Wiederholung am Sonntag:"Kulturtage Poing" gehen tragikomisch weiter

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Obwohl bei den Darstellern der Kulturtage Poing durchaus ein wenig Premierenfieber zu spüren ist, lassen sie den "Raub der Sabinerinnen" dank ausnahmslos passender Besetzungen und großer Spielfreude zum Ereignis werden. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Veranstaltungsreihe zeigt eine neue Version vom "Raub der Sabinerinnen" - und beweist Mut bei Regie und Ensemble.

Von Ulrich Pfaffenberger, Poing

Eine Komödie, 120 Jahre alt und landauf, landab noch immer auf den Spielplänen: Da liegt der Verdacht nahe, gerade bei einer Laienbühne, man habe auf eine sichere Bank setzen und sich einen Straßenfeger ins Haus holen wollen. Dass die Kulturtage Poing zu ihrem diesjährigen Auftakt den "Raub der Sabinerinnen" auf die Bühne in der Aula der Anni-Pickert-Schule schickten, zeugt tatsächlich aber von Mut bei Regie und Ensemble.

Denn gerade komische Stücke leben davon, dass sie mit Seele und Verstand dargeboten werden, mit Sinn für den Geist längst verflossener Zeiten und mit der Fähigkeit, die Figuren nicht nur durch die Szenerie zu schicken, sondern sie dort leben zu lassen. Auch wenn, bedingt vom Premierenfieber, die Aufführung einige kleinere Ecken und Kanten hatte, so darf sich das Poinger Ensemble doch ins Gästebuch schreiben lassen: lebhaft gespielt, pfiffig kombiniert, viel gelacht, gut gemacht!

Obwohl das Geschehen weit zurück liegt und manche Szene - Striese zeigt Bilder von den Glanzrollen seiner Frau doch glatt als Fotoabzüge und nicht auf dem Display! - völlig aus der Zeit gefallen scheint: Der "Raub der Sabinerinnen" bewegt sich verblüffend nah an der Gegenwart. Da ist also der Geschichtsprofessor Gollwitz, ein Mann von öffentlichem Rang und Ansehen. Der schreibt als Student ein Trauerspiel in fünf Akten mit antikem Stoff.

Bis heute hat er es nicht fertiggebracht, sich davon zu trennen. Erfüllt von Selbstzweifeln und mittlerweile gesammeltem Wissen in Literatur und Historie scheut er jedoch die Öffentlichkeit für sein Opus, ja mehr noch, er schämt sich für die gefühlte Unvollkommenheit, die ihn zum Gespött der bürgerlichen Gesellschaft machen könnte. Bezirzt vom skrupellosen Theaterdirektor Striese stimmt er dann doch einer Aufführung unter falschem Namen zu - und bereut sofort, gefangen in panischer Angst, irgendwie könnte die Sache auffliegen. So sehr verzweifelt er, dass ihn der Gedanke an Selbstmord ergreift, als das zum Dreiakter zusammengekürzte Stück unter der Fuchtel Strieses aufgeführt wird.

Man vergleiche dieses Szenario aus den 1880er-Jahren mit einer Gegenwart, in der Menschen von maximalem öffentlichen Rang ohne jeden Skrupel Texte von fünf Zeilen in die Welt hinaus jagen, ohne auch nur einen Gedanken an ihr Ansehen zu verschwenden - dann ist die Haltung des Professors zwar maximal "von gestern", weckt aber den starken Wunsch, sie wäre "von heute". Wie in jedem guten Kabarett bleibt da das Lachen im Halse stecken.

Trotzdem: Ein Teil seiner intensiven Wirkung aufs Publikum ist dem nie ermüdenden Wortwitz des Originals zu verdanken. Was über so lange Zeit und so viele Generationen von Komödianten hinweg seinen Esprit bewahrt und die Lachmuskeln des Publikums zu aktivieren weiß, das muss von bester Qualität sein. Die "Sabinerinnen" enthalten fast so viel Situationskomik wie ein Stan-und-Olli-Film und mehr Verwechslungsgaudi als jede Volksbühnen-Komödie. Der andere Teil der Wirkung besteht darin, diese Qualität auch zu vermitteln.

Das ist in Poing den Schauspielern und ihrem Regisseur Michael Gütlich bestens gelungen. Zumal man den Eindruck bekam, dass hier jedes Ensemble-Mitglied eine Rolle fand, die genau passte. Das trug erkennbar zur Spielfreude bei und setzte bei den Dialogen jene Kraft frei, die man in den Rängen am Unterschied zwischen "gelerntem" und "verinnerlichtem" Text spürt. Allein schon der Monolog Strieses über den wahren Wert der Schmiere im Schmierentheater - ein Glaubensbekenntnis!

Rudi Sedelmeier als ebendieser Theaterdirektor und penetranter Kultur-Hausierer, Ines Kohlschmidt als seine Frau-Chefin und abgebrühte Tour-Managerin, Werner Schroll als ein vergeistigt-verschüchterter Gollwitz, Heidi Kirmeier als schnieke Professoren-Gattin und Andrea Richter als beider vorwitzige Tochter lieferten starke Titelrollen. Auch die Darsteller der familiären Nebenrollen verstanden es geschickt, die ihnen von den Autoren gewährten Gelegenheiten zu nutzen und sich aus der Rolle der Stichwortgeber zu befreien.

Frisch, frech und munter brachen sie so das Geschehen ins Rollen und hielten es in flotter Fahrt. Als schauspielerisches Naturereignis erwies sich Andreas Kroll in der Rolle des Sterneck, dem ewig nach den Künstler-Sternen strebenden, gleichwohl am eigenen Idealismus scheiternden Theaterschüler. Seine herzzerreißende Hilflosigkeit und Naivität waren die Sahne auf diesem schmackhaften Bühnenkuchen. Große Komik! Großer Applaus!

Die Kulturtage Poing dauern noch bis zum 28. Oktober. An diesem Sonntag enden sie mit einer weiteren Aufführung vom "Raub der Sabinerinnen" um 18 Uhr in der Aula der Anni-Pickert-Grund- und Mittelschule. Alle Infos online unter www.kulturtage-poing.de.

© SZ vom 22.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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