Der Sport im Ort:Konzentriert auf die Kugel

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Jeder Schritt muss passen: Nadine Handschuher von den Poinger Sportkeglern gehört zu den talentiertesten Nachwuchs-Keglerinnen in Bayern. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die 15-jährige Nadine Handschuher von den Poinger Sportkeglern hat den Sprung in den Bayern-Kader der U 18 geschafft. An diesem Wochenende tritt sie im Finale der Münchner Meisterschaften an

Von Alexandra Leuthner, Poing

Die schwere Kugel hat keine Löcher, in die man, wie beim Geburtstagsbowling mit den Kollegen, die Finger stecken könnte, damit sie nicht abrutschen. Fast drei Kilo wiegt sie und muss so in der Hand liegen, dass sie im Gleichgewicht ist, wenn die Keglerin anläuft, Maß nimmt, schiebt. Weich löst sie sich von ihrer Handfläche, landet mit entschiedenem, aber maßvollem "Plock" auf der blauen Bahn, zielt schnurgerade auf die neun Kegel zu.

"Aber, nein, heruntergefallen ist sie mir noch nie." Nadine denkt kurz nach, schüttelt dann den Kopf, fast erstaunt über die Frage. Vor fünf Jahren hat die jetzt 15-Jährige angefangen, beim Sportkegelklub SKK 98 Poing zu trainieren - und dass sie Talent hat, war ganz schnell klar. Erwin Zimmermann, Vorsitzender, Trainer und mehrmals bester Kegel-Schiedsrichter der Welt, trainiert jede Woche mit der Kegel-Jugend des SKK, doch die 58 Nachwuchskegler zwischen sechs und 18 Jahren, die zu dem ehrgeizigen Verein gehören, reichen ihm nicht: Er holt regelmäßig Schüler auf die Bahn, ein gemeinsames Projekt des Sportkegelvereins und der Poinger Schulen. "Man sieht schon, wenn ein Kind mit der Kugel in der Hand beginnt zu laufen, ob es Talent hat", erklärt er. "Ein gewisses Körpergefühl gehört auf jeden Fall dazu."

Aber das ist es nicht allein; die Kombination aus Konzentration, Übersicht, dem Anfixieren des Ziels machen den Unterschied aus zwischen denjenigen, die nie wieder auf eine Kegelbahn zurückkehren und denen, die bleiben. Und dann kommt der Ehrgeiz dazu. Nadine Handschuher hat davon jede Menge. Wenn sie über ihren Sport spricht, dann erzählt sie vor allem von der Freude, die es macht, gut zu sein. "Wenn man gewinnt, dann ist das schön", schwärmt sie. Da macht es ihr auch nichts aus, zweimal in der Woche den weiten Weg zum Training nach Poing zu kommen. Entweder sie nimmt nach der Schule die S-Bahn von Oberhaching aus, oder ihre Mutter, selbst erfolgreiche Sportkeglerin beim SKK, fährt sie mit dem Auto in den Münchner Südosten oder zu den Wettkämpfen. Mit der dritten Damenmannschaft des SKK 98 - die beiden ersten Mannschaften sind in der ersten und zweiten Bundesliga - spielt Nadine künftig in der Landesliga, das heißt: Am Wochenende geht es regelmäßig zu Spielen irgendwo in Bayern. Ihre Trainerin ist dann neben Erwin Zimmermann die Nationaltrainerin der U23, Ingrid Eichler. Und die Schule? Nadine besucht das Gymnasium in Oberhaching. "Da mache ich nicht so viel", gesteht sie, um dann aber hinzuzusetzen: "Wenn ich auf der Kippe stehe in einem Fach, lerne ich auf jeden Fall für die bessere Note."

Jetzt, am späten Nachmittag, hat sie die Bahn für sich allein. Man sieht ihrem Körper im rot-weiß-schwarzen Trikot des Vereins, den muskulösen Beinen in der kurzen Hose an, dass sie viel Sport treibt. Sportkegeln ist nichts für Schreibtischhocker. Joggen und Tanzen betreibt sie "als Ausgleichssport, wie ihr Trainer erzählt. Von ihrem Heimatort aus fährt sie gerne mit dem Fahrrad zum Tanztraining bei den erfolgreichen Taufkirchner Funky Dancers - natürlich auch das regelmäßig. Nadine pflegt grundsätzlich den professionellen Anspruch. Koordination und Sportlichkeit, wie sie beim Modern Dance gefragt sind, passen perfekt zum Kegeln. "Wer gut kegeln kann, kann auch tanzen", sagt Trainer Zimmermann - ein Zitat, wie er hinzufügt. "Aber es stimmt."

Immer wieder stellt sich Nadine in der Ruhe der vier blauen Plattenbahnen im Keller unter dem Poinger Sportpark exakt an die Startmarkierung, den Blick auf den Anlauf vor ihren Füßen gerichtet, macht genau drei Schritte, mit dem vierten bremst sie ab, schwingt, lässt die Kugel los. Nicht zu früh, damit nicht zu viel Strecke zur Länge der Bahn hinzukommt, nicht zu spät: Eine Lichtschranke meldet, wenn Fuß oder Hand in die Bahn hinein ragen und jeder ungültige Schub kostet im Wettkampf Punkte.

Über vier Bahnen geht so eine Konkurrenz. Das heißt, 120 Würfe muss jede Keglerin einer Mannschaft absolvieren, das Endergebnis wird dem der gegnerischen Mannschaft gegenüber gestellt. Möglichst viel "Holz" werfen, lautet also die Devise. Nadine kann das. Um die 100 Wettkämpfe habe sie schon bestritten, erzählt ihr Trainer, in der 1. Jugendbayernliga, der höchsten Spielklasse in Bayern, "sie hat fast immer gewonnen", setzt er hinzu. Nun hat sie bei einem Talentsichtungslehrgang in der Oberhachinger Sportschule den Sprung in den Bayern-Kader der U 18 geschafft und tritt an diesem Wochenende im Finale der Münchner Meisterschaften gemeinsam mit 14 anderen jungen Sportkeglern vom SKK 98 an. Ihr Trainer ist zuversichtlich, dass sie mit der Siegestrophäe nach Hause kommt - vielleicht werden es sogar zwei für die Familie: Nadines kleiner Bruder spielt bereits in der U 10, "und er wird mit Sicherheit auch Münchner Meister".

© SZ vom 14.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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