Grafing:Wie im richtigen Leben

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Im Gymnasium in Grafing schlüpfen Schüler in die Rolle von Abgeordneten und lernen, wie die Gesetzgebung im Landtag funktioniert. Das "Centrum für angewandte Politikforschung" veranstaltet diese Planspiele seit zehn Jahren

Von Alexander Sorg

Weil es im Rathaus Grafing zu wenig Platz für die diversen gespielten Sitzungen gab, wechselte ein Teil der Schüler beim Planspiel "Der Landtag sind wir"' ins evangelische Gemeindehaus. Auch dort wurde kräftig über den vorgelegten Gesetzesentwurf diskutiert. Foto: Peter Hinz-Rosin (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Im Grunde ist es nicht schwer: Es gibt ein Spiel an dem Schüler teilnehmen. Wie bei jedem Spiel gibt es bestimmte Regeln, an die sich alle halten müssen, und am Ende gibt es Gewinner und Verlierer. Das Spiel nennt sich "Rekonstruktion eines Gesetzesbeschlusses im bayrischen Landtag". Die Schüler schlüpfen dabei für einen Vormittag in die Rolle von Abgeordneten. "Uns wurde alles sehr gut erklärt", sagt Dr. Schmidt. Im wahren Schülerleben besser bekannt als die 15-jährige Laura, die die 9d des Grafinger Gymnasiums besucht. Auch deshalb hätten alle so gut mitgemacht bei dem Rollenspiel.

Damit alles reibungslos ablaufen konnte, hat sich die Lehrerschaft des Gymnasium Grafing Hilfe beim "Centrum für angewandte Politikforschung" (CAP) geholt. Die Einrichtung der Ludwig-Maximilians-Universität München veranstaltet seit ungefähr zehn Jahren diese Planspiele mit Schulklassen aus Bayern. "Das kann in den Schulen, in einem Rathaus, oder auch mal im echten Landtag stattfinden", erklärt Benedikt Swoboda vom CAP. Mit Teams aus vier Leuten würden die Schulen besucht, wobei die Lehrer im Idealfall gar nicht im Ablauf involviert seien. "Wir übernehmen die komplette Leitung und Durchführung."

Am Anfang des Tages erklärt das Team in Kürze, wie ein Gesetzentwurf im Landtag verabschiedet wird. Anschließend kann sofort losgespielt werden. Die Schüler bekommen hierfür eine individuelle Mappe in der das Alter, der Beruf und die Fraktion ihres zu übernehmenden Charakters angegeben sind. Die Namen dürfen sich die Schüler selbst aussuchen, und so wundert es nicht, dass der Sitzungssaal im Grafinger Rathaus bald mit Professoren und Doktoren voll ist. Ansonsten allerdings nehmen die Schüler das Geschehen sehr ernst. "Alle haben toll mitgemacht, das war wirklich klasse", erzählt Antonia. Die Schülerin aus der 9d hat sich sogar den Posten der Landtagspräsidentin zugetraut. "Ein ganz bisschen komisch war es schon", erzählt sie nach der Verlesung des Gesetzesentwurfs, "aber vor allem hat es sehr viel Spaß gemacht". Sie habe sich bisher zwar noch nicht wirklich mit Politik beschäftigt, aber seit dem Planspiel wisse sie zumindest schon einmal wie der bayerische Landtag funktioniere.

Genau wie im echten Politikbetrieb folgen auch beim Planspiel nach der ersten Lesung die verschiedenen Ausschusssitzungen. Da es sich beim Entwurf - der von den Mitarbeitern des CAP vor Beginn des Planspiels erstellt wird - um eine Ausweitung der Videoüberwachung in Bayern handelt, ist für reichlich Diskussionsstoff gesorgt.

"Das ist natürlich ein tolles Thema", erzählt Swoboda, "vor allem, weil es da auch im echten Landtag sehr geteilte Meinungen gibt". Die Themen würden zwar durchaus immer wieder gewechselt, Überwachung stünde aber eigentlich immer zur Auswahl. Über was die Jugendlichen in ihrer Rolle als Landtagsabgeordnete am Ende diskutieren, entscheidet die Schule selbst. "Ich bin aber ganz froh, dass wir hier eigentlich außen vor sind", erklärt Ute Löhrer, die als Lehrerin am Gymnasium tätig ist. Sie habe von dem Planspiel durch eine Bekannte erfahren, den Kontakt zum CAP aufgenommen, und mit Kollegen die Klassen ausgewählt. "Bei der 9b und 9d haben wir gedacht, dass es gut passen könnte." Außer einer kurzen Einführung was die Schüler beim Planspiel erwartet und einen Überblick über die Funktionsweise des Landtages, hätten die Lehrer keine Aufgaben übernommen. "Das ist auch gut so. Wenn wir uns zurück halten, können die Schüler komplett in ihren Rollen bleiben", sagt Löhrer.

Nachdem sowohl die Ausschüsse getagt haben, als auch die Fraktionen untereinander noch einmal Zeit hatten, Änderungen vorzunehmen, kommt es zur Verabschiedung des Gesetzes. Am Ende sind es einzig die Grünen die dem - von den Schülern geänderten - Gesetzesantrag nicht zustimmen.

"Das war aber eigentlich von vorneherein absehbar", sagt Ronja aus der 9b. Ihre Fraktion sei zu klein gewesen, um den Gesetzentwurf entscheidend beeinflussen zu können. "Aber ich glaube, wir haben trotzdem Anstöße gegeben und unseren Teil beigetragen." Positiver sieht es die Fraktion der SPD. "Das Gesetz enthält alles, was wir vorgeschlagen haben", sagt Katharina aus der 9d, die den Sozialdemokraten zugeteilt wurde. Das ihre Partei so erfolgreich agieren konnte lag auch an Prof. Paul Probst, der eigentlich Andreas heißt und den federführenden Ausschuss im Planspiel leitete. "Der ist total aufgegangen. So etwas freut uns natürlich", erzählt Peter Hammer vom CAP. Es habe ihm wirklich Spaß gemacht, erklärt Andreas, dessen Vater in der Politik aktiv sei. Ein kleines Manko gab es allerdings für ihn: "Die SPD ist eigentlich nicht meine Partei".

© SZ vom 18.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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