Diskussionsrunde:Weniger Arbeit, mehr Flexibilität

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Rege Diskussion: Eva Maria Volland, Cornelia Gütlich, Markus Brennhäußer und Michael Gütlich. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die DGB-Kreisvorsitzende Eva Maria Volland erläutert in Poing, wie Beruf und Familie besser vereinbar wären

Von Violetta Meier, Poing

"Die Qualität der Veranstaltung liegt nicht in der Zahl der Teilnehmer." Dieser Satz von Cornelia Gütlich beschreibt die Diskussionsrunde zum Thema "Beruf und Familie unter einem Hut - Wie soll das gehen?" ziemlich treffend. In den rustikal gehaltenen Räumlichkeiten der "Poinger Einkehr" hat sich eine sehr überschaubare Menge an Menschen versammelt, respektive neun. Sechs davon sind Frauen. Cornelia Gütlich, die Organisatorin des Diskussionsabends, sieht dies als Bestätigung für die Dringlichkeit des Themas: "Man kann das Problem schon daran erkennen, dass es ein Problem für die Menschen ist, hierher kommen zu können", sagt die Poinger SPD-Ortsvorsitzende.

Die Problematik gebe es überall, und eine Vereinbarkeit zwischen der Familie und der Arbeitsstelle sei kaum oder auch in vielen Fällen gar nicht möglich. Wortführerin an diesem Abend ist Eva Maria Volland, die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Ebersberg. Sie selbst hat keine eigenen Kinder, da sie sich intensiv ihrem Beruf widmet, wie sie sagt. Doch besteht wirklich eine Entweder-oder-Situation? Muss man sich entscheiden?

Die Vorsitzende beruft sich auf den "DGB Index Gute Arbeit" aus dem Jahr 2017, in dem die Rekordzahlen zur Anzahl der Beschäftigten in Deutschland bekannt gegeben wurden. Trotz dieses Rekordes sei in Deutschland jeder sechste Mensch armutsgefährdet. Dies sei auf die vermehrte Verbreitung von Minijobs, Leiharbeit und Zwangsteilzeit zurückzuführen. Des weiteren sei die ständige Erreichbarkeit, durch welche Arbeit auf Abruf immer häufiger werde, ein Problem. Unter anderem sollen Höchstarbeitszeiten dadurch oft nicht eingehalten werden. Auch die Flexibilitätsregelungen seien meistens nur zugunsten der Arbeitgeber ausgelegt. Die sogenannten Minijobs sollen außerdem in Alter zu Verarmung führen, was wiederum vor allem Frauen betreffe.

Das Problem sei somit gesamtgesellschaftlich zu betrachten. Zwar sei der Mindestlohn ein Erfolg, jedoch noch nicht hoch genug. "Vor allem befristete Arbeitsplätze führen zu Unsicherheit und niedrigen Rentenbeiträgen", sagt Volland. Denn bei der Rentenberechnung sei die Produktivitätssteigerung nicht beachtet worden, sondern ausschließlich der demografische Wandel. So fordert die DGB-Vorsitzende sowohl vollwertige Arbeitsplätze für Männer und Frauen, als auch eine Steigerung des Rentenniveaus. Als Schlüsselfaktor zur Lösung der Probleme sieht Volland die Arbeitszeit. "Das Thema der Arbeitsverkürzung muss wieder auf den Tisch!" Denn sogar eine 30-Stunden-Woche sei ohne weiteres möglich. Wenn dies nicht geschehe, so werden sich laut Volland noch deutlicher Zwei-Klassen-Arbeitsplätze entwickeln. Das bedeutet, es gäbe zum einen die "vollwertigen" Ganztagsarbeitsplätze und dem gegenüber Minijobs und Teilzeitstellen.

Denjenigen, die damit argumentieren, dass für die Verkürzung der Arbeitszeit das Geld nicht vorhanden ist, widerspricht Volland entschieden: "Abgesehen von der erhöhten Arbeitsproduktivität ist allgemein genug Geld da. Es geht also nur um die zu erreichende Verteilungsgerechtigkeit." Wie kann nun aber Beruf und Familie in der derzeitigen Arbeitswelt vereinbart werden? Sandra Kerscher, welche aus dem medizinischen Bereich kommt, hat selber zwei Kinder im Alter von zehn und 13 Jahren und wirft ein: "Retroperspektiv betrachtet bin ich sehr froh, nicht gezwungen gewesen zu sein viel zu arbeiten, als meine Kinder auf die Welt kamen. Doch ich halte es für völlig illusorisch, sofort völlig wieder einsteigen zu können." Denn wenn kleine Kinder nachts unruhig seien oder auch krank, so sei es für Mütter schwer, in Vollzeit zu arbeiten. Vor allem im Sozial-, Gesundheits- und Gastgewerbe sei die Belastung besonders hoch. Doch nach Abschluss der Elternzeit trete dann wiederum das Problem auf, dass die Mütter keine Vollzeitstellen mehr finden, wenn sie während der Elternzeit nicht oder in Teilzeit gearbeitet haben. Und dies, obwohl sie gerne wieder voll einsteigen würden.

Das alte Modell, dass Frauen für die Familie und Männer in finanzieller Hinsicht für den Beruf zuständig sind, müsse also überwunden werden. Dafür wäre es ein Lösungsansatz, einen rechtlichen Anspruch auf die vorherig ausgeübte Stelle in Vollzeit einzuführen. Die Menschheit könne es sich nicht mehr leisten, über die Fehlentwicklungen hinwegzusehen. Das Bewusstsein für solch existenzielle Probleme sei leider kaum mehr vorhanden und müsse daher wieder ins Gedächtnis zurückgerufen werden.

Insgesamt war sich die Runde, die rege diskutierte, am Ende einig, dass einige Maßnahmen unumgänglich sind, um mehr Gerechtigkeit zu schaffen: eine Arbeitszeitverkürzung, die Abschaffung von sachgrundlosen Befristungen von Arbeitsplätzen und der Anspruch auf eine Vollzeitstelle nach der Familienphase.

© SZ vom 06.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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