Konzert des Jugendorchesters Grafing:Könner und Komödianten

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Tanzunterricht auf georgische Art oder a la Mexicana? Egal: Beim Konzert des Grafinger Jugendorchesters befällt auch die Phlegmatiker Muskelzucken. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das gut hundertköpfige Jugendorchester Grafing sowie einige Solokünstler zünden in Ebersberg ein Feuerwerk aus musikalischen Einfällen und poetischen Kunststücken

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Ein klassisches Konzert, sagen wir im Herkulessaal, beginnt so: Die Instrumente sind gestimmt, Publikum und Orchester warten auf den Dirigenten. Noch darf gehüstelt und geraschelt werden. Nun aber kommt der Maestro, verbeugt sich, hebt den Taktstock und auf einmal ist es im Saal mucksmäuschenstill.

Das Konzert des Grafinger Jugendorchesters im ausverkauften Alten Speicher in Ebersberg beginnt wild und laut und mit einer Panne: Ein kurzer Film zu Beginn erzählt, wie Maestra Hedwig Gruber ins Auto steigt, um zur Aufführung zu fahren. Die Karre raucht schon beim Start und bleibt schließlich liegen. Nach einem Notruf per Handy strömen die gerade noch probenden Orchestermitglieder im Nu zusammen und schieben das Fahrzeug zum Alten Speicher. Hier endet der von Noah Guthart am Klavier begleitete Film: Und da kommen sie auch schon angerannt, stürmen den Saal, rauf auf die Bühne, Trommelwirbel. Los geht's! So lustig kann der Anfang eines Konzerts sein. "Swingend notwendig", wie der erste Musiktitel verrät.

"Orchestra in Motion" ist das Motto des Konzerts, in dem eine gute Hundertschaft von Laien- und Profimusikern alles aufbietet, was an instrumentalem, aber auch komödiantischem Talent in ihr steckt. Der Name Grafinger Jugendorchester, genannt GJO, ist insofern ein wenig irreführend, als der Begriff Jugend mehrere Generationen umfasst. Jung sind auf jeden Fall die Begeisterung und der Einfallsreichtum des Ensembles. Etwas älter und musikalisch reifer ist das Orchester allerdings inzwischen geworden. Der sinfonische Klang ist runder, homogener, die Intonation sauberer, alle Stimmgruppen liefern beeindruckende Einzelleistungen ab, auch wenn, wie der charmante Conférencier Philipp Gassert erzählt, sich vor allem die Holzbläser notorisch für etwas Besseres halten.

Gassert baut mit seinen Geschichten zwischen den einzelnen Musikstücken Brücken, dies tut auf ihre Art auch Annette Schregle, weiblicher Clown, die sich mit poetischen Kunststücken ins musikalische Geschehen einmischt. So parodiert sie zum Beispiel vor der Aufführung des "Schwans" aus dem "Karneval der Tiere" von Saint-Saëns den Part der kleinen Ballerina, die gleich darauf ein Spitzensolo tanzt. Oder sie läuft auf Stelzen und lässt den jungen Pianisten David Khatchatrian bei dem Stück "The Artist" als Marionette an Strippen Klavier spielen. Tollpatschig, wie ein Clown nun mal ist, reißen ihr natürlich die Fäden, und die "Puppe" fällt in sich zusammen. An der Seite von Bruder und Klarinettist Harry Khatchatrian wird sie jedoch rasch quicklebendig. Eine wundervolle Nummer. Nur beim Andante, dem zweiten Satz des 2. Klavierkonzerts von Schostakowitsch, von Elisa Feser mit ergreifendem Ausdruck gespielt, hätte man auf die mit viel Gefühl agierende Spaßmacherin mit roter Nase und rotem Luftballon gerne mal verzichtet. Schostakowitschs Klavierkonzert steht gleich zweimal auf dem Programm. Den ersten Satz, ein von heftigen rhythmischen Kontrasten und stürmischen Motivfetzen geprägtes Allegro, spielt der junge Hamlet Ambarzumjan, Ausnahmetalent mit Karrierechancen.

Das Programm greift weit hinein in die Musikgeschichte. Vom Csardas, den Michael Beschorner als Violinsolist temperamentvoll interpretiert, bis zur "Café Rossini" genannten bayerischen Polkasuite mit Klezmerklängen von Irene Himpsl. Aufgeführt wird diese ansteckende Mitklatsch-Musik von einer eigens zusammengestellten Brass-Band samt Pianist. Und das alles auf einer Bühne, auf der es so eng zugeht, dass man aus den Instrumenten gelegentlich "die Luft rauslassen" muss, wie Gassert mit Blick auf ein sehr schmales Zupfinstrument erklärt, das bei den drollig in Szene gesetzten, ganz und gar nicht schwanengleichen "Georgian Danse Lessons" zum Einsatz kommt.

Kunststücke am laufenden Band. Auch die laut Gassert geplanten zehn Tenöre hätten kaum Platz, also bleiben beim "Nonsense Song" aus Chaplins Komödie "Moderne Zeiten" nur zwei übrig - Kilian Berger und Harry Khatchatrian. Und tiefer geht es in die Halbwelt der Schausteller und Komödianten. Darin ist Hanna Kreck eine Chansonette mit Charakter und Amelie Jost gibt ein glitzerndes Showgirl frisch vom Variété-Theater alter Schule.

Alle leisten hier Großartiges, Berührendes. Hedwig Gruber, verantwortlich für Gesamtkonzept und Leitung, hat das Jugendorchester zu einem Klangkörper mit hohem Niveau und einem Quell der Lebensfreude geformt, der die Herzen bewegt.

Weitere Aufführungen des Grafinger Jugendorchesters sind Dienstag und Mittwoch, 21. und 22. Juni, 19.30 Uhr, im Alten Speicher in Ebersberg.

© SZ vom 20.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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