"Elterntalk":Kaffeekränzchen mit Niveau

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Sandra Lößl ist Sozialpädagogin sowie Erzieherin und pädagogische Mitarbeiterin für Gemeinwesenorientierte Familienbildung im Kreisbildungswerk. (Foto: Privat)

Das Kreisbildungswerk Ebersberg bietet erstmals einen "Elterntalk" an, in dem sich Mütter und Väter lösungsorientiert über Erziehungsprobleme austauschen

Interview von Anja Blum, Ebersberg

"Elterntalk" nennt sich ein neues Angebot, mit dem das Kreisbildungswerk Ebersberg Familien zusätzlich unterstützen möchte. Das Ziel sind moderierte Gesprächsrunden in kleinem Rahmen, in denen über Themen rund um die Erziehung gesprochen werden kann. Wie genau das bayernweite Projekt funktioniert, erklärt Projektleiterin Sandra Lößl, selbst dreifache Mutter, Erzieherin und Sozialpädagogin.

SZ: "Elterntalk" - was darf man sich darunter vorstellen?

Sandra Lößl: Das sind Treffen, zu denen ein Elternpaar seine Freunde und Bekannten einlädt, und die unter einem bestimmten Motto stehen. Das Thema bestimmen diejenigen, die den Abend initiieren. Dabei kann es um Medien gehen, um Taschengeld oder irgendeine andere Frage der Erziehung. Die Zielgruppe sind Eltern von Kindern zwischen null und 16 Jahren. Wir liefern dazu Moderatoren, meist Frauen, die das Gespräch ein wenig lenken, Denkanstöße geben, Infomaterial dabei haben.

Wo und welchem Rahmen sollen diese Treffen stattfinden?

Der Ort ist eigentlich nicht entscheidend. Die Initiatoren können zu sich nach Hause einladen, oder auch in einen Kindergarten, in ein Pfarrheim oder zu uns ins Kreisbildungswerk. Wichtig ist aber, dass der Rahmen ein überschaubarer bleibt: Es sollten nur zwischen vier und sechs Personen daran teilnehmen.

Warum ist das so wichtig?

Weil die Erfahrung zeigt, dass nur so jeder zu Wort kommt. Und genau darum geht es beim Elterntalk: Dass die Menschen sich austauschen, von ihren Erfahrungen erzählen und persönliche Fragen stellen können. Der Moderator ist kein Referent, er soll eben keinen Vortrag halten, sondern nur das Gespräch begleiten. Ziel ist nämlich, dass die Teilnehmer selbst zu einer eigenen Haltung finden.

In anderen Regionen läuft der Elterntalk schon länger - wie sind die Erfahrungen?

Meinem Eindruck nach, den ich im Gespräch mit vielen Regionalbeauftragten gewonnen habe, überwiegend positiv. Nur vereinzelt gibt es zu wenige Moderatoren, und manchen gelingt es wohl nicht so leicht, sich einen Stamm aufzubauen.

Das klingt, als seien die Eltern Kunden der Moderatoren?

Nein, das ist nicht der Fall, das Angebot ist für die Familien kostenlos. Das Projekt des Vereins "Aktion Jugendschutz" wird vom Familien- und vom Gesundheitsministerium finanziert. Aber die Talks entstehen natürlich oft auf der Basis von persönlichen Kontakten. Deswegen eignen sich als Moderatoren vor allem Menschen, die gut vernetzt sind, zum Beispiel aus dem Elternbeirat oder dem Sportverein viele Familien kennen.

Was muss man denn sonst noch so mitbringen, um Moderator zu werden?

Auf jeden Fall keine pädagogische Grundqualifikation - die gibt es nämlich in Form von Schulung und Fortbildungen dann von uns. Das Wichtigste ist eigentlich, dass man selbst Erfahrung mit Kindern hat. Außerdem sind wir auf der Suche nach mehrsprachigen Menschen, da wir die Elterntalks gerne auch in anderen Sprachen anbieten möchten. Das Material liegt auf Englisch, Französisch, Türkisch und Russisch vor.

Weshalb ist Ihnen das so ein großes Anliegen?

Weil wir auch Eltern erreichen wollen, an denen die klassischen Bildungsangebote wie Vorträge vorbei gehen.

Wie geht es nach einem ersten Treffen weiter?

Das ist ganz offen, also möglicherweise gar nicht. Aber oft ergeben sich aus den Gesprächen gleich weitere Themen, zu denen dann vielleicht jemand anderes einladen möchte. Entweder in der gleichen Konstellation oder aber auch mit anderen Eltern. Auch der Moderator kann selbst bestimmen, ob er einen weiteren Termin annimmt oder nicht. Da gibt es keine Verpflichtungen. Sie bekommen für jeden Talk eine Pauschale.

Aber jetzt mal ganz ehrlich: Gerade Mütter unterhalten sich doch ständig über ihre Kinder und Fragen der Erziehung. Warum sollten sie so ein offizielles Angebot nutzen?

Weil es hier um eine andere Art des Austausches geht. Weil es etwas anderes ist, ob man irgendwie nebenbei - am Spielplatz zum Beispiel - über solche Themen spricht, oder ob man sich ganz bewusst zwei Stunden Zeit nimmt dafür. Normalerweise schweift man in solchen Gesprächen schnell ab, kommt vom einen Stichwort gleich zum nächsten, Erkenntnisse sind deshalb eher selten. Der Elterntalk aber ist lösungsorientiert - ohne Lösungen vorzugeben. Hier geht es darum, dass die Eltern in einer bestimmten Frage zu einer eigenen Entscheidung finden, sich eine persönliche Haltung erarbeiten. Und dabei kann ein Moderator von außen sehr hilfreich sein.

Haben Sie das Gefühl, dass die Verunsicherung der Eltern zunimmt - und wenn ja, warum?

Ja, auf jeden Fall. Und das hat mehrere Gründe. Zum einen gibt es immer weniger den klassischen Generationenverlauf. Das heißt, dass man innerhalb der Großfamilie hautnah miterlebt, wie andere ihre Kinder erziehen. Auf der anderen Seite nehmen die Ratgeber in allen möglichen Medien zu, die suggerieren: Das musst du wissen, das solltest du können. Der erhobene Zeigefinger ist allgegenwärtig. Dabei gibt es gar keine allgemeingültigen Lösungen mehr. Jeder muss seinen eigenen Weg finden. Damit nimmt die Freiheit zu, aber andererseits die Sicherheit ab.

Wer zu einem Elterntalk einladen oder Moderator werden möchte, kann sich an Projektkoordinatorin Sandra Lößl wenden. Sie ist erreichbar in der Ebersberger KBW-Geschäftsstelle unter (08092) 85 07 90.

© SZ vom 21.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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