Handgemacht:Hüte machen Leute

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In ihrer Werkstatt in Großesterndorf fertigt Margreth Bilger Kopfbedeckungen für jeden Anlass und aus verschiedenen Rohstoffen. Ihre handgenähten Produkte verkauft sie auf Märkten der Region

Von Klemens Hering, Baiern

Sanfte Hügel, grasende Kühe, im Hintergrund die Alpenkette. Der Weg zum Hut-Atelier von Margreth Bilger ist so malerisch wie das kleine Dorf Großesterndorf im südlichen Landkreis, in dem die Werkstatt beheimatet ist. Nach kurzer Wartezeit öffnet Frau Bilger die Tür und bittet in ihre Stube. Wohnen und Arbeiten gehen hier nahtlos ineinander über.

Hinter der Mischung aus halb fertigen Hüten und zweckentfremdeten Küchengeräten steckt eine kreative Ordnung. Wasserkocher zum Beispiel verwendet Bilger zur Verarbeitung der Filzrohlinge. "Not macht erfinderisch", sagt sie mit einem Lächeln auf den Lippen. In den Regalen stapeln sich die fertigen Hüte, bereit auf dem nächsten Markt verkauft zu werden. Die Nähmaschine und der Ess- und Arbeitstisch bilden das Herzstück des Ateliers.

An diesem Tisch nimmt Margreth Bilger jetzt Platz und gibt dem Besucher einen Einblick in ihre Arbeit. Mit geübten Handgriffen demonstriert sie die ersten Schritte beim Fertigen eines Strohhutes. Sie taucht eine Borte aus Weizenstroh, die aus zu Bündeln geflochtenen Halmen besteht, in ein Glas Wasser. Durch die Feuchtigkeit geschmeidig geworden, lässt sich der pflanzliche Rohstoff besser vernähen. Schließlich schließt sie die Borte zu einem Oval und näht sie zusammen. Auf diese Weise entstehen immer mehr Reihen, bis der Deckel des Huts erkennbar ist.

Am feschen Trachtenhut fehlt nur noch der Hirschhornknopf, dann ist das Schmuckstück fertig: Hutmacherin Margreth Bilger in ihrer Werkstatt. (Foto: Christian Endt)

Ob Seegras, Wollfilz, Haarfilz oder Panamastroh. Die Hutmacherin passt ihre Produktpalette der Jahreszeit an. Ein schicker, aber aufwendiger Veloursfilz für kalte Wintermonate kostet dann auch mehr, als ein schlichter Strohhut für heiße Sommertage. Auch ausgefallene "Pferderenn-Hüte", wie Margreth Bilger sie nennt, werden von ihr angefertigt. Schicke Strohhüte mit breiter Krempe und farbigen Blüten aus Stoff sind das. Aber die macht sie selten, da sich ihrer Erfahrung nach Extravagantes eher schlecht verkaufen lässt.

Gelernt hat sie bei der Firma Mayser in Lindenberg, einer Strohhutfabrik im Allgäu. "Das hatte mit Handwerk aber nicht viel zu tun. Den Hüten wurde dort nur noch der letzte Schliff verpasst", sagt die gelernte Hutmacherin. "Früher wurde alles mit der Hand gemacht, sogar die Borten, Grundlage für die Strohhüte, wurden im Winter von Bäuerinnen selbst geflochten. Überhaupt war das Hutmachen eine Arbeit für den Winter". Margreth Bilger beugt sich wieder über ihre Arbeit, das Rattern der Nähmaschine ist das einzige Geräusch in der Werkstatt. Draußen fängt es zu regnen an, und die ungewohnte Ruhe im gut geheizten Raum lässt erahnen, warum das eine Arbeit ist, wie geschaffen für lange Wintermonate.

Welche Hüte gerade gefragt sind, hängt auch von der jeweiligen Jahreszeit ab: Im Sommer produziert Margreth Bilger Strohhüte. (Foto: Christian Endt)

Nachdem die Hutfabrik ihre Tore schloss, bekam Margreth Bilger eine Anstellung bei Ina Böckler in der Residenzpassage in München. Dort stand wieder das Handwerk im Mittelpunkt. Die Hüte werden nach Maß gefertigt. Nach zwei Jahren Anstellung entschloss sich die gelernte Hutmacherin jedoch, ein eigenes Atelier zu eröffnen und fand in Großesterndorf, das zur Gemeinde Baiern gehört, einen idyllischen Platz dafür. Das war 2007. Bereut hat sie es nie.

Geschickt zieht die Hutmacherin an der Borte und schon bildet sich die Wölbung, die später mal einen Kopf bedecken soll. Was Außenstehende staunen lässt, geht Margreth Bilger leicht von der Hand. "Es gibt Leute, die im Laden nichts finden, weil ihr Kopf entweder zu groß oder zu klein ist. Für diejenigen fertige ich Spezialgrößen an" bemerkt Margreth Bilger, über ihre Nähmaschine gebeugt. Für einen Hut braucht die gebürtige Allgäuerin zwei bis drei Stunden, je nach Aufwand der Verzierung. Im Schnitt schafft sie 300 bis 400 Hüte im Jahr. So viele ihrer Etiketten bestellt sie jährlich, damit die Kundschaft auch weiß, von wem der Hut kommt. Verkauft wird auf Trachtenmärkten in ganz Bayern. Auch an Märkten der Herrmannsdorfer Landwerkstätten nimmt die Hutmacherin teil. "Man tauscht sich aus, man unterhält sich und bekommt Tipps. Einflüsse kommen von Kollegen, Kunden, die meisten Impulse aber natürlich von einem selber", sagt sie. "Ich komme gar nicht nach, alle meine Ideen umzusetzen", sagt die Hutmacherin. Die Fülle an Materialien, die zur Verfügung stehe, gebe eben auch viel Spielraum. Die Weizenstrohborten etwa stammen aus Florenz, die übrigen Rohstoffe kauft sie in Brühl bei Köln, eigentlich kommen sie aber von weit her. Für den "Panama-Stumpen" etwa, einen Strohhut, der so aussieht wie eine kurze, kompakte Zigarre mit Krempe, bezieht die Hutmacherin handgemachte Rohlinge aus Ecuador. Jeder Hut ist ein Unikat.

Am Schluß bekommen die Strohhüte bunte Bändern und Borten. (Foto: Christian Endt)

Der Hut, an dem sie gerade arbeitet, ist inzwischen fertig. Es fehlen nur noch das Futterband und die Verzierung, in diesem Fall eine dunkelgrüne Kordel. "Und das Etikett muss noch rein". Mit sicherem Stich näht sie ein Stück Stoff in das Futterband, damit auch dieser Hut seiner Schöpferin zugeordnet werden kann. Den fertigen Trachtenhut, den sie noch mit einem passenden Hirschhornknopf verziert, wird sie für 80 Euro auf dem Trachtenmarkt in Neubeuern anbieten. Von 40 Euro bis zu 170 Euro können ihre Hüte kosten. Alles im Rahmen also. "Mir sind Modelle, die sich Normalbürger leisten können, lieber als teure Spezialanfertigungen", sagt Margreth Bilger. Schlichte Modelle aus Stroh, Filz und Papier sind ihr Spezialgebiet. Welche Art Hut sie fertigt, hängt auch von der Jahreszeit ab. Im Winter sind eher Hüte aus Filz gefragt, im Sommer aus Stroh.

Sie selbst ist ebenfalls begeisterte Hutträgerin. Schirme mag sie nicht; und so hat die Kopfbedeckung für sie auch einen funktionellen Wert, sie schützt vor Regen und Sonne. "Grundsätzlich muss der Hut zum Typ passen. Ein fröhlicher Mensch braucht einen fröhlichen Hut."

© SZ vom 13.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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