Gemeinwohl-Ökonomie:Natürlich geht es um Politik

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Zum Bericht "Die Lösung aller Probleme" vom 4. November:

Dass "Ökonomie" neu gedacht werden muss, diese Forderung ist wohl schon so alt wie die Menschheit selbst. Hierzu eines meiner Gedichte: In jeder größeren Menschenmenge/ gibt es Große und Kleine/ und Dicke und Dünne/ Und es gibt Menschen/ die andere für sich arbeiten lassen wollen/ und Menschen/ die das mit sich machen lassen. Das ist die idealtypisch-historische Keimzelle der feudalen und später der kapitalistischen Gesellschaft, und die politische und rechtliche Institutionalisierung dieses Verhältnisses wird auch heute noch und gerade auch im Zuge der Refeudalisierung als "normal" oder gar als "normativ" angesehen.

Die Instrumentalisierung des Menschen zum Zweck der Bereicherung einiger weniger steht der philosophisch begründeten Idee der Emanzipation entgegen, in einer ökonomistisch organisierten Gesellschaft entwickeln sich die Produktivkräfte, nicht aber der Mensch. Gerechterweise muss freilich gesagt werden, dass die Entwicklung der Produktivkräfte am Anfang parallel verlief mit der Idee der Emanzipation, irgendwann aber - wann, darüber lässt sich diskutieren - wurde das vernünftige, aus der philosophisch-anthropologischen Reflexion sich ergebende Maß überschritten, und der Mensch - übrigens auch der sich als Gewinner dieses Prozesses empfindende Kapitalist respektive Leistungsträger und Karrenzieher - wurde zum Sklaven der Kapitalverwertung, als deren Symbole mir heute die allgemeine digitaltechnische Aufrüstung und die massiv zunehmende allgemeine Hardware-Software-Abhängigkeit dienen. Die Instrumentalisierung und Kanalisierung der Arbeit im Dienst der Kapitalverwertung, wozu auch die strukturelle Arbeitslosigkeit gehört, verstößt auch gegen das "Menschenrecht auf Arbeit". Jeder Mensch muss prinzipiell einen Zugang zu Arbeit haben, durch die er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann.

Die Initiative der Gemeinwohl-Ökonomie in Ebersberg ist insgesamt zu begrüßen, sie geht in die richtige Richtung, allerdings ist es etwas naiv, sich als "unpolitisch" verstehen zu wollen, denn es geht hier gerade um Politik.

Friedhelm Buchenhorst, Grafing

© SZ vom 07.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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