Emmering:Im Rausch der Gefühle

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Erst ist es "pure Liebe", nach zehn Jahren folgt dann die Scheidung: Mehr als tausend Besucher verfolgen die Bettelhochzeit auf einem Misthaufen in Hirschbichl

Von Carolin Fries

Der Bräutigam hat keine Chance, zu flüchten. ´Du kimmst mir nimmer aus`, sagt die Braut. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

"I kumm ja eh ned aus", hauchte der schmächtige Bräutigam ins Mikrofon, nachdem ihm seine Zukünftige mehrmals ihren halbvertrockneten Brautstrauß über den Kopf gezogen hatte. "Also okay. Sonst flack' ich nächste Woche am Friedhof drüben." Und damit war sie am Sonntag besiegelt, die Emmeringer Bettelhochzeit. Auch wenn der "Standesbewampte sie von Anfang an als "sinnlos und hirnlos" bezeichnete.

Mehr als tausend Besucher - darunter auch ein Herr aus Icking in Netzstrumpfhosen - klatschten Beifall, als Alexandria Eiskoide Schu Boandlkramerin vo da Hirschau (Alexander Dullinger) ihrem BayGrischbal Dofe Fleischdantler vo da Bruckhofer Schebabixn (Christoph Huber) mit geschürzten Lippen um den Hals fiel. Dass sie den Bräutigam, der kurz zuvor zum Wirt flüchten wollte, mit den Worten "Du kummst mir nimmer aus" zurück zur Trauungszeremonie tragen musste - sei's drum. Da konnten die ledigen Töchter noch so laut "Mama tuas ned" plärren, wie sie wollten; da konnte der dreihaxerte Standesbewampte noch sehr über das "abgeschlampte Brautpaar" schimpfen und die Brauteltern die Trauung in letzter Minute zu verhindern versuchen - für die kommenden zehn Jahre wird an dieser Ehe nichts zu rütteln sein. Dann aber wird das Schauspiel vor dem Scheidungsrichter erneut aufflammen und schließlich im elften Jahr ein neues Brautpaar hervorbringen. Vermutlich wieder ein Mordsdrum Braut mit ordentlich aufgebautem Busen und ein schmächtiger Bräutigam. Es ist wohl die größte Ehre, die einem Emmeringer widerfahren kann. Zumindest seit 1928, als sich hier erstmals zwei geschminkte Männer das Jawort gaben.

Und so sitzt an diesem Sonntag ein junger Mann mit dicker Make-up-Schicht auf dem Hochzeitswagen und zeigt seine weiß besprühten Hochzeitsschuhe mit Plateausohle "Marke Eigenbau". Von dieser Marke wird es an diesem Tag noch Einiges zu sehen geben. Zum Beispiel den "schönsten Misthaufen zwischen Hirschbichl und Emmering", vier Meter breit und 2,20 Meter hoch. Er dampft noch, als das Brautpaar die Stufen hinauf auf die Bretterbühne steigt. "Es ist pure Liebe", beteuert die Braut. "Und das Geld." Auf das hübsche Kleid angesprochen wettert der Bräutigam "Die schiache Scherbn hat sie aussaputzt wia no nie." Da setzt allerdings schon die Blasmusi Emmering zum Start des Hochzeitszugs ein. Und die mit Tierschädeln bestückten Maschinen der "Zündapp-Freunde" knattern. Später wird Landrat Robert Niedergesäß (CSU) hüpfend mitgrölen "Auf geht's, jetzt ist wieder soweit." Er, der "König von Ebersberg", hat dem bettelarmen Paar als höchste Instanz im vergangenen Jahr die Erlaubnis zur Trauung erteilt. Er durfte auf dem Wagen der Brauteltern mitfahren. Denn bevor sich vor traumhafter, wenn auch trüber Kulisse (Schloss Hirschbichl) das Jawort gegeben wurde, zog man durchs Dorf. Begleitet wurde das Brautpaar dabei nicht nur vom Kranzlpaar, den "seit sieben Wochen im Dauersuff" befindlichen Hochzeitsladern, einer motorisierten Brautjungfer: Die Verwandtschaft von nah und fern war auf Wagen angereist - ob bucklig, geldig oder nur als "Schoaßverwandtschaft". Dass sich die Vereine mit aufwendig dekorierten Wägen an der Gaudi beteiligen, gehört zur Bettelhochzeit wie der Lippenstift zur Braut.

Und so hüpfen die Ballettfreunde im rosafarbenen Tütu über die Straße, die "Schwarzbrenn-Spezl'n der Braut" sowie die "Winterschui-Freindinna". Der Boandlkramer und der Papst hatten eigens eine "Fahrgemeinschaft" eingerichtet, das Stammlokal des Bräutigams (ein Puff) kommt mit einer Delegation vorbei, der ADAC ("Nicht mal Engeln kann man vertrauen"), der "Busn-Bräu" und sogar die Bundeswehr, die als familienfreundliche Einrichtung für "Kindersitze in jedem Eurofighter" wirbt. Dem Tullinger Stopselclub war es sogar gelungen, die Queen einzufliegen, die von ihrem Thron zurückhaltend in die Menge winkt. "Sehr stolz" mache die Bettelhochzeit ihn, sagt Emmerings Bürgermeister Max Maier (Bürger für Emmering), der fotografierend im dunkelblauen Anzug seines Vaters am Straßenrand steht. "Da tut jeder mit", preist er den Zusammenhalt im Dorf. zwei Jahre dauere die Vorbereitung. Sein Kontrahent im Bürgermeisterwahlkampf , Martin Killi (CSU), ist ebenfalls beim Umzug dabei. Er steuert einen der alten Bulldogs. Dass sich das Dorf im Wahlkampf zuletzt immer stärker gespalten hatte, ist am Sonntag nicht zu spüren. "Do ned", sagt Max Maier. Und zwei Emmeringer Frauen bestätigen: "Für des werd zamgholfa, da gibt's nix." Entlang der Straße haben die Emmeringer diverse "Versorgungsstationen" eingerichtet, - neben Bier, Spezi und Schnaps gibt es auch "Arme Bixn" - und sie preisen das Brautpaar auf Transparenten.

Braut Alexandria wird ihrem BayGriaschbal nun jeden Tag Spinat kochen und das Bett machen müssen, er wird ihr im Gegenzug die Fingernägel ausputzen müssen, wie der Standesbewampte die Ehepflichten zusammenfasst. Sein Wunsch für die bettelarme Zukunft des Paares? "Dass sie viele Kinder kriegen", auf dass das neue Kinderhaus und die Schule für die nächsten Jahrzehnte gut besucht seien. "Drei mal zwölf", steht es auf einem der Wagen, ausgerüstet mit Kinderbetten und Windeln. Gänzlich ohne Forderungen gratuliert die katholische Landjugendbewegung aus Oberndorf: "Dem Brautpaar eine geile Zeit."

© SZ vom 03.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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