Hilfe bei finanzieller Not:Ausweg aus der Schuldenfalle

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Das Jobcenter in Ebersberg arbeitet mit mehreren Schuldnerberatern zusammen, um den Kunden eine kostenlose Hilfe anbieten zu können

Von Max Nahrhaft

Jeder Zehnte in Deutschland ist überschuldet, doch nur die wenigsten suchen sich professionelle Hilfe. Dabei gibt es viele Dienstleister, die Betroffene kostenlos beraten. Einer dieser Anbieter ist das Jobcenter in Ebersberg, das schon lange mit vielen Schuldnerberatungen zusammenarbeitet. Die Agentur will in schwierigen Lebenslagen kompetente Hilfe leisten. Die Beratung ist für den Kunden immer kostenlos und wird streng vertraulich durchgeführt.

Einer der zertifizierten Schuldnerberater ist Stephan Brem aus Haar. Er bemerkt, dass sich viele Betroffene erst einmal überwinden müssen, seine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen: "Für die Menschen ist es eine Frage des Stolzes, zu uns zu kommen. Deswegen will ich auch keine großen Reden halten, sondern konstruktiv zusammen mit dem Kunden eine Lösung finden." Ziel der Beratung sei es, das Geld des Schuldners vor einer Vollstreckung zu schützen und trotzdem die Ansprüche der Gläubiger zu befriedigen. "Dabei ist unsere Arbeit sehr niederschwellig", sagt Hermann Schmidbartl, der Geschäftsführer des Jobcenters. Man wolle den Schuldner nicht bevormunden, sondern ihn an die Hand nehmen, damit er die Situation meistern könne.

Der Berater vermittelt zwischen Schuldner und Gläubiger, wobei ihm mehrere Optionen offen stehen, einen Kompromiss zu finden. Entweder es wird ein Vergleich erzielt, auf den sich beide einigen, oder der Kunde geht in Privatinsolvenz. Der Schuldnerberater bevorzuge aber den Vergleich, weil sich dadurch die Beteiligten in der Mitte treffen. "Manchmal kommt es auch vor, dass der Schuldner seine Verpflichtungen in Ein-Euro-Raten begleicht", erklärt Brem. "Der Gläubiger stimmt dem häufig zu, da er weiß, dass er sein Geld ansonsten gar nicht mehr sehen würde." Eine Insolvenz hingegen sei ein reines Defensivinstrument, das auch in der Schufa eingetragen werde und sich negativ auf die spätere Kreditwürdigkeit auswirke.

Die eigentliche Arbeit beginne aber weit vor der Vermittlung. Zunächst müsse Klarheit geschaffen werden, welche Verbindlichkeiten in welcher Höhen an wie viele Gläubiger gezahlt werden müssen. Viele der Kunden hätten den Überblick über ihre Rechnungen, Briefe und die Gläubigerpost verloren und wüssten dementsprechend gar nicht, wie hoch ihre Schuldenlast wirklich ist. "Es kam auch schon vor, dass ich gemeinsam mit dem Kunden alle Kuverts öffnen musste, um einen Gesamteindruck zu bekommen. Das ist zwar schmerzlich, hat aber häufig einen echten Mutmacher-Effekt", so Brem. Die Erfolgsquote des Angebots liege bei 100 Prozent, da jeder, der den Dienst in Anspruch nimmt, eine positive Entwicklung aufweise.

Die Schuldenfreiheit selbst ist dabei nur ein Mittel, um in letzter Konsequenz wieder eine Arbeit zu finden. Alle Kunden sind arbeitslos und werden der Beratung entweder direkt vom Jobcenter oder zum Beispiel vom Amtsgericht vermittelt. Neben gesundheitlichen Problemen und familiären Missständen sind Schulden die Hauptursache für Arbeitslosigkeit. Das geringste Problem hingegen ist die mangelnde Qualifikation. "Viele sehen keinen Sinn mehr darin, arbeiten zu gehen, wenn sie wissen, dass ihr Lohn direkt an den Gläubiger überwiesen wird", sagt Schmidbartl. "Da gerät man schnell in eine depressive Phase, aus der wir heraushelfen wollen." In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, mit den Arbeitgebern zu kooperieren und deren Bewusstsein zu schärfen. Müsse nur einmal der Monatslohn auf das Konto des Gläubigers überwiesen werden, könne man nicht gleich von einer Zahlungsunfähigkeit ausgehen. Die schwierigsten Verhandlungspartner seien Vermieter, Energieversorger und Krankenversicherungen. Diese könnten im Gegensatz zu anderen Gläubigern in das tägliche Leben eingreifen, indem sie die Wohnung kündigen oder den Strom abdrehen.

Stephan Brem arbeitet seit zwei Jahren mit dem Jobcenter zusammen und hat in dieser Zeit schon mehr als 200 Kunden betreut, von denen die meisten alleinerziehend sind. Meist reichen ihm drei Gespräche aus, um den richtigen Ansatz zu finden. Der Weg bis zur endgültigen Schuldenfreiheit kann sich aber über mehrere Jahre hinziehen. "Inzwischen konnten wir schon 40 Personen schuldenfrei in Arbeit bringen. Ich hätte mir nie vorgestellt, dass es so gut läuft", sagt Brem. Er freut sich jedes Mal, wenn sich die Schuldner nach einem Gespräch aufrichtig bei ihm bedanken Die Schuldnerberatungsstelle des Diakonisches Werks in Ebersberg beteiligt sich an der bundesweiten Aktionswoche "Schulden machen Krankheit macht Schulden" vom 6. bis 10. Juni. In dieser Zeit gibt es zusätzliche offene Sprechstunden, zu denen Betroffene ohne Termin kommen können. Weitere Informationen unter (08092) 232 10 20 oder per Mail unter carola.kaupel@sd-obb.de.

© SZ vom 06.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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