Ein Gespräch mit Liebhabern der Reihe:Aus ungewohnter Perspektive

Lesezeit: 3 min

Dramaturgin an den Tasten: Elena Bashkirova beeindruckt beim Rathauskonzert Vaterstetten mit einem sehr breit gefächerten Repertoire und einer inspirierten, lebendigen Spielweise, die jeden Stück seinen eigenen Charakter verleiht. (Foto: Christian Endt)

Die Pianistin Elena Bashkirova zeigt sich beim Vaterstettener Rathauskonzert als große Stilistin und gewinnt das Publikum für sich

Von Ulrich Pfaffenberger

Musikfreunde, die seit mehr als 30 Jahren regelmäßig die Rathauskonzerte Vaterstetten besuchen: Kann man sie noch überraschen? Haben sie ganz bestimmte Erwartungen, die nur diese Reihe erfüllen kann? Sind sie auf Stars abonniert? Am Sonntagabend im Bürgersaal Neukeferloh geben einige Angehörige dieser besonderen Spezies im Gespräch mit der SZ Antworten auf derlei Fragen. Anlass ist das neunte und letzte Abonnementskonzert dieses Jahres mit Elena Bashkirova. Sie ist, in dieser Reihenfolge, bekannt als exzellente, international gefragte Pianistin, Trägerin zahlreicher bedeutender Auszeichnungen sowie Ehefrau des Dirigenten Daniel Barenboim, und fügt sich perfekt ein in die lange Reihe von Hochkarätern, die heuer den Weg nach Vaterstetten gefunden haben.

Überraschende, erste Erkenntnis des Gesprächs: "Nein, wir gehen ohne spezielle Erwartungshaltung in diese Konzerte. Wir nehmen eine Auszeit und lassen uns überraschen", so heißt es unisono aus dem Kreis von Maria und Bernd Herber, Gisela und Dieter Rauschmayr, Ingrid und Klaus Röser sowie Elvira Weißmann-Polte. Sie schätzen am Vaterstettener Programm, dass dort nicht nur Platz für reine Klassik ist - "Die Sonderkonzerte ergänzen das wunderbar", dass immer wieder Platz fürs Kennenlernen neuer Künstler ist und, vor allem, "dass in jedem Konzert ein unbekanntes oder seltenes Stück dabei ist, das man neu entdecken kann". Sie bezeichnen das kurz als "Lernstück", rücken dann aber schnell wieder von dem Begriff ab, "denn die Leute wollen im Konzert ja nicht erzogen werden". Aber: "Dieses eine Stück macht den Unterschied." Am Sonntagabend, so das Resümee nach dem Konzert, sind es die acht "Poetischen Stimmungsbilder" von Antonin Dvořák, gleich nach der Pause, von denen die Stammhörer sich besonders angesprochen fühlen. "So eine Vielfalt an unbekannten, mitreißenden Melodien" weiß der Kreis der Kenner zu schätzen, auch die "inspirierte, lebendige Spielweise, die bei jedem Stück den individuellen Charakter herausgearbeitet hat". Da habe man den Komponisten von einer ganz neuen Seite kennengelernt.

Auch die drei Mozart-Stücke gleich zu Beginn, die Fantasie d-Moll, das Rondo D-Dur und die Variations pour Clavecin A-Dur kommen gut an. Unterschiedlich dabei die Vorlieben; mal bekommt das eine Stück den Zuspruch, mal das andere. Insgesamt aber sei es das Dreierlei an sich gewesen, das als stimmig empfunden wurde. "Das war genau das Richtige, um ins Konzert hineinzufinden, die Wahrnehmungskraft zu stärken." Einer weiß die subtile Spielweise zu schätzen, "das gefällt nicht jedem", aber aus den Händen Bashkirovas sei es eben ein Erlebnis. Wie überhaupt das breite Repertoire der Pianistin die Anwesenden stark beeindruckt. Fern jeder Abgehobenheit, wie sie manche Stars auf weniger bedeutenden Bühnen an den Tag legen, erweist sie sich als nahbare, fürsorgliche Interpretin des ihr anvertrauten musikalischen Gutes - und zugleich als Musikerin, bei der technisches Können und einfühlsamer Geist perfekt ausbalanciert sind. Eine Kombination, deren tiefe Wirkung auf das ganze Publikum am intensiven Schlussapplaus im gut gefüllten Saal abzulesen ist.

An Schumanns Klaviersonate Nr.1 in fis-Moll scheiden sich die Geister. Auf der einen Seite jene, die Bashkirovas Umgang mit dem Stück als zu distanziert empfinden. "Mir hat gefehlt, dass mich dieser Schumann emotional mitnimmt, das gehört für mich einfach dazu", meint eine der Frauen in der Runde. Andere nehmen den Perspektivwechsel auf den Romantiker als Studienobjekt für stilistische Techniken als durchaus reizvoll wahr. Sie ordnen das Stück in die Kategorie "schon oft gehört, daher gern mal auf atypische Weise" ein. Was nicht zuletzt vor dem Hintergrund zu sehen ist, dass sie sich allesamt mehr zeitgenössische Stücke in den Konzerten wünschen. Ihnen ist bewusst, dass dafür nicht jeder Zuhörer zu begeistern ist, wenn's zu modern klingt, aber: Mozart habe auch einmal gegen die Hörgewohnheiten seiner Zeit verstoßen.

Am nächsten kommt diesem Wunsch das letzte Stück des Konzerts, Béla Bartóks Sonate für Klavier von 1926. Der spontane Kommentar: "Da hat man gleich gespürt, da war sie ganz in ihrem Element" findet ringsum uneingeschränkte Zustimmung. Fast bis zur körperlichen Erschöpfung vertieft sich Elene Bashkirova in das Stück und reizt die an sich schon anspruchsvollen Vorgaben des Komponisten bis an deren Grenzen aus. Deutlich spürbar, dass sie dieses vierte Opus des Abends nicht nur wegen des chronologisch aufgebauten Programms, sondern auch aus dramaturgischen Gründen ans Ende gesetzt hat. "Ich war total geplättet", fasst eine der Zuhörerinnen ihren Eindruck salopp zusammen. Ihre Offenheit für diese Konzertreihe hat sich also, wieder einmal, gelohnt.

© SZ vom 11.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: