Genossenschaftsbau:Die Auserwählten

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In Poing sind 24 neue Mietwohnungen eingeweiht worden. Wegen Zuschüssen von Freistaat, Landkreis und Gemeinde ist der Preis günstig - entsprechend hoch ist die Anzahl an Bewerbern

Von Korbinian Eisenberger, Poing

18 Jahre lang lebte und arbeitete die Restaurantfachfrau Gabriele Feistner mit ihrem Mann in Poing, zusammen zahlten sie 850 Euro Warmmiete. Zwei ganz normale Bürger mit einer ganz normalen Arbeit in einer ganz normalen Wohnung. Dann grätschte das Leben rabiat dazwischen. Die 55-Jährige bekam Krebs, musste ihre Arbeit aufgeben und vieles andere auch. So kam das Ehepaar finanziell in die Bredouille. Feistners Erwerbsunfähigkeitsrente reichte nicht aus, sagt sie, deswegen arbeitete sie trotz Krankheit monatelang als Minijobberin. "Auf Dauer wäre das so nicht weiter gegangen", sagt ihr Ehemann Michael Hofmann heute. Deswegen schickte das Paar im März 2018 eine Bewerbung an die Wohnungsgenossenschaft Ebersberg, die GWG.

Geschichten wie diese sind der Grund, warum der Ort Poing nun einen Komplex mit 24 neuen Wohnungen eröffnet hat. Genauer gesagt: 24 "bezahlbare Wohnungen", wie es die GWG ausdrückt. Durch Zuschüsse vom Freistaat Bayern, vom Landkreis Ebersberg und der Gemeinde Poing ist die Miete in den Wohnungen deutlich erschwinglicher als sonst in der Region üblich. Für 55 Quadratmeter fallen nun 550 Euro Warmmiete an, und damit fast die Hälfte weniger als sonst in der Region üblich. "Sechs bis acht Euro Nettomiete pro Quadratmeter, statt 14 Euro wie sonst auf dem freien Markt", erklärt ein Vertreter der GWG. Das Gebäude mit der Nummer 9a in der Bergfeldstraße ist der dritte Bauabschnitt, den die GWG nun fertig gestellt hat. Insgesamt sind so seit 2014 72 Wohnungen entstanden, wo Poinger Bürger günstig unterkommen können.

Der 22-jährige Julian Herrmann bezieht eine der Wohnungen. (Foto: Christian Endt)

Es ist alles andere als selbstverständlich, den Zuschlag zu bekommen. "Vom Gehalt her würden diese Wohnungen fast 50 Prozent aller Poinger zustehen", erklärt Bürgermeister Albert Hingerl (SPD) bei der Einweihungsfeier. Theoretisch. Um beim Bewerbungsverfahren realistische Chancen zu haben, muss man jedoch mehrere Kriterien möglichst eindeutig erfüllen: Entscheidend ist ein geringes Einkommen - das Landratsamt Ebersberg stellt hierfür einen sogenannten Wohnberechtigungsschein aus. Weiter gilt das Angebot vor allem für Alleinerziehende, Menschen mit Behinderung, Personen, die durch Krankheit erwerbsunfähig wurden oder nach einem Unfall auf eine barrierefreie Unterkunft angewiesen sind. Oder für jemanden, dem etwa wegen einer Eigenbedarfskündigung die Obdachlosigkeit droht.

Ein gutes Angebot, in Zeiten, in denen die Mieten nach oben schnellen. Nur, dass dieses Angebot in Poing offensichtlich noch nicht ausreicht. Für die 24 neu fertig gestellten Wohnungen haben sich 200 Parteien beworben - das sind mehr als acht Bewerber auf eine Wohnung. Wohl auch deshalb sprach Bürgermeister Hingerl von einem "Projekt für die nächsten 15 bis 20 Jahre", es sollen also weitere Gebäude folgen. Landrat Robert Niedergesäß (CSU) ist ebenfalls bei der Einweihung und sagt: "Ein schöner Tag für den Landkreis Ebersberg."

Jennifer Sturmund ihr Partner Rilwan Sholanke inspizieren die Räume. (Foto: Christian Endt)

Einer der Auserwählten ist der 22-jährige Julian Herrmann, vorher wohnte er in der Welfenstraße in Poing, 700 Euro Kaltmiete. Er arbeitet in einer Tankstelle im Ort - Vollzeit, aber trotzdem: "Es ist schwer, sich mit meinem Gehalt so eine Miete zu leisten", sagt er, zum Essen ging er deswegen oft zu seinen Eltern. Jetzt hat er eines der kleineren Apartments von der GWG bekommen, im Nachrückverfahren, sagt er. Mit Küche, in der er sich vielleicht künftig leisten kann, selbst zu kochen.

Noch köchelt niemand in den Räumen der GWG. Wo die Küchen in den einzelnen Wohnungen hinkommen, ist zwar vorgeplant, das sieht man an den Stellen mit den Kacheln an der Wand. Ansonsten hängen noch die Stromleitungen von den Wänden, lediglich die Bäder schauen schon benutzungsfertig aus. Jennifer Sturm, 20, und ihr Partner Rilwan Sholanke, 22, richten sich in diesen Tagen ein. Sturm arbeitet in Poing als Kindergärtnerin, Sholanke macht in München eine Ausbildung zum Fachlagerist. Vor zehn Monaten kam ihre gemeinsame Tochter zur Welt. "Bisher haben wir zusammen bei meinen Eltern gewohnt", sagt Jennifer Sturm. Im Mai gaben sie eine Bewerbung bei der GWG auf - dann kam die Zusage. Zwischen diesen Wänden leben sie nun künftig als kleine Familie zusammen. Nicht nur, weil es einen Aufzug gibt (etwa für Kinderwagen), sondern weil in unmittelbarer Nähe der Bergfeldstraße ein Kindergarten und eine Schule stehen. Zudem entsteht auf dem Grundstück gegenüber ein neues Gymnasium, das sind die Vorteile. Das und der günstige Preis dürfte für viele darüber hinwegtrösten, dass dieser Teil Poings stellenweise wie aus dem Boden gestampft wirkt. So wie eben Neubaugebiete in vielen Teilen Bayerns aussehen.

Gabriele Feistner und ihr Mann Michael Hofmann haben Bürgermeister Albert Hingerl und Landrat Robert Niedergesäß dabei. (Foto: Christian Endt)

Gabriele Feistner bleibt abrupt vor ihrer Wohnungstür stehen. Fast wäre sie vorbei gegangen, von außen sieht ja alles gleich aus. "Ich hatte nicht damit gerechnet, dass wir eine Wohnung bekommen", sagt sie, obwohl sie und ihr Mann seit dreieinhalb Jahren Mitglieder bei der Ebersberger Wohnungsgenossenschaft sind. Doch dann kam der Brief mit der Zusage. Zum Einzug hat die 55-Jährige einen Blumenstrauß überreicht bekommen, eine kleine Trophäe für die erfolgreiche Bewerbung. "Jetzt zahlen wir 300 Euro weniger Miete", sagt Feistner. Nun müsse sie nicht mehr arbeiten, sagt ihr Mann. Das erledigt er jetzt alleine. "Jetzt kann sie sich ganz auf ihre Gesundheit konzentrieren."

© SZ vom 17.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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