Heilige Abend, gestern und heute:So kommet doch all

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Jeder kennt die Weihnachtsgeschichte mit Krippe im Stall, samt Ochs, Esel und Stern. All dies lässt sich auch heutzutage noch finden - wenn man ein bisschen genauer hinschaut

Von SZ-Autoren

Die Weihnachtsgeschichte ist ein zweitausend Jahre alter Klassiker. Ursprünglich von den Evangelisten Lukas und Matthäus erzählt, haben sich in den 20 Jahrhunderten zahlreiche Varianten der Geschichte entwickelt, die sich doch in vielen Elementen ähnlich sind: Es gibt natürlich die Krippe mit Ochs und Esel - die beiden werden übrigens genau wie der Stall erst von späteren Autoren in die Geschichte eingefügt. Die Reise von Maria und Josef nach Bethlehem und der Stern sind dagegen von Anfang an Teil der Weihnachtsgeschichte. Doch wo findet man die Elemente der Erzählung in der Realität? Autoren der SZ Ebersberg haben sich umgehört.

Die Wanderung

Nichts als einen Esel hatten Maria und Josef als Verkehrsmittel, als sie vor gut 2000 Jahren durchs Heilige Land zogen, um von Nazareth nach Betlehem zu kommen. Man stelle sich vor, ein junges Paar würde heute, sagen wir, in Markt Schwaben, loslaufen, entlang der Staatsstraße durch den Forst, um die Kreisklinik zur Entbindung aufzusuchen. Zu Fuß würden sie sicher nicht gehen, wo sollten sie auch auf die Schnelle einen Esel herkriegen. Stattdessen würden sie sich einreihen in die tägliche Blechkarawane: 6260 neuzugelassene Fahrzeuge verzeichnete die Zulassungsstelle bislang 2018, und "es werden zuverlässig jedes Jahr mehr", sagt der stellvertretende Leiter Manfred Vielhuber. Beschaulicher war die historische Landschaft also allemal, wenn auch anstrengender. Und doch hatte Josef für den Fußmarsch nur fünf Tage veranschlagt, acht bis zehn Tage soll er heute dauern durch entlegene Täler und Flussbetten. Vielleicht ist der moderne Wanderer ja weniger gut zu Fuß, oder aber es liegt an den vielen Kontrollpunkten. Je nach Route ist die Strecke 130 bis 150 Kilometer lang. Das ist ungefähr so weit, als würde man einmal um den Landkreis Ebersberg herumlaufen.

So kennt man die Krippenszenerie: Maria, Josef und das Jesuskind neben Ochs und Esel, umringt von Hirten samt Schafen, den drei Weisen aus dem Morgenland und darüber schwebt der Stern von Bethlehem. Diesen findet man im Landkreis zwar nicht, dafür aber vieles andere aus der Weihnachtsgeschichte. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Ankunft

Der Bibelmitverfasser Matthäus (Mt 2,13) beschäftigte sich in seinem Evangelium einst mit der Flucht einer Kleinfamilie, genauer gesagt mit der Fluchtursache: ein römischer König namens Herodes. In Matthäus' Bericht jedenfalls kommt Herodes sehr schlecht weg. Wegen seines blutrünstigen Herrscherstils muss ein junger Vater samt Frau und Baby das Land verlassen. Alles wegen diesem Herodes. Wie es sich liest, hätte Matthäus bestimmt nichts dagegen gehabt, wäre der König zum Kuhmistschaufler degradiert worden. Eines ist bis heute so geblieben: Der Regent kann noch so viel Mist bauen, am Ende muss nicht er flüchten, sondern seine Untertanen. Das sieht man in den Ortschaften im Landkreis Ebersberg seit drei Jahren sehr gut. Der Weg bis nach Glonn oder Grafing war für die meisten Geflüchteten deutlich weiter als die hundert Kilometer, die Josef und Maria zur ägyptischen Grenze zurücklegen mussten. Um den Herodessen des 21. Jahrhunderts zu entkommen, braucht es einen größeren Sicherheitsabstand als vor 2000 Jahren. Matthäus endet seinen Teilbericht damit, dass Jesus' Familie nach Israel zurückkehrt. Dank eines Engels, der Josef im Traum vom Tod des Herodes berichtet. Heutzutage, wo oftmals ein Despot auf den nächsten folgt, sollte man sich auf derartige Eingebungen von oben eher weniger verlassen.

Nicht nur Herodes treibt Menschen in die Flucht. (Foto: Christian Endt)

Der Stern

Von wegen Komet - dass es ein sogenannter Schweifstern gewesen sein soll, der die Könige aus dem Morgenland in eine Bretterbude bei Bethlehem geführt hat, ist nichts als Legende, die ihren Ursprung in der lebhaften Fantasie eines Künstlers hatte. Kometen galten zu allen Zeiten als Unglücksboten, sagt Johannes Knöferle, Mitglied der Sternwarte Wind in Markt Schwaben. Kein Mensch, erklärt er, hätte sich je auf den Weg gemacht, einem solchen zu folgen und dabei auf die Geburt eines Heilsbringers zu hoffen. Stattdessen war es wohl der Maler Giotto, der im 13. Jahrhundert erstmals einen Kometen über die Szene von Christi Geburt setzte. Der Halleysche Komet stand zu Beginn jenes Jahrhunderts wieder einmal am Firmament und so vielleicht Pate für Giottos Gemälde von der "Anbetung des Königs". Nach allem, was man inzwischen weiß, waren es, sagt der begeisterte Astronom Knöferle, eher Jupiter und Saturn, die im Zuge einer Planetenkonjunktion extrem nahe beieinander gestanden hatten und so ein ungewöhnlich helles Licht erzeugten. Noch dazu eines mit symbolisch aufgeladener Bedeutung: Saturn war für die damals mächtigen Römer mit dem Edlen und Guten verbunden, Jupiter galt als "König der Planeten". Und nicht zuletzt trafen sich beide im Sternbild Fische, dem Symbol für das Christentum.

Die Krippe

Die Futterkrippe, in der das Jesuskind liegt, wurde damals vermutlich in mühevoller Handarbeit hergestellt. Gefertigt hat sie ein Zimmermann, wie auch Josef einer war. Doch machen wir einen Sprung, 2000 Jahre später: Der Zimmermann heißt immer noch Josef, Fritz allerdings mit Nachnamen und besitzt eine Zimmerei in Grafing. Auch er arbeitet natürlich mit Holz, aber auf ganz andere Weise als es Marias Ehemann oder auch ein Zimmermann vor nur 100 Jahren tat: "Die Unterschiede gehen schon bei der Holzlieferung los", sagt Fritz. Musste man früher das Holz noch selber hacken, kann man es heute passgenau liefern lassen und gleich bearbeiten. Krippen fertigt die Zimmerei heutzutage nicht mehr an, mit der besseren Technik sind auch andere Dimensionen möglich geworden: "Wir konstruieren zum Beispiel oft ganze Dachstühle", erklärt Fritz. Sein Handwerk verändere sich ständig, immer wieder kämen neue Maschinen auf den Markt. Doch der Kern der Zimmerei sei der gleiche geblieben: "Wir sägen, fräsen und schleifen genauso wie vor 50 oder 100 Jahren."

Nicht nur Herodes treibt Menschen in die Flucht. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Stall

Man stelle sich vor, Maria und Josef wären im 21. Jahrhundert auf der Reise durch den Landkreis Ebersberg, als es Nacht wird und sie ein Quartier suchen. Sie kommen an einem gemütlichen bayerischen Bauernhof vorbei, dessen Gästezimmer aber alle bereits belegt sind, weil die S-Bahn eine Störung hat und die Menschen deshalb nicht nach Hause kommen. Also machen sich Maria und Josef auf den Weg zum Stall, dem einzigen freien Unterschlupf. Als sie endlich die schwere Eisentür aufgehebelt haben, kommt ihnen der Stallbursche entgegen. Der fährt auf Knopfdruck durch den Mittelgang des Stalls, kann ausmisten und auch saugen, wird vermutlich mit Ökostrom angetrieben und hört auf den Namen "Barn-Cleaner 5001". "Solche Roboter gibt es heutzutage häufig, auch Melkroboter sind inzwischen in so gut wie jedem Stall zu finden. Die übernehmen eine Menge Arbeit", erklärt Bernhard Heiden vom Institut für Landtechnik und Tierhaltung in Grub. Doch als im Laufe der Nacht das Jesuskind geboren wird, finden seine Eltern partout keine Futterkrippe, in die sie ihn legen könnten. "Die Futtervorlage erfolgt meistens maschinell, die Futtermischung wird also von einer Maschine aus den Vorräten zusammengesucht und dann durch ein automatisches Fütterungssystem verteilt", sagt Heiden. Immerhin müssten in einem modernen Stall oft hunderte Tiere versorgt werden, im Gegensatz zum Bethlehemer Stall, in dem ja traditionell nur Ochs und Esel stehen. Ein Platzproblem hat die junge Familie aber nicht nur wegen der großen Anzahl an Tieren: Der Stall ist nämlich als Laufstall ausgelegt, nur einige Liegeboxen dienen als Rückzugsmöglichkeit. "Das ist eigentlich wie ein Parkplatz: Die Kühe parken vorwärts in der Box ein, und gehen dann rückwärts wieder raus", so Heiden. Wie im Parkhaus gebe es manchmal sogar Sensoren über dem Eingang, die feststellen, ob die Liegebox gerade besetzt ist. Und genau wie so oft in sämtlichen Gemeinden des Landkreises, sind gerade alle Parkplätze belegt.

Früher war die Herberge voll, heute auch der Stall. (Foto: Christian Endt)

Die Geburt

Das Weihnachtsfest ist mit der Zeit zu einem komplexen Gebilde geworden. Geschenke, Dekoration und adventlicher Trubel versperren bisweilen den Blick auf das Wesentliche: die Geburt Christi. Dabei gäbe es ohne den kleinen Jesus gar kein Weihnachten. Es war ein Kind, das auch nach mehr als 2000 Jahren die Familien an diesem einen Tag zusammenkommen lässt - und es sind heute noch die Neugeborenen, die eine Familie als solche erst entstehen lassen. Das Wunder der Geburt durften heuer besonders viele Eltern im Landkreis erfahren. So viele Kinder wie 2018 gab es schon seit Jahren nicht mehr. Man liege gut im Rennen, die 700 zu knacken, sagt Cornelia Höß, Chefärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe am Ebersberger Krankenhaus. Überhaupt würden die Geburtenzahlen stetig steigen, was Höß auf das Bevölkerungswachstum im Landkreis und die gute Betreuung im Ebersberger Krankenhaus zurückführt. Für Letzteres ist, wie die Chefärztin sagt, vor allem die "Kunst der Hebammen" verantwortlich. Acht festangestellte Geburtshelferinnen arbeiten derzeit in Ebersberg, die von drei weiteren Kolleginnen unterstützt werden. Cornelia Höß war selbst schon bei vielen Geburten dabei, die Dienste am Weihnachtsabend seien aber besonders schön. Sie beschreibt das so: "Wenn man dann in den frühen Morgenstunden im Kreißsaal sitzt und alles ist ruhig, beschleicht einen dieses Gefühl von ,alles schläft - einsam wacht'. Das ist ein sehr besinnlicher Moment."

Das Vermächtnis

Und was bleibt? Jedes Jahr am Heiligen Abend versammeln sich christliche Familien - wo immer sie können - unter geschmückten Bäumen, verzehren - wo immer möglich - von allem so viel wie möglich und beschenken sich gegenseitig. Und dabei ist noch nicht mal ganz gewiss, wann die Geburt denn gewesen ist, im Dezember sicher nicht, da sind sich die Experten einig. Angesichts des regelmäßig ausbleibenden Winters wäre eine Verlegung, vielleicht auf den Ostersonntag, ohnehin angebracht. Die drei Könige aus dem Morgenland waren auch eher Wissenschaftler als Könige und zogen von Babylonien aus los - wo die Leute vor 2000 Jahren deutlich mehr von der Welt wussten als wir westlichen Neandertaler - um dem Grund für ein himmlisches Leuchten nachzugehen. Ein Kind und ein paar falsche Könige legten also den Grundstein für Adventsstress, Gewinnmaximierung im Einzelhandel, das alljährlich prachtvolle Ableben von knapp 30 Millionen Nadelbäumen allein in Deutschland und ein zehnprozentiges Abfallwachstum nach dem Fest. Alles nur wegen einer angeblichen Geburt, die wir mit einem heidnischen Baum zum Datum der römischen - heidnischen - Saturnalien feiern. Und dann diskutieren wir, ob uns das Fegefeuer droht, wenn wir den Christkindlmarkt nicht mehr Christkindlmarkt nennen. Logisch ist das nicht. Macht aber nix. Lasst uns Plätzchen essen. Frohe Weihnachten!

Ohne heilige Könige muss man selber Geschenke kaufen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)
© SZ vom 24.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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