"Die schwarzen Schafe", sagt Franz Kisters, "die sind mir die liebsten". Ein Satz, der viel aussagt über die christliche Orientierung, die hinter der Leidenschaft des Grafingers für Weihnachtskrippen steckt. Wer 40 Jahre lang an eine Krippe hinbastelt, muss Überzeugungstäter sein. Heute ist jenes Mammutwerk, das jahrzehntelang in Kisters Keller stand, das Herzstück des Krippenwegs, der heuer über 81 Stationen durch Ebersberg führt. Die fünf Meter lange Krippe, bei der sich ein ganzes Dorf rund um den Stall entwickelt hat, ist in einer alten Autowerkstatt in der Heinrich-Vogel-Straße 4 zu sehen.
Eisigkalt ist es hier zwischen den schlichten Mauern, die Kisters vorübergehend angemietet hat, bis, ja bis halt der ganze Weihnachtszauber wieder vorbei ist. Und "verzaubert" ist wahrscheinlich das Wort, welches am besten beschreibt, welche Stimmung der Blick in eine der gut 200 Weihnachtskrippen auslöst, die Kisters für den dritten Krippenweg zusammen getragen hat, darunter viele eigene Krippen, aber auch Leihgaben, die nach einem Fernsehbericht über den Ebersberger Krippenpapst aus ganz Deutschland gekommen waren. Bis Ende vergangener Woche standen sie alle in jener schmucklosen Garage mit Wänden, von denen der Putz bröckelt, in dieser Eiseskälte, die sich in den alten Mauern eingenistet hat. "Wir haben das bewusst so gelassen", erklärt Stadtführer Thomas Warg, "die Heilige Familie musste sich auch mit einem Stall zufrieden geben". Warg hat sich auch diesmal wieder als Krippenführer zur Verfügung gestellt. Wie das Ereignis der Herbergssuche vor 2000 Jahren freilich dargestellt wird, ist von Land zu Land so verschieden, dass eine Führung über den Krippenweg nicht nur ein Vergnügen sein, sondern echten Erkenntnisgewinn bringen dürfte. Ein paar Exponate bleiben in der Garage, der Rest steht verteilt in der ganzen Stadt, in der Bäckerei Freundl etwa, in St. Sebastian, im E-EinZ, in der Kugler Alm, der Raiffeisenbank, im SPD- und im CSU-Bürgerbüro.
Wegen der großen Fenster im letztgenannten hat hier eine raumgreifende neapolitanische Krippe ihren Platz gefunden. Nicht ein Holzstall dient dem Jesuskind, Maria und Josef, als Dach über dem Kopf, sondern ein halb eingestürzter Palast, dessen antike Säulen einen Torbogen bilden, welcher den Weg zum Kinde weist. Der grüne Teppich im Durchgang, als Symbol für die Hoffnung, gehört dabei, wie Kisters erklärt, ebenso zu einer neapolitanischen Krippe, wie ein Dudelsackspieler und ein Weinfassträger. Die Figuren in arabischer Kleidung stammen aus Sizilien, wurden aus Terrakotta und Stoff in Handarbeit von der italienischen Künstlerin Angela Tripi gefertigt.
Während in der reichen Krippentradition Neapels das gesamte Alltagsleben dazu gehört, beschränkt sich Kisters hier auf das klassische Personal der Heiligen Familie, der Heiligen Drei Könige, Schafe und Hirten. Aber was heißt schon klassisch: In Südamerika etwa, so ist von Kisters zu erfahren, gehört zur Darstellung von Christi Geburt die Kreuzigung auch gleich dazu, so dass ein Kreuz statt einem Stern das Dach des Stalls schmückt. Aus dem Grulicher Ländchen, im Osten Tschechiens gelegen, stammt eine Krippe, die eine terrassenartige angelegte Stadt in bunten Farben zeigt, die sich über dem eigentlichen Stall als Zentrum aufbaut. Diese besondere Krippe verweist aber nicht nur auf eine alte Tradition, sondern auch auf eine bittersüße Familienanekdote: Die Egerländer Familie, der die Krippe gehörte, musste 1946 ihre Heimat verlassen. Mitnehmen durften sie 50 Kilo Habseligkeiten pro Person. Der siebenjährige Sohn aber dachte nicht daran, die Schulsachen einzupacken, er steckte die Krippenfiguren in seinen Ranzen - letztlich zur Freude der Eltern, der er ein Stück Familiengeschichte bewahrt hat.
Auch Franz Kisters Krippenleidenschaft hat ihre Wurzeln in der Familienvergangenheit. Bei einem Luftangriff im Dezember 1944 war das Münchner Haus seiner Eltern zerstört worden, einzig die Weihnachtskrippe stand fast unberührt - bis auf den Josef, den hatten die Erschütterungen umgeworfen. Mit 30 Jahren dann begann Kisters, seinem Josef eine neue Krippe zu bauen, die erste einer langen Reihe. Im typisch alpenländischen Stil sind seine Krippen gehalten, er verwendet Äste oder Wurzelstöcke, die er schon mal im Rucksack von einer Bergwanderung mitbringt, bevölkert sie mit typisch bayerischen Figuren, geschnitzt und mit Kleidern aus Stoff.
In Österreich dagegen, erklärt er, seien die Kleider traditionell gemalt, in Schwaben die ganzen Figuren aus Wachs. Zu den skurrilsten Szenen der Ausstellung gehört eine heilige Indio-Familie aus New Mexiko: dem Josef steckt eine Indianerfeder im Haar. Kisters neuestes Werk ist eine Krippe unter der von Luxuswagen befahrenen Münchner Reichenbachbrücke: Unter einem Bogen Obdachlose, unter einem anderen das Jesuskind im Einkaufswagen. Die Gesellschaftskritik sei Kisters wichtig gewesen, erklärt Thomas Warg, und zeigt auf den Josef, der ein Handy in der Hand hält.
Ach ja, und da wäre noch die Geschichte um das schwarze Schaf. Es gehört zu Kisters großer Stadtkrippe. Nach einem Besuch beim jüngst verstorbene Abt Odilo Lechner, der über die Bedeutung der schwarzen Schafe in einer Herde sprach, habe er, Kisters, zu Hause eine Dose Schuhcreme geholt und eines der vielen weißen Schafe, die seine Krippenlandschaft bevölkern, schwarz angemalt.
Der Krippenweg wird am Sonntag, 10. Dezember eröffnet und bis 7. Januar, zu sehen sein. Mittwoch und Samstat gibt es kostenlose Führungen, Beginn ist um 16 Uhr, Treffpunkt vor dem Rathaus. Die Ausstellung in der Heinrich-Vogel-Str. 4 ist täglich von 13 bis 17 Uhr geöffnet, außer an Heiligabend, am 1. Weihnachtsfeiertag und an Silvester. Anmeldung für Gruppenführungen ab fünf Personen bei Franz Kisters unter (0170) 5835885. Weitere Infos, auch zum Gewinnspiel - Hauptpreis eine Kisters-Krippe - unter www.ebersberger-krippenweg.de