Gericht:Achtung, Baustelle!

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Fehlende Warnlampe wird für jungen Mann teuer

Von Christoph Jänsch, Ebersberg

Immer wieder schaut der junge Angeklagte nervös auf seine Armbanduhr und lässt seinen Blick dann durch den Sitzungssaal schweifen. Er fühlt sich sichtlich unwohl. Als mit schweren Schritten und fünfminütiger Verspätung die junge Richterin den Saal betritt, hat das Warten ein Ende - die Verhandlung kann beginnen. Die Anklage lautet auf "gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr".

Aktiv in den Straßenverkehr eingegriffen hat er zwar nicht, aber er hat nach Ansicht der Staatsanwaltschaft etwas Wichtiges unterlassen. Der 25-Jährige aus Aresing ist Baustellenleiter eines Straßenbaubetriebs und damit für die Sicherheit seiner Baustellen zuständig. Dazu gehört auch die ausreichende Beschilderung und Sicherung, damit Dritte dort nicht zu Schaden kommen. Wie eine solche Sicherung auszusehen hat, bestimmt die zuständige Straßenverkehrsbehörde mittels einer "Verkehrsrechtlichen Anordnung" an die sich ein Bauleiter halten muss. Was der Angeklagte allerdings nach Ansicht der Staatsanwaltschaft im vergangenen August nicht getan hatte. Darum ist eine junge Frau mit ihrem Fahrzeug frontal in eine seiner Baustellenabsperrungen gefahren, weil sie diese im Dunkeln übersehen hatte.

Der "Tatort" liegt auf der Staatsstraße 2081 bei Zorneding. Wo es zuvor hindernisfrei geradeaus ging, wurde ein neuer Kreisverkehr gebaut. Darauf war die junge Autofahrerin nicht gefasst. Verletzt wurde sie bei dem Unfall nicht, aber es entstand ein Sachschaden von 3000 Euro. Die Polizei hielt später am Unfallort fest, dass mehrere Warnbaken auf dem Boden lagen und die darauf befestigten Lichter nicht funktioniert hätten. Der Angeklagte schiebt diese Tatsache auf den starken Wind an besagtem Abend. Laut Staatsanwaltschaft hätten aber auch ohne Wind die Sicherheitsvorkehrungen nicht ausgereicht. Diese seien nämlich nicht entsprechend der "Verkehrsrechtlichen Anordnung" gewesen. "Ich habe die Vorgaben als unzureichend empfunden, da die Abstände zwischen den Baken zu groß waren", so der Baustellenleiter. Seine Mitarbeiter hätten darum sogar zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen an der Baustelle getroffen. Wobei sich das Gericht allerdings auf das Wort des Angeklagten verlassen musste, erforderliche Protokolle über die Baustellensicherung waren nicht geführt und deren tägliche Kontrolle nicht wie vorgeschrieben dokumentiert worden. Was "einen schlechten Beigeschmack" hinterlässt, so die Richterin.

Die Geschädigte, die laut Polizeibericht wohl nicht nur unachtsam, sondern auch zu schnell unterwegs war, hat den Baustellenleiter nicht angezeigt. Doch der "gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr" ist ein sogenanntes Offizialdelikt und wird daher von der Staatsanwaltschaft strafrechtlich verfolgt.

Die Frage, die das Gericht am Ende zu klären hatte, war, wie sehr man einen Baustellenleiter, der nur einmal wöchentlich auf der Baustelle ist, persönlich für die Absicherung derselben haftbar machen kann. "Der Polier ist für die Ausführung und Kontrolle der Baustellensicherung zuständig", sagt der Angeklagte. Ganz kann er die Verantwortung nicht von sich weisen, bemerkt die Richterin: "Es hätte weitaus Schlimmeres passieren können." Schließlich einigen sich die Prozessbeteiligten auf die Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage. "Sie zahlen innerhalb von 30 Tagen 2700 Euro an den Kinderschutzbund München, ansonsten sehen wir uns hier wieder. Und dann fahren wir das ganz große Programm", verspricht die Richterin dem Angeklagten und schließt damit die Akte.

© SZ vom 19.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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