Diskussion:"Wir sind Handwerker"

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Der international gefragte Bassist Martin Zenker aus Kirchseeon lädt beim Jazz-Festival auch zu einer Talkrunde ein

Interview Von Alexandra Leuthner

Der Bassist Martin Zenker gehört zu den Machern des internationalen Jazz-Festivals in Ebersberg und Grafing, das vom 15. bis 22. Oktober stattfindet. Bereits 2015 hat der aus Kirchseeon stammende Musiker das erste Festival dieser Art mitorganisiert. Diesmal wird Zenker, der vor drei Jahren in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut begonnen hat, den Fachbereich Jazz an der Musikhochschule der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator aufzubauen, nicht nur musizieren, sondern auch viel sprechen: "Talking Jazz" ist eine Veranstaltung am Samstag, 21. Oktober, überschrieben; Untertitel: "Was Sie schon immer über Jazz wissen wollten, aber nie zu fragen wagten."

SZ: Herr Zenker, der Titel klinkt nach ganz erheblichen Berührungsängsten.

Martin Zenker: Ja? (lacht) Weiß ich nicht. Aber in Deutschland ist es schon so, dass Jazz ein gewisses intellektuelles Image hat, so dass viele denken, dass sie mehr tun müssten, als nur hingehen, wenn Sie ein Konzert besuchen.

Muss das denn sein?

Nein, im Gegenteil. Musik soll doch immer ein Genuss sein, so wie ein gutes Essen. Aber in der modernen Kunst geht es ja so oft um eine Message, eine Aussage, die man mitdenken soll. Dieser Anspruch ist viel zu groß. Aber das ist gerade in Deutschland stark ausgeprägt, das ist meiner Meinung nach ein kulturpolitisches Problem. Ein Kulturreferent muss ja immer erklären können, warum etwas förderungswürdig ist. Wenn er nur sagt 'das ist einfach schön', dann reicht das nicht.

Also, was antworten Sie Menschen, wenn diese Ihnen sagen, dass sie Jazz nicht verstehen?

Musik, Jazz, soll in erster Linie die Leute in den Herzen berühren. Wer versteht denn schon Mozart? Wer versteht Bach, wenn er nicht gerade ein Kompositionsstudium gemacht hat - und doch gehen die Menschen ins Konzert.

Und trotzdem wollen Sie Jazz nun erklären. Welche Fragen erwarten Sie denn?

Keine Ahnung. Aber ich halte seit zehn Jahren Vorlesungen im universitären Betrieb, ich bin für alles gewappnet. Ich sehe das aber nicht als Vortrag. Ich möchte vor allem zeigen, dass wir ganz normale Handwerker sind, denen es darum geht, gute Musik zu machen.

Ganz normale Handwerker? Ein guter Jazzer braucht doch ein bisschen mehr...

Naja, wenn man sich ansieht, wo der Jazz herkommt: Die alten Musiker haben sich tatsächlich als Handwerker betrachtet - und so sollte das Verständnis heute auch sein. Jazz heißt nicht, sich einen lustigen Hut aufzusetzen und ein zerknittertes Hemd zu tragen. Wichtig ist das Verständnis der Tradition, zu wissen, wo kommt diese Musik her. Solches Wissen, solche Kenntnis der Tradition und der Theorie befreit von Grenzen, sie engt nicht ein.

Ist denn eine klassische Musikausbildung, in der es ja mehr um korrekte Wiedergabe geht als um kreative Neuschöpfung, förderlich, damit jemand ein guter Jazzmusiker wird?

Wer eine klassische Ausbildung gemacht hat, ist ja schon mal handwerklich gut an seinem Instrument. Aber es gibt natürlich Unterschiede in der Herangehensweise, unter anderem in der Tonbildung. Eine klassische Ausbildung kann hinderlich sein, weil sie Schranken im Kopf aufbauen kann.

Das heißt?

Wenn ich ein Musikstück mit einem Gedicht vergleiche, dann heißt das, jemand, der klassische Musik macht, kann ein Gedicht auswendig lernen und es aufsagen, ohne dass er es verstehen muss. Der Jazzer muss das Gedicht verstehen, seinen Witz begriffen haben, dann kann er es in vielen Sprachen aufsagen und den Witz auch rüberbringen.

Und der Witz funktioniert in der Mongolei genauso wie bei uns? Ist die Sprache der Musik überall die selbe?

Nun, als ich dort hinkam, gab es Michael Bubblé und seine "Christmas Songs" und die Leute dachten, "das ist Jazz". Damals hat man in der Mongolei Jazz-Konzerte eher als Mittel gesehen, um mehr Bier zu verkaufen. Inzwischen haben wir nach drei Jahren die ersten Absolventen, eine Studentin macht gerade in München ihren Master. Der Wissensdurst ist groß und mittlerweile spielen wir in Opernhäusern vor 400 Leuten.

Ist das Publikum dort grundsätzlich anders als hier?

In Asien, vor allem in Japan, hat man ein fast klassisches Publikum, es ist sehr still und hört zu. Hinterher müssen sich die Musiker dann stundenlang unterhalten und jeder will ein Foto mit einem machen. Das Publikum in Deutschland ist auch ein tolles Publikum, während des Konzerts wird nicht gesprochen - anders als in den USA, wo alles mehr Entertainment ist und laut geredet wird, oder in Großbritannien. Dort ist es etwas bierseliger (lacht). Aber natürlich ist das Jazzpublikum hier ein Nischenpublikum, mit dem schon erwähnten intellektuellen Anspruch, es ist etwas hipper. Und es findet sich eher berufen, alles zu hinterfragen.

Denken Sie beim Spielen darüber nach, für welches Publikum Sie gerade spielen?

Das klingt vielleicht arrogant, aber letztlich sage ich: Nein. Wenn Arjen Robben ein Tor schießen will, dann überlegt er auch nicht, ob er gerade vor 70 000 oder vor ein paar hundert Leuten spielt, sondern konzentriert sich voll auf seine Aktion. So geht es uns auch. Hinterher aber ist der Applaus natürlich schon eine tolle Sache...

Werden Sie bei ihrem Termin in Ebersberg auch spielen oder nur reden?

Wahrscheinlich werde ich ein paar von meinen mongolischen Studenten mitnehmen, und dann kann es schon sein, dass wir etwas spielen, etwa, um kleinere Strukturen des Jazz zu erklären, das kann man gut am Instrument demonstrieren.

Hören Sie privat auch anderes als Jazz?

Ja, sicher, gerne auch Klassik, Ich habe ja selbst eine klassische Ausbildung ( Kontrabass, am Richard-Strauss-Konservatorium, Anm. d. Red.), ich bin ein großer Fan von Bruckner und Mahler. Aber nicht nur das: Die Beatles, zum Beispiel, kann man wunderbar anhören, hin und wieder auch mal musikalischen Fastfood... ich gehe ja auch gelegentlich zu McDonalds. Was ich aber nicht ertragen kann, ist Hip Hop oder Techno, wo der Beat, die Seele der Musik, einer Maschine übertragen wird.

Welche Erwartungen sollen Zuhörer eines Jazzkonzert mitbringen - und welche sollten sie besser zu Hause lassen?

Das Publikum hat nichts anderes zu erwarten, als dass der Musiker sein Bestes gibt. Als Musiker sollte man ehrlich sein und auf der Bühne etwas zu sagen haben - und das in jedem Moment.

"Jazz Talk" - Vortrag und Diskussion mit Bassist Martin Zenker, am Samstag, 21. Oktober, 16 Uhr, Einlass 15.30 Uhr, Musikschule Ebersberg, Kleiner Saal, Eintritt frei.

© SZ vom 05.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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