Folgen des Klimawandels:Maß halten

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Max Finster, 54, hat 1982 seine Laufbahn im Ebersberger Landratsamt begonnen. Seither setzt er sich unermüdlich für den Naturschutz ein. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Max Finster von der Unteren Naturschutzbehörde erklärt, wo der Klimawandel im Landkreis befeuert wird und was an Gegenmaßnahmen notwendig wäre. Einiges davon ist nicht einmal schwer umzusetzen

Interview von Anja Blum

Max Finster ist verzweifelt: Noch viel zu wenig werde getan, um den Klimawandel aufzuhalten, auch hierzulande. Obwohl es dabei nicht nur um die Natur gehe, sondern vor allem um "Menschenschutz". Die Ebersberger SZ sprach mit dem stellvertretenden Leiter der Unteren Naturschutzbehörde im Ebersberger Landratsamt über die Folgen des Klimawandels - und über Gegenmaßnahmen auch vor der eigenen Haustür.

Herr Finster, was kommt Ihnen beim Stichwort Klimawandel als erstes in den Sinn?

Max Finster: Die Wetterextreme, die noch stärker zunehmen werden. Von Hitze und Kälte bis zu Trockenheit und Starkregen. Wir haben seit Jahren keinen tief gehenden Frost mehr und kaum Schnee, dafür aber mehr Stürme.

Sie bemerken also bereits Veränderungen?

Ja, absolut, die kann jeder sehen. Zum Beispiel an den vielen alten Bäumen, die es im Landkreis gibt: Diese Naturdenkmäler haben häufiger Sturmschäden. Oder an der eigenen Haut, an der das Ozonloch so langsam Schäden anrichtet. Oder an den milden Wintern, den zunehmenden Überschwemmungen.

Was ist mit Flora und Fauna - werden am Klostersee bald Palmen wachsen?

Nein, (lacht), das werden wir beide nicht mehr erleben. Denn die Natur kann Klimaschwankungen viel besser abpuffern als die Landwirtschaft. Deswegen sind hier die Veränderungen für Laien praktisch nicht ersichtlich.

Schuld am Klimawandel ist der Mensch - oder?

Ja. Meist wird beim Klimaschutz nur an den Energieverbrauch nach dem Motto "weg von fossilen Energieträgern" gedacht - doch Klimaschutz ist viel komplexer und erfordert mehrere Handlungsschwerpunkte gleichzeitig.

Zum Beispiel?

Die Symptome, die den Klimawandel und seine Folgen befeuern, kann man auch im Landkreis Ebersberg sehr gut beobachten. Das fängt an bei der Bodenversiegelung, die noch nie so schnell vorangeschritten ist wie heutzutage. Weiter geht es mit der Landwirtschaft: Hier haben die Intensivtierhaltung und der Ackerbau deutlich zugenommen - was leider schlecht für den Klimaschutz ist. Denn Grünland, also Wiesen, speichern sowohl Wasser als auch CO² wesentlich besser als Äcker. Hinzu kommt der Methanausstoß der Tiere. Und auch jeder Einzelne trägt zum Klimawandel bei: durch einen gestiegenen Fleischkonsum, durch Mobilität - Stichwort Straßenbau beziehungsweise Fernreisen - und den Energieverbrauch daheim. Man will eben auch im Winter am liebsten im T-Shirt auf dem Sofa sitzen. Das sollen alles keine Anschuldigungen sein - aber man muss es eben zur Kenntnis nehmen und nicht nur auf andere zeigen.

Und welche Schlüsse daraus ziehen?

Persönlich zitiere ich gerne unseren Papst Franziskus, der in seiner Enzyklika "Laudato Si" zu mehr Bescheidenheit aufruft: Man sollte einfach auf seinen Ressourcenverbrauch achten und versuchen, Maß zu halten.

Und auf politischer Ebene?

Da hätte ich eine ganze Menge konkreter Vorschläge. Zum Beispiel sollten die Gemeinden einen extrem sparsamen Umgang mit Grund und Boden pflegen. Innenverdichtung vor Außenbebauung lautet hier ein Schlagwort, und da gibt es sehr viele Möglichkeiten. Wer Klima- und Menschenschutz im Fokus hat, sollte außerdem ganz konsequent keine Täler oder Hangkanten mehr bebauen - um Hochwasser- und Sturmschäden vorzubeugen. Die Kommunen sollten alle ihre Landschaftspläne entsprechend aktualisieren und dann auch umsetzen. Ein weiterer großer Appell von mir ist die Erhaltung von Grünland. Und die Fließgewässer müssen endlich raus aus ihren Zwangsjacken. Die aktuellen Renaturierungsmaßnahmen sind häufig nur kosmetischer Natur: Es gibt im Landkreis fast keinen einzigen natürlichen Gewässerverlauf mehr, das verrät ein Blick auf alte Karten. Diese Lebensadern aber brauchen Platz, mindestens acht bis zehn Meter Pufferfläche auf jeder Seite. Sonst wird es immer mehr Überschwemmungen geben.

Alles schön und gut - aber wie könnte das praktisch umgesetzt werden?

Empfehlenswert wäre zum Beispiel die Einrichtung eines Klimafonds auf Landkreisebene, um verschiedene Ansätze erarbeiten und fördern zu können.

Und wieso ist das noch nicht passiert?

Naja, ich glaube, der politische Wille wäre schon da, aber das Thema hat keine Priorität. Das Klima schreit halt nicht.

Ein Projekt, das Ihnen ganz besonders am Herzen liegt, ist die Renaturierung von Mooren .

Ja, denn das ist eine äußerst wirkungsvolle Maßnahme zum Klimaschutz: Hier geht es um 1500 Kilo klimaschädliches CO² pro Hektar und Jahr, die im Boden gebunden werden können - und somit nicht in die Atmosphäre gelangen und nicht zum Treibhauseffekt beitragen.

Wie ist hier die Situation im Landkreis?

Hier gibt es leider kein einziges intaktes Moor mehr. Anfang des 19. Jahrhunderts nämlich wurden diese Flächen fast alle trockengelegt, um Land zu gewinnen. Mit der Entwässerung aber geht der Klimakiller CO² in die Luft über. Diesen Prozess wollen wir nun rückgängig machen. Im Landkreis gibt es derzeit zwei Projekte, die in einem Förderprogramm der Staatsregierung drin sind: das Brucker Moos und die Katzenreu-ther Filze. Doch in beiden Fällen tun wir uns sehr schwer, ein zusammenhängendes Moor zu schaffen, das sich wieder regenerieren kann, weil wir viele Schlüsselflächen nicht bekommen. Die Landwirte wollen nämlich nicht einfach verkaufen, sondern tauschen, also woanders Grund dafür bekommen. Den aber können wir ihnen leider meist nicht bieten - weil wir ihn schlicht nicht haben.

Was schlagen Sie also vor?

Empfehlenswert wäre eine Art Flächenagentur auf Landkreisebene und dazu einen Flächenmanager, wie ihn zum Beispiel die Erdinger eingestellt haben. Denn Boden ist überall Mangelware: in der Landwirtschaft, im Naturschutz und als Ausgleich für Baumaßnahmen - allerdings mit jeweils unterschiedlichen Anforderungen. Das alles in einer Hand zu koordinieren, ist dringend nötig. Es wäre eine Win-Win Situation für Naturschutz und Landwirtschaft und letztendlich für den Klimaschutz.

© SZ vom 05.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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