründe an: Vielleicht war er unzufrieden, weil sich die Güter nicht so entwickelten, wie es der ehrgeizige Baron erhofft hatte, vielleicht lag es an der allgemeinen Krise nach dem Krieg oder an persönlichen Motiven des Mannes, der "zeitlebens ein nicht ganz einfacher Mensch war", wie Huber schreibt. Bis 1940 lebte Büsing-Orville in der Schweiz, später in Liechtenstein, 1948 starb er in Locarno. "Mit ihm endet die Geschichte der Adelshäuser auf Schloss Zinneberg", schreibt Huber, dieses und das weitere architektonische Vermächtnis des Barons aber lässt sich bis heute besichtigen.

Das Buch "Der Zinneberger Schlossherr Baron von Büsing-Orville und seine Gutshöfe" von Hans Huber ist um fünf Euro im Klosterladen Zinneberg erhältlich.

© SZ vom 07.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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