Die schaffen das:Die Zukunft im Blick

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Mirjana Šimic kam mit vier Jahren von Kroatien nach Kirchseeon und musste hier erst Deutsch lernen. (Foto: Christian Endt)

Mirjana Šimic hilft Flüchtlingen, sich zu integrieren

Von Christian Endt, Ebersberg

Vor einigen Wochen saß Mirjana Šimic auf einem Podium in Kirchseeon, es ging um Flüchtlinge und den Arbeitsmarkt. Neben ihr saß der Chef eines Wirtschaftsverbands und sprach von einem "erheblich positiven Beitrag" und davon, dass man sich "gesellschaftlich Mühe geben" müsse. Es war die Rede von "kultureller Integration", von "Anschlussmöglichkeiten" und allerlei Maßnahmen. Solche Worte sind nicht Šimics Sache. Als sie an der Reihe war, sagte sie Sätze wie "In zehn Jahren Sprachkurs lernt man die Sprache nicht, wenn man sie nicht im Alltag anwendet".

Von den Schwierigkeiten beim Lernen einer neuen Sprache versteht im Landkreis Ebersberg wohl niemand so viel wie Šimic. Jahrelang hat sie selbst Kurse gegeben, bevor sie Anfang 2014 als Integrationsbeauftragte im Landratsamt anfing. Beim Studium in München hat die gebürtige Kroatin, die mit vier Jahren nach Kirchseeon kam und selbst erst einmal Deutsch lernen musste, Kroatistik im Nebenfach studiert und an der Volkshochschule Kurse in ihrer Muttersprache gegeben. "Die Bücher waren wirklich übel", sagt die 44-Jährige über diese erste Unterrichtserfahrung. Sie habe daher ganz schnell angefangen, selbst Material zusammenzustellen. Seither beschäftigt sie die Frage: Wie lernt man eine fremde Sprache? Wie kann man Kinder beim Sprachlernen unterstützen? Und damit verbunden: Wie funktioniert Integration?

Šimic machte ihren Abschluss im Studienfach Deutsch als Fremdsprache. Nach der Uni arbeitete sie als Dozentin in verschiedenen Kursen: An der Volkshochschule, für Austauschstudenten an der Uni, für Firmen, für Mütter, Sommerkurse, von "Elitemigranten bei Microsoft bis zu Leuten, die kaum schreiben konnten". Neugierig sei sie gewesen, wollte vieles ausprobieren. Später gab sie Fortbildungen für andere Dozenten, erforschte das Thema als wissenschaftliche Referentin.

Als Integrationsbeauftragte macht Šimic jetzt, wie sie sagt, "Vernetzungsarbeit". Sie bringt alle Beteiligten zusammen, die verschiedenen Stellen in ihrer Behörde, Arbeitsagentur, Jobcenter, Schulen, ehrenamtliche Helfer. Die Idee der Integrationsbeauftragten - Šimic ist die erste Inhaberin dieser Stelle - ist es, über das Tagesgeschäft und die sogenannten Pflichtaufgaben hinaus zu schauen: Was kann man machen, um die Integration von Zuwanderern zu erleichtern? Als sie vor knapp zwei Jahren anfing, lebten im Landkreis etwa 200 Asylbewerber; heute sind es mehr als 1000, die Zahl steigt Woche für Woche. Šimic spricht von einer "hohen Taktung", die ihre Arbeit inzwischen habe. Eine Seite ihres Eckschreibtisches ist komplett voll mit kreuz und quer gestapelten Papieren, Mappen, Ordnern. Dahinter steht auf dem Fensterbrett eine weiße Vase ohne Blumen. Und eine dekorative Maske, vielleicht aus Südamerika, Šimic weiß es nicht, sie hat sie von ihrem Vorgänger übernommen. Selbst mitgebracht hat sie nur die Fachbücher im Regal. Persönliche Gegenstände sucht man vergeblich. Das Foto von Mann und Tochter sei noch in einer Umzugskiste, da sie kürzlich den Raum gewechselt habe. Lieber versucht sie, sich trotz der hohen Arbeitsbelastung gelegentlich mal frei zu nehmen, "um wirklich Zeit mit der Familie zu haben, auch wenn es nur ein oder zwei Tage sind".

Ob ihr das Unterrichten fehle in ihrem Bürojob? Šimic überlegt. "Generell nicht", sagt sie. "Aber manchmal . . . manchmal bricht das schon durch." Wenn sie bei einem Asylbewerber verfolgen könne, wie er Fortschritte macht, "da freue ich mich schon besonders". Wie sie damit umgehe, wenn so ein erfolgreicher Lerner am Ende abgeschoben wird? Das bekäme sie meistens nicht mit. "So gut kenne ich die Menschen persönlich nicht, das ist ein Arbeitsverhältnis. Ich bin nicht so nah dran. Das wäre auch nicht gut."

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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