Folgen des Klimawandels:Strategien zur Anpassung gesucht

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Laut Klimaschutzmanager Hans Gröbmayr gibt es kaum einen Bereich, der nicht von Veränderungen betroffen sein wird - von der Wasserwirtschaft über den Katastrophenschutz bis zu Gesundheitswesen und Bauleitplanung

Von Anja Blum

Darf man den Menschen Angst machen, damit endlich etwas passiert? Diese Frage, erzählt Hans Gröbmayr, werde in seinem Team häufig diskutiert. "Man muss die Leute eigentlich schon mit den Fakten konfrontieren", sagt der Klimaschutzmanager des Landkreises, "doch ich trau mich das fast nicht mehr". Zu oft schon sei er als unverbesserlicher Pessimist, als notorischer Schwarzseher beschimpft worden. Und doch will Gröbmayr nicht aufhören zu warnen, denn das hieße, den Kampf aufzugeben. Klimawandel heißt der Feind - ihm mit der Energiewende entgegenzuwirken ist ausgesprochenes Ziel des Landkreises. Doch das alleine wird nicht reichen, ist Gröbmayr überzeugt. "Wir müssen anfangen, uns mit den Folgen des Wandels auseinanderzusetzen und Strategien entwickeln, wie sie zumindest abgefedert werden können." Im Blick hat der Klimaschutzmanager dabei nicht weit entfernte Küstengebiete, sondern seinen Landkreis. Denn auch in Ebersberg werden die Auswirkungen der Klimaveränderungen gravierend, wenn nicht gar verheerend sein. "Es gibt eigentlich kein Thema, das davon nicht betroffen ist", sagt er.

Um zu wissen, was auf die Region zukommt, hat der Landkreis kürzlich einen Infoabend mit drei Experten veranstaltet. Die Ergebnisse: Für die Region Oberbayern sagen alle Klimamodelle eine Steigerung der Jahresmitteltemperatur voraus. Bis zum Jahr 2050 ist ein Anstieg von 1,3 Grad und bis 2100 von zwei Grad wahrscheinlich. Die Erwärmung wird sich dabei ganzjährig auswirken, sodass die Durchschnittstemperatur jeden Monat höher sein wird als heute. Doch das bedeutet nicht, dass es hierzulande insgesamt einfach nur ein bisschen wärmer wird - vielmehr geht die Veränderung mit einer Art Intensivierung einher: "Es wird zu deutlich mehr heißen Perioden kommen", erklärt Klimaforscher Sven Wagner, einer der Experten des Infoabends. Eine Hitze wie im Jahr 2003 werde in naher Zukunft als normaler und in ferner Zukunft sogar als ein eher kühler Sommer gelten.

Beim Niederschlag zeichnet Wagner ein ähnliches Bild. Die Summe steige generell leicht an, außerdem komme es auch beim Wasserkreislauf zu einer Intensivierung: "Es wird längere Trockenphasen und sogar Dürre geben, aber auch öfter extreme Niederschläge." Durch diese Entwicklungen komme es verstärkt zu Bodenerosion und Überschwemmungen. Die Hochwassergefahr nimmt laut Wagner auch im Winter zu. Grund dafür sind die steigenden Temperaturen: Der Winter-Niederschlag werde kaum mehr als Schnee, sondern überwiegend als Regen fallen. "Damit fällt die Pufferfunktion des Schnees weg - das Wasser wird gleich direkt in die Flüsse abfließen." Grundlage dieser Ergebnisse sei ein mittleres Szenario, bei dem weder extrem hohe noch extrem niedrige Treibhausgaskonzentrationen angenommen worden seien, betont Wagner.

All dies dürfe nicht verharmlost werden, da sind sich Gröbmayr und Norbert Neugebauer einig. "Viele glauben, dass der Klimawandel uns hierzulande nicht betrifft, aber das ist ein fataler Irrtum", sagt der Büroleiter des Landrats. Ihm selbst zum Beispiel bereite die zunehmende Trockenheit größte Sorgen: "Wir müssen davon ausgehen, dass das Trinkwasser immer öfter knapp wird", ist Neugebauer sicher, schließlich habe es bereits in der Vergangenheit deutliche Engpässe in diversen Gemeinden gegeben. "Das ging ja schon so weit, dass den Einwohnern verboten wurde, ihre Gärten zu gießen." Gröbmayr hingegen sieht die größte Bedrohung in den steigenden Temperaturen. "Wir werden bald 30 tropische Nächte mit über 20 Grad im Jahr haben - das wird unsere alternde Bevölkerung vor große gesundheitliche Probleme stellen."

Experten gehen davon aus, dass die fehlende Abkühlung zu Erkrankungen und Todesfällen bei ohnehin geschwächten Personen führen wird. Freilich könne man der Hitze mit dem Einbau von Klimaanlagen - selbstverständlich regenerativ betrieben - entgegenwirken, so Gröbmayr weiter, "aber auf solche Herausforderungen muss man sich langfristig einstellen. Das geht nicht von Heute auf Morgen." Das gleiche gelte für das Thema Dämmung: Bislang gehe es nur darum, die Wärme im Inneren der Häuser zu halten, doch schon bald werde es mindestens genauso wichtig sein, die Hitze nach draußen zu verbannen.

Die Kehrseite von Trockenheit und steigenden Temperaturen ist eine zunehmende Starkregen und Unwettergefahr, weswegen die Gemeinden laut Gröbmayr verstärkt auf den Hochwasserschutz achten müssten. Doch am Willen scheitert es manchmal gar nicht: Glonn etwa arbeitetet schon seit der Überschwemmung 2002 mit Hochdruck an seinem Hochwasserschutz, ist aufgrund eines sehr aufwendigen Verfahrens aber immer noch nicht damit fertig. Auch Privatpersonen seien hier gefragt: "In Moosach versuchen wir gerade, ein Überschwemmungsgebiet ans Nahwärmenetz anzuschließen, damit dort die alten Ölheizungen ausgebaut werden können", erzählt Gröbmayr. Denn wer wolle schon irgendwann die Tanks im Wasser schwimmen sehen? "Das Problem dabei ist: Das nächste hundertjährliche Hochwasser kann einfach schon morgen kommen", sagt Neugebauer.

Ein Umdenken ist laut Gröbmayr auch bei der Bauleitplanung notwendig: "Wir wollen uns gerne ohne Einschränkungen ausbreiten können", sagt er, doch das berge viele Risiken. Überschwemmungsgebiete zum Beispiel sollten angesichts der zunehmenden Hochwassergefahr künftig schlicht tabu sein, vielmehr sollten die Planer der steigenden Versiegelung "grüne Inseln" entgegensetzen. "Wohlfühlzonen mit Schatten spendenden Bäumen könnten in Zukunft sehr wichtig werden", sagt auch Neugebauer.

Schon heute verursachen klimatische Ereignisse hohe Kosten. Die Überschwemmungen des Sommers 2013 etwa führten laut Sven Wagner in Deutschland zu volkswirtschaftlichen Schäden von mehr als elf Milliarden Euro. Durch die zunehmende Häufigkeit von "Extremereignissen" wird also auch die finanzielle Belastung steigen. Mit Blick darauf rechnet Gröbmayr vor, dass es billiger wäre, die Energiewende mit voller Kraft voranzutreiben als erst im Nachhinein auf die Schäden durch den Klimawandel zu reagieren.

Zumindest den Ebersberger Kommunalpolitikern scheint bewusst zu sein, dass Handlungsbedarf besteht: "Im Kreistag ist das Problem parteiübergreifend anerkannt", sagt Neugebauer. So habe Gröbmayr nun vom Umweltausschuss den Auftrag erhalten, zunächst weitere Fragen zu klären: Ist ein gemeinsames Vorgehen in der Region sinnvoll? Wo gibt es Hilfestellungen, wo Förderungen? Sollte der Landkreis einen Klimafolgenmanager installieren? "Er kann das schließlich nicht alles alleine machen", sagt Neugebauer über den Ebersberger Klimaschutzmanager Hans Gröbmayr.

Geplant ist außerdem, demnächst eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus diversen Bereichen zu gründen, die Strategien zur Anpassung an die Klimaveränderungen im Landkreis erarbeiten und dem Umweltausschuss regelmäßig Bericht erstatten soll. Zu den wichtigen Ansprechpartnern zählen hier die Wasserwirtschaft, der Katastrophenschutz, die Forst- und Landwirtschaft, das Gesundheitsamt, die Bauaufsicht, der Natur- und der Klimaschutz. Ziel der Arbeitsgruppe soll eine Vulnerabilitäts-Analyse sein, das heißt, sie soll die anfälligen Punkte im Landkreis benennen und beschreiben. Auf Basis dieser Analyse wird dann das weitere Vorgehen beraten.

Initiiert wurde dieser Vorstoß von den Kreis-Grünen. Ihnen zufolge gehören auch die Kommunen mit ins Boot, schließlich seien sie "Schlüsselakteure" bei der Entwicklung von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel. Und auch der Landkreis sei hier gefragt: Er solle "eine Vorreiterrolle einnehmen".

© SZ vom 05.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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