Erdinger Klinikum:Engpass im Kreißsaal

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Zu Wenig Hebammen: Nur noch Kaiserschnitte im Erdinger Klinikum

Von Florian Tempel, Erding/Ebersberg

Schwangere aus dem nördlichen Landkreis Ebersberg, die erwogen hatten, ihr Baby im Erdinger Klinikum auf die Welt zu bringen, müssen umplanen. Bis auf Weiteres wird es dort keine natürlichen Geburten mehr geben, nur noch geplante Kaiserschnitte sind möglich. Der Grund sind "schwerwiegende Personal-Engpässe im Bereich der Beleghebammen", heißt es in einer Pressemitteilung. Und weiter: "Der Betrieb des Kreißsaals im Klinikum Erding in den drei Sommermonaten Juli, August und September kann nur eingeschränkt aufrecht erhalten werden." Von Montag bis Freitag würden ausschließlich geplante Kaiserschnitte durchgeführt.

Das Klinikum Erding hat, wie die meisten Krankenhäuser, keine festangestellten Hebammen. Die Geburtshilfe-Abteilung arbeitet mit freiberuflichen Hebammen zusammen. Die Hebammen haben sich dazu in eine Gemeinschaft zusammengeschlossen, die mit der Klinik einen Kooperationsvertrag geschlossen hat. Das Hebammenteam habe jedoch aktuell zu wenige Mitglieder, um die Dienstzeiten im Kreißsaal komplett abzudecken.

Julia Berndt gehört zum Hebammenteam am Erdinger Klinikum. Anfang des Jahres ist sie selbst Mutter geworden. Eine andere Kolleginn ist auch in Elternzeit. "Vorher waren wir junge Vollzeitkräfte", sagt Berndt. Zuletzt haben sich sieben Hebammen, von denen vier in Vollzeit arbeiten, die 60 Dienste pro Monat im Kreißsaal geteilt. Eine Dienstschicht beginnt mit zwölf Stunden Rufbereitschaft, an die sich zwölf Stunden Präsenzdienst im Klinikum anschließen. Eine Hebamme ist von 6 bis 18 Uhr da, eine Kollegin von 18 bis 6 Uhr. Bei Bedarf kommt die Hebamme dazu, die Rufbereitschaft hat. Da wären auch mal 80 Stunden-Wochen zusammengekommen, sagt Raphaela Hiller, die Sprecherin des Erdinger Hebammenteams. Auf Dauer ist das nicht durchzuhalten.

Die Hebammen haben in den vergangenen Monaten selbst nach Kolleginnen gesucht, ohne Erfolg. Auf ihre Anzeigen hat sich niemand gemeldet. Julia Berndt wundert das nicht: "Wir kriegen ja selbst Anrufe von Kliniken, die uns abwerben wollen." Auch das Münchner Klinikum Rechts der Isar, dem das Erdinger Haus als akademisches Lehrkrankenhaus verbunden ist, konnte nicht aushelfen. Jedes Haus braucht seine Hebammen und muss darauf bedacht sein, sie unbedingt zu halten.

Der gleichzeitige Ausfall von Hebammen im Erdinger Team ist zwar der konkrete Grund, der zur vorübergehenden Schließung des Kreißsaals geführt hat. Die tiefere Ursache ist aber der bundesweite Hebammenmangel, der in Oberbayern besonders brisant ist. Raphaela Hiller nennt als wesentlichen Grund, dass sich Teilzeitarbeit in diesem Beruf nicht lohne, weil die Berufshaftpflicht so enorm teuer ist. In diesem Jahr muss eine Hebamme fast 8000 Euro Versicherungsprämie zahlen. Viele Hebammen, die in Teilzeit arbeiten, lassen es deshalb ganz sein. In Bad Tölz hat die Geburtshilfeabteilung am 1. April geschlossen. Am Mittwoch wurde bekannt, dass auch der Kreißsaal in der Bad Aiblinger Klinik wegen Hebammenmangels schließen muss. Eine private Geburtsklinik in Gräfelfing macht Ende September dicht. In Erding soll es dann weitergehen.

© SZ vom 26.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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