Hirte trifft Bauer:Hoher Besuch im Schweinestall

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Weihbischof Rupert Graf zu Stolberg besucht vor dem Erntedankfest den Biohof der Familie Lenz. Er will die Verbindung von Münchnern und Landwirten im Umland stärken

Von Moritz Kasper, Zorneding

Sechs Autos, sieben Personen. Die Ökobilanz des hohen Besuchs, der sich an diesem schönen Vormittag auf einem Biobauernhof in Zorneding einfindet, hätte besser ausfallen können. Lässt man den Fahrer des Ehrengastes weg, kommt man sogar auf ein Auto pro Person. Schade eigentlich, denn die Grundidee des Besuchs ist durchaus interessant. Weihbischof Rupert Graf zu Stolberg steht in Sakko und Stoffhose vor dem Schweinegehege und versucht, die Aufmerksamkeit der schlammgebadeten Vierbeiner auf sich zu lenken. Mit Erfolg - schon bald hat sich ein neugieriges Grüppchen auf der anderen Seite des elektrischen Zauns versammelt und mustert neugierig den hier eher seltenen Besucher.

Was der Erzbischof hier am Schweinestall erlebt, möchte er sozusagen aus erster Hand an seine Münchner Schäfchen weitergeben: Die Nähe zur Schöpfung und zum Ursprung der Nahrungsmittel sonst so gestresster Städter. Mit Blick auf das anstehende Erntedankfest wünscht er sich mehr Bindung zur Landwirtschaft. Vom Stall geht es weiter. Das Erzbischöfliche Ordinariat München hat mit der Katholischen Landvolk-Bewegung (KLB) eine ganze Führung über den Biobauernhof der Familie Lenz organisiert. Dieser verkauft seine Erzeugnisse online und im Hofladen an Privatkunden im Großraum München und ist damit ziemlich erfolgreich.

Weihbischof Rupert Graf zu Stolberg (links) lässt sich von Biolandwirt Franz Lenz beim Hofrundgang Ställe, Gehege und Scheunen zeigen. (Foto: Christian Endt)

Die regionale Verbundenheit des Hofs geht sogar weit über den lokalen Verkauf von Fleisch und Kartoffeln hinaus. Stolz zeigt Landwirt Franz Lenz den Besuchern den neugebauten Rinderstall. Für diesen erwarben die Anwohner eine Anleihe, die mit 500 Euro pro Stück gezeichnet wurde. So streckten sie über 100 000 Euro vor - obwohl das Projekt nur auf zwei Veranstaltungen vorgestellt wurde. "Selbst unsere Berater waren total überrascht von dem Andrang", erinnert er sich. "Da kam irgendeine Tiefe Verbindung zur Landwirtschaft zu Tage. Die Leute hatten wirklich das Gefühl, mit ihrem Anteil selbst ein Stück zum Schweinebauer zu werden und waren begeistert. Als wir nach fünf Wochen das ganze Geld zusammenhatten, meldeten sich immer noch Leute und hatten dann das Gefühl, etwas verpasst zu haben."

Seltener Besuch: Weihbischof Rupert Graf zu Stolberg begegnet bei seinem Rundgang über den Biohof Lenz schlammgebadeten Vierbeinern. Er wünscht sich, dass sich mehr Menschen wieder den Ursprung ihrer Nahrungsmittel bewusst machen. (Foto: Christian Endt)

Lenz' Hof klingt eigentlich wie der Traum eines jeden Tierschützers, doch gerade der hat für den Biobauern oft etwas Befremdliches. "Da kriegt eine Mutter ihr Baby!", rief ihm einmal ein panischer Besucher entgegen. Nach einem Sprint zur Weide sah er eine Kuh, die gerade ein Kalb zur Welt brachte. "Natürlich merken wir das nicht immer gleich und sind dankbar, wenn die Leute uns darauf hinweisen", meint er. "Aber diese Vermenschlichung des Tieres ist doch seltsam".

Von Naturschutzverbänden, die andere Bauern zur schnellen Umstellung auf Ökolandwirtschaft drängen, wünscht er sich mehr Verständnis. "In meinen Augen hat nur Ökolandbau eine Zukunft, aber so eine Entwicklung braucht Zeit." Vegetarier und Veganer, die auf seinem Hof gegen die Tierhaltung demonstrieren, fragt er, ob sie denn wirklich wollen, dass er all die grünen Weiden, auf denen sein Vieh grast, in Ackerland verwandelt.

Zum Schluss versammeln sich die Vertreter der Organisationen noch einmal bei ihren Autos - der Weihbischof möchte den Hof segnen. Dazu trägt Johannes Seibold, geistlicher Leiter der KLB, ein stimmungsvolles Gebet von Papst Franziskus vor: "Heile unser Leben, damit wir Beschützer der Welt sind und nicht Räuber, damit wir Schönheit sähen und nicht Verseuchung und Zerstörung", heißt es darin.

Die Umsetzung des Gebets bleibt indes der Familie Lenz vorbehalten. Der Weihbischof begnügt sich mit einem emotionalen Appell an die Regionalität, die nicht im Widerstand zur Globalisierung stehe. Zum Abschied kriegt er eine CD mit Liedern von Johannes Seibold, der eben das Gebet vorgetragen hat. "Die können sie sich ja anhören, wenn sie das nächste Mal im Stau stehen - sehr entspannend", meint eine Mitorganisatorin.

© SZ vom 14.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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