Historischer Verein für den Landkreis:Von Fürsten und Malern

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Das 18. Jahrbuch gewährt erneut sehr erhellende Einblicke in die Ebersberger Vergangenheit

Von Peter Kees

Mehr als 200 Seiten und so einiges Wissenswertes zur Geschichte und zur Kultur des Landkreises bietet das neue Jahrbuch des Historischen Vereins für den Landkreis Ebersberg. Auch bei diesem mittlerweile 18. Band der Reihe "Land um den Ebersberger Forst. Beiträge zur Geschichte und Kultur" ist es den Herausgebern gelungen, viele höchst kompetente Autoren mit unterschiedlichsten Themen für die Publikation zu gewinnen. Insofern ist dieses Buch für historisch interessierte Zeitgenossen mit Sicherheit ein aufschlussreicher Schatz, eine erhellende Schriftsammlung auf der Suche nach einstigen Wirklichkeiten.

Einer der wahrscheinlich erwartungsvollsten Artikel in diesem Band ist ein Aufsatz über den im Herbst 2013 auf einem Acker der Einöde Bichl in der Gemeinde Aßling entdeckten Erdstall. Autor Dieter Ahlborn beschäftigt sich darin mit der Dokumentation dieses Fundes, aber auch mit seiner Deutung. Bis heute scheint unklar, zu welchem Zweck diese "gangartige, künstliche Aushöhlung" in ungefähr zwei Metern Tiefe früher diente. Im Landkreis gibt es mehrere derartige unterirdische Gangsysteme. Der Erdstallforscher datiert diesen Fund auf etwa 1000 nach Christus. Seine These, es könnte sich um Seelenkammern handeln, in denen erste Siedler nach der Völkerwanderungszeit ihre an anderen Orten Bestatteten weiterhin verehren wollten, leuchtet ein und macht diesen Fund umso faszinierender. Ein spannendes Kapitel, das freilich Fragezeichen offen lässt, für diese sagenumwobenen "Teufelslöcher" aber zumindest eine plausible Erklärung bietet.

So bunt wie das Leben sind die Beiträge im neuen Jahrbuch des Historischen Vereins. (Foto: privat)

Doch in dem Buch ist noch viel mehr Interessantes zu finden. Da ist etwa ein durchaus fundierter Beitrag von Thomas Freller, Inhaber des Lehrstuhls für Germanistik und Kulturwissenschaften der Universität Malta, über den unehelichen Sohn Kurfürst Karl Theodors Karl August von Bretzenheim und das Leben an Fürstenhäusern im Zeitalter "am Ende des Ancien Régime im Spannungsfeld von Revolution und Restauration". Jener Karl August von Bretzenheim wird gerne, so der Autor, als "trauriges Relikt des galanten 18. Jahrhunderts" bezeichnet. Heiratet er doch als Großprior des bayrischen Malteserordens. Ein Umstand, an dem Freller die "Verwerfungen und Umwälzungen" dieses Zeitalters vorführt. Als Großprior des geistlichen Ritterordens der Malteser hatte von Bretzenheim nämlich einst ein Gelübde der Keuschheit, Armut und des bedingungslosen Daseins für Kranke und Schwache abgelegt. Seinen Lebensstil hingegen zeichnet indes Freller als gegenteilig, aufwendig und wenig diesem Gelübde entsprechend. Seine Beziehung zu Ebersberg: Die Heirat mit Maria Walburga von Oettingen-Spielberg führte Karl August von Bretzenheim aus Mannheim nach Ebersberg, München und Wien und ließ ihn schließlich zum ungarischen Magnaten werden. Ein hübscher Einblick wird da geboten, in eine Zeit, die nach den Worten des Autors "die Hohlheit institutioneller und geistiger Formen im Umfeld sich durchsetzender sogenannter bürgerlicher und materialistischer Denkformen" zeigt.

Die Leiterin des Stadtarchivs Antje Berberich widmet sich dem Ebersberger Maler Heinrich Glückswerth (1872 bis 1931). (Foto: oh)

Schon wird kenntlich: Die Beiträge reflektieren ganz unterschiedliche Themen und Epochen. Darunter auch ein Artikel der Leiterin des Ebersberger Stadtarchivs Antje Berberich über den Ebersberger Maler Heinrich Glückswerth (1872 bis 1931). Der Willinger Historiker Gottfried Mayr hat Anmerkungen zu drei Heiligen der bayerischen Frühzeit, Emmeram, Marinus und Anianus verfasst. Peter Maicher, einst Direktor des Bayerischen Landtags, zeichnet ein Portrait über den "braven Ebersberger Abt" Rupert I. (1085 bis 1115), samt einem Einblick in dessen Epoche. Überlegungen zum Wappen der Altenburger und Falkenberger Familie Wämpl stammen von Christine Steininger, Leiterin der Forschungsstelle München des Projektes "Deutsche Inschriften Online" der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Der Kreisheimatpfleger des Landkreises Rosenheim Ferdinand Steffan identifiziert den angeblich unbekannten Maler G.S.P. als Gregor Sulzböck aus Wasserburg, von dem auch Bilder in der Kirche Sankt Christoph in Steinhöring zu finden sind. Alfred Tausendpfund, Kreisheimatpfleger des Landkreises München, zeichnet hingegen die politische Karriere Gabriel Bernhard von Widder (1774 bis 1831) im Zeitalter des Grafen Maximilian von Montgelas und König Ludwigs I nach. Der einstige Grundschullehrer Günter Staudter schließlich beschreibt die Piusheim-Hauskapelle Sankt Raphael bei Glonn.

Alle Beiträge sind mit sehr informativen Farbablichtungen und Fotos versehen, im Anhang finden sich Hinweise zu neuen heimatkundlichen Schriften. Erhältlich ist das Jahrbuch beim Verein, im Grafinger Museum und in den Buchhandlungen des Landkreises. Weitere Informationen unter www.ebersberger-historie.de.

© SZ vom 08.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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