Gericht:Familienausflug mit Folgen

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Ein 44-Jähriger wird wegen Nötigung seiner Ex-Partnerin angeklagt - das Amtsgericht sieht dafür aber keine Beweise

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Mutter, Vater und Kind unternehmen einen gemeinsamen Ausflug mit dem Auto. Der fünfjährige Junge schlummert schon bald friedlich ein; kein Gequengel wegen Langeweile kommt von der Rückbank und auch kein ständiges Nachfragen, wann man denn endlich da sei. Das, was für viele Eltern nach einem beneidenswerten Beginn eines Familienausflugs klingen mag, ist in Wahrheit aber gar kein solcher. Zumindest nicht, wenn es nach der Mutter geht. Im Rahmen dieser Autofahrt beschuldigt sie den Vater ihres Kindes nämlich der Nötigung und Freiheitsberaubung.

In den Ausführungen der 48-jährigen Mutter klingen die Geschehnisse rund um die Autofahrt dann folgendermaßen: Ihr damaliger Lebensgefährte fuhr mit dem gemeinsamen Sohn zu einem Fast Food-Restaurant. Dabei soll er ihr deutlich zu verstehen gegeben haben, dass er den Sohn nicht mehr zurückbringen würde. Wie es genau dazu kam, dass sie selbst dann auf einmal mit dem schlafenden Sohn im Wagen saß, wurde nicht ganz klar. Ob das etwaigen Ungereimtheiten in ihren Ausführungen oder aber der Übersetzung des Dolmetschers der gebürtigen Rumänin geschuldet war, bleibt fraglich.

Irgendwie kam es dazu, dass ihr Ex-Lebensgefährte einwilligte, Mutter und Sohn nach Hause zu fahren. Und irgendwie ist die kleine Familie stattdessen aber auf einem Parkplatz in Grafing gelandet. Und irgendwie teilte die 48-Jährige dort dem 44-jährigen Kindsvater mit, dass sie nicht mehr mit ihm zusammen sein möchte. Und irgendwie schaffte die Frau es dann noch, ihren ab diesem Zeitpunkt nun Ex-Partner davon zu überzeugen, sie und den gemeinsamen Sohn als eine Art letzte wohlwollende Tat doch noch nach Hause zu bringen.

Während dieser Autofahrt jedoch habe der Angeklagte damit gedroht, das Fahrzeug gegen einen Baum zu lenken. "Damit wir alle sterben", wie der Dolmetscher die Ausführungen der 48-Jährigen übersetzt. Vor Gericht sagt sie weiterhin aus, dass sie dann angehalten hätten - weshalb sich der 44-Jährige dazu entschlossen haben sollte, erklärt sie allerdings nicht. Dort besänftigte sie den Angeklagten mit dem Versprechen, sich die Sache mit der Trennung doch noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Sie könnten ja am nächsten Tag noch einmal über alles sprechen. Dank dieses diplomatischem Geschicks nahm der Kindsvater seine Drohung zurück und willigte darin ein, Mutter und Sohn nun aber tatsächlich nach Hause zu fahren.

Der 44-jährige Vater verweigerte eine genaue Aussage und ließ lediglich über seinen Anwalt mitteilen, dass er alle Anklagepunkte abstreite. Sein Anwalt äußerte Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Mutter. Da sein Mandant italienisch spricht und sowohl er als auch die 48-Jährige nur gebrochene Deutschkenntnisse besitzen, drängte sich für den Advokaten die Frage auf, in welcher Sprache die beiden miteinander kommunizierten. "Wir hatten unser eigenes Italienisch, das andere nicht verstanden haben", lässt die Frau daraufhin über ihren Dolmetscher ausrichten. Ob dies immer ohne Missverständnisse gelingen konnte, bleibt allerdings offen.

Noch vor Verlesung der Plädoyers einigen sich Richterin Vera Hörauf, die Staatsanwaltschaft sowie der Verteidiger des Angeklagten darauf, dass der Vorwurf der Freiheitsberaubung nicht haltbar ist. Die 48-Jährige habe in ihrer Aussage klar gemacht, dass sie "zu jedem Zeitpunkt freiwillig zu dem Angeklagten in den Wagen gestiegen ist", wie der Staatsanwalt zusammenfasst.

Bei den Strafmaßforderungen gehen die Meinungen allerdings dann wieder auseinander: Für die Staatsanwaltschaft ist der Tatbestand einer versuchten Nötigung klar gegeben, da der Angeklagte angedroht hätte, das Fahrzeug mitsamt aller Insassen gegen einen Baum zu lenken. Er forderte dafür eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 30 Euro. Der Verteidiger des 44-Jährigen hingegen plädiert auf einen Freispruch. "Ich glaube der Zeugin hier kein Wort!" Dafür gäbe es zu viele Ungereimtheiten in ihren Aussagen. "Die Widersprüche sind so groß, dass sie nicht als Beweismittel gelten können." Das sieht auch Richterin Hörauf so und spricht den Angeklagten daher von sämtlichen Anschuldigungen frei.

© SZ vom 13.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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