Demo in Ebersberg:Das erhoffte Signal

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Die Veranstaltung hat gezeigt, dass eine deutliche Mehrheit dieses Land weiter offenhalten will

Von Thorsten Rienth

Vier Neonazis, die das Ebersberger Jugendzentrum AJZ überfallen und verwüsten (2004). Poinger Werbetafeln, aus denen jemand Hakenkreuze herausschneidet (2008). Ein in ein Aßlinger Maisfeld getrampeltes 20-mal- 20-Meter-Hakenkreuz (2010). "Tod den Moslems"-Schmierereien am Gymnasium Grafing (2011). Ein stilisiertes KZ-Eingangstor mit "Arbeit macht frei"-Schriftzug, Deportationszug sowie zwei Galgen am Grafinger Stadtbahnhof (2014). Der Überfall von Rechtsextremen auf den von Afghanen betriebenen Ebersberger Bahnhofskiosk (2015). "IS-Parasiten-Idyll"- und "Wacht auf"- Parolen in Grub (2017). Eine Whatsapp-Gruppe von Vaterstettener Realschülern, die Bilder von Adolf Hitler teilen (2019).

Solche Aufzählungen mögen nachtragend daherkommen. Aber sie zeigen, wie sich Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in böser Regelmäßigkeit durch die jüngere Geschichte des Wohlstands-Landkreises ziehen - und in selbigem auch nicht lokal begrenzt sind. Es mag sich drüber spotten lassen, dass manche von ihnen nicht einmal den "Wihte Power"-Schriftzug (Poing, 2015) ohne Schreibfehler an die Wand bekommen. Verharmlosen lässt sich das Gedankengut dahinter freilich nicht.

Umso beeindruckender, wie sich die Ebersberger am Samstag dagegenstemmten, alle miteinander: Paketfahrer und Kinderpfleger, Erzieher und Uni-Prof, Trachtler und Punk, Kirchgänger und Atheist, Konservativer, Liberaler, Linker und Öko. Oder, wie es Landrat Robert Niedergesäß treffend formulierte: Das breitestmögliche demokratische Spektrum. Natürlich war dieser bunte Tross genau das erhoffte Signal, das die Organisatoren senden wollten.

Solche Demonstrationen sind der beste Weg, um sich davon nicht beirren zu lassen: Eine deutliche Mehrheit will dieses Land weiter offenhalten. Ihr ist klar, dass die Formulierung von der Unantastbarkeit der menschlichen Würde eben nicht nur von aller staatlicher Gewalt zu schützen ist - sondern von einer bekennenden Zivilgesellschaft und als sinnstiftendes Element der Gemeinschaft. Zu jedem Anlass, zu jeder Zeit, in jeder Stadt.

Es mag Teile der Welt geben, die grau, düster und voller Hass sind. Der Landkreis und gerade die Kreisstadt gehören nicht dazu. Hier ist die Welt bunt, offen, voll gegenseitigem Respekt und Toleranz - dieser Teil der Welt ist wunderbar! Zumindest ist sie das am Samstagnachmittag gewesen.

© SZ vom 18.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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