Die schaffen das (1):Die Macherin bewahrt Ruhe

Lesezeit: 3 min

Stefanie Geisler bleibt trotz eines in Asylangelegenheiten oft improvisierten Arbeitsalltags gelassen. (Foto: Christian Endt)

Als Asyl-Chefin des Landratsamts hat Stefanie Geisler gerade keinen leichten Job

Von Anselm Schindler

Wenn es im Ebersberger Landratsamt um die Verteilung, Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen geht, ist Stefanie Geisler die erste Ansprechpartnerin. Sie ist Chefin in Sachen "Asyl", wie man den Arbeitsbereich in der Behörde nennt. 50 neue Stellen sollen im Landratsamt kommendes Jahr verhindern, dass die Überforderung der Mitarbeiter im Umgang mit Asylbewerbern weiter zunimmt. Wenn Geisler über die neuen Mitarbeiter spricht, merkt man ihr die Erleichterung an. Bis dahin heißt es: Durchhalten.

Ernste Miene und ein Händedruck, der Sicherheit vermittelt: Es ist ein trüber Nachmittag und während in vielen anderen Büros langsam die Lichter ausgehen und den Feierabend ankündigen, umgibt Geisler noch so etwas wie ein angespannter Tatendrang. In diesen Tagen bleibt ihr auch gar nichts anderes übrig, als Motivation zu versprühen, auch weit über die regulären Arbeitszeiten hinaus. 50, 60 Stunden seien derzeit keine Seltenheit, so Geisler. Das, was sich sonst als Konstante durch den Amts-Alltag zieht, die immer gleichen Abläufe, klare Pläne und Strukturen, scheinen außer Kraft gesetzt: "Einen standardisierten Tagesablauf gibt es bei uns momentan nicht", erzählt sie. "Das kann man fast gar nicht koordinieren, da läuft viel auf Zuruf". Klar, die Tagespläne und To-do-Listen liegen trotzdem auf den Schreibtischen, doch diese Listen habe man aber an vielen Tagen "schon um neun oder halb zehn zerrissen.", sagt Geisler. Den improvisierten Unterbringungsmöglichkeiten, den Turnhallen und Feldbetten steht ein fast ebenso improvisierter Amtsalltag gegenüber.

Im September 2010 hat die 33-jährige Stefanie Geisler im Ebersberger Landratsamt angefangen. Von Anfang an war sie Abteilungsleiterin für Soziales, im vergangenen Jahr kam noch der Bereich Bildung mit dazu. Dass es so viel Arbeit sein wird, das konnte sie sich 2010 freilich nicht vorstellen. Doch den Job würde sie trotzdem wieder annehmen, sagt Geisler. Dazu gehört Idealismus, doch auch der klingt bei Geisler recht pragmatisch: "Der Job muss gemacht werden und man muss ihn gescheit machen."

Mit verschränkten Armen sitzt Geisler an einem kleinen, runden Konferenztisch. Neben ihr hat die Sachgebietsleiterin Marion Wolinski und die Integrationsbeauftragte Mirjana Šimic Platz genommen. Ein Dreiergespann der Macherinnen. Das personifizierte "Wir schaffen das". Zu schaffen ist die Situation freilich nicht ohne persönliche Abstriche: "Das kennt der Bekanntenkreis aber irgendwann: Ok, heute ist wieder mal Asyl", zitiert Geisler Freunde und Bekannte. Klar, es komme vor, dass gemeinsame Treffen "hinten runter fallen". Geisler ist verheiratet, aber ihr Mann verstehe, dass sie oft wenig Zeit habe. "Der ist keiner der sich beschwert, er versucht mich da zu unterstützen." Das Paar hat noch keine Kinder, Geisler glaubt aber, dass sich eine Familie auch mit ihrer Position vereinbaren ließen, darauf lege man im Landratsamt großen Wert.

"Wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein", steht auf einem Zettel an der Tür des Büros. Es ist eine Ausnahmesituation, die Geisler da koordinieren muss, da braucht es Durchhalteparolen. Zu ihrem Job gehöre es auch, "Mitarbeiter wieder aufzubauen", berichtet Geisler. "Es tut mir für die Mitarbeiter schon sehr leid, dass sie immer wieder kämpfen, sich bemühen und trotzdem gegen die Wand fahren", sagt sie. Es ist die Wand der Ignoranz vieler Bürger. "Wir tun nichts, wir tun zu wenig, wir tun zu viel für Asyl", lauten die Vorwürfe. Es ist eine tägliche Zerreißprobe, die Helferkreise fordern mehr Engagement und schnellere Abläufe, von den Stammtischen tönt "Und was machen die für uns" und dazwischen stehen die Behördenmitarbeiter. Die sollen es irgendwie allen recht machen und dabei stets freundlich bleiben. "Der Ton, der uns manchmal entgegenschlägt, ist schon krass", berichtet Geisler. Ob in solchen Situationen auch mal jemandem der Kragen platzt? "Von Seiten des Amtes - nein." Geisler lacht. "Wir sind da immer sachlich und bemüht."

Geisler redet viel vom Amt und von ihren Mitarbeitern, auch bei persönlichen Fragen. Und sie selbst? "Als Führungskraft muss man sich da mehr abgrenzen." Natürlich habe man aber auch ihr schon Schimpfwörter an den Kopf geworfen, erinnert sich Geisler ohne mit der Wimper zu zucken. "Ich will das gar nicht wiederholen." Geisler muss in schwierigen Situationen Ruhe zu vermitteln, da ist wenig Platz für Beschwerden und Hilferufe. Man muss schon sehr genau zuhören, wenn man erfahren will, was nicht glatt läuft. Auch wenn es um die Unterbringung von Flüchtlingen gehe, seien es die Untertöne, die die Musik machen: "Bei manchem muss man aber mehr hinarbeiten" sagt Geisler mit Blick auf die Zusammenarbeit mit den Gemeinden bei der Suche nach Wohnraum. Der Arbeitsbereich Asyl bedeutet für Geisler vor allem Geduldsarbeit. Und das wird wohl noch einige Zeit so bleiben.

© SZ vom 05.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: