Daumen drücken!:Saiten, Tasten, Töpfe

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25 hoch motivierte Kinder und Jugendliche aus dem Landkreis treten am Wochenende beim Regionalentscheid von "Jugend musiziert" an

Von Alexandra Leuthner

Emailletöpfe sind viel besser als solche aus Edelstahl. Hätten Sie's gewusst? Aber bevor jetzt jemand in die Küche läuft und anfängt, alles wegzuwerfen, was ihm Jahre lang gute Dienste getan hat, sollten wir schnell eines nachschieben: Wer noch nie versucht - und auch nicht vor hat - mit einem Kochlöffel Klänge auf seinen Töpfen zu erzeugen, der kann seine moderne Edelstahlkollektion ruhig behalten.

Bei den Schackows in Grafing ist das etwas anderes. Auch ohne dass Sohn Johannes auf Kochtöpfen trommelt, ist das Haus immer voller Musik. Mama Constanze gibt Klavierunterricht und übt für die gemeinsamen Auftritte mit ihrer Klarinette spielenden Tochter Anna als Duo Macore. Johannes' älteste Schwester hat den Kontrabass nur vorübergehend auf die Seite gestellt, weil sie zum Studium außer Haus ist, der Vater hat lange Bratsche gespielt. Und so kam der Bub zu den Kochtöpfen. Als Dreikäsehoch zog er sie aus Mutters Schrank, um darauf zu trommeln. Inzwischen hat er das Ganze professionalisiert. Der 13-Jährige tritt mit seinem bunten Klangwerk am kommenden Wochenende in München beim 56. Regionalwettbewerb "Jugend musiziert" an.

Wobei es mitnichten egal ist, in welcher Reihenfolge er die Töpfe bearbeitet. Das Stück, das er spielt, legt genau fest, wann der Schneebesen in welchem Topf rühren muss, und in welchem Rhythmus der Kochlöffel auf einem anderen zu landen hat. Ist auch nicht anders als bei einer Fuge von Bach oder einer Beethoven-Sonate. Jede Note muss sitzen, Improvisation ist nicht erwünscht. Sämtliche Emailletöpfe der Familie habe man zusammensuchen müssen, um die richtige Intonation zusammenzustellen, erzählt Johannes' Mutter.

Johannes ist eines von 25 Kindern, die den Landkreis Ebersberg beim diesjährigen Regionalwettbewerb vertreten. Öffentliche Auftritte ist er gewöhnt, spielt er doch seit vier Jahren beim Grafinger Jugendorchester, und zwar nicht auf Töpfen. Er beherrscht nicht nur klassisches Schlagzeug, sondern spielt seit einigen Jahren auch Marimbaphon. Beim Wettbewerb muss er in drei Stücken beweisen, dass er eine breite Palette an Schlaginstrumenten beherrscht - "und dass ich nicht nur draufhauen kann", schiebt er nach.

Stücke aus verschiedenen Epochen müssen auch Anna Sophia Geuenich und ihre beiden Geschwister Johann Jakob und Georg Ferdinand aus Egmating beherrschen. Anna und Georg treten mit der Geige an, Johann mit dem Cello, Streichinstrumente werden beim diesjährigen Wettbewerb solo bewertet. Die 16-jährige Anna fährt zum dritten Mal zum Regionalwettbewerb, einmal hat sie es schon bis zum Bundeswettbewerb geschafft. Ihr Bruder Johann Jakob, er ist 14, hat bereits einmal eine Weiterleitung zum Landeswettbewerb bekommen. Nur der sechsjährige Georg ist zum ersten Mal dabei. "Ich spiele, seit ich vier war", erzählt Anna Sophia. Und schuld war die Patentante. "Die war mit ihrer Geige bei uns und die fand ich so toll, dass ich das unbedingt auch machen wollte." Die Begeisterung ist ihr geblieben, eineinhalb Stunden am Tag arbeitet sie auf ihrer Geige am Pizzicato und Legato, "und wenn eine Passage mal nicht läuft, dann können das auch mal zwei Stunden werden".

Was wohl genau die Einstellung ist, welche die Vaterstettener Klavierlehrerin Martina Hußmann meint, wenn sie erklärt, dass ein Schüler "brennen" müsse für sein Instrument. Hußmann arbeitet an den Musikschulen Vaterstetten und Ebersberg. Seit 30 Jahren gibt sie Unterricht, seit zehn Jahren schickt sie regelmäßig Schüler zu "Jugend musiziert". In David Khatchatrian hat sie diesmal auch einen alten Hasen im Rennen. Er tritt mit einem Freund im Duo Klavier und Holzblasinstrument an, im Vorjahr hat er es als Klaviersolist in den Bundeswettbewerb geschafft und sich einen ersten Preis erspielt. "David ist so einer, bei dem ich schon sehen konnte, dass er den richtigen Biss hat, als er neun war", lobt Hußmann. Aber nicht nur das. "Ganz wichtig ist, dass die Familie dahinter steht." Und das heiße nicht, das Kind ständig zum Üben zu nötigen - auch wenn man schon mal auf jene mit großem Talent aber wenig Ehrgeiz "mit Engelszungen einreden" müsse. "Es ist ja schlimm, wenn man sieht, dass sie nichts daraus machen." Viel mehr als das Fordern sei aber die Unterstützung von zu Hause wichtig. "Bei David ist immer sein großer Bruder Harry dabei, der blättert die Seiten um." Und wenn es ihm nötig scheint, krempelt er dem kleinen Bruder auch die Ärmel hoch - "weil es cooler aussieht".

Tatsächlich gehe es bei "Jugend musiziert" längst nicht mehr nur um Tastensicherheit und Interpretation, sondern auch um Auftreten, Bühnenpräsenz, und, bei Ensembles, um die Fähigkeit der Kinder, miteinander musikalisch zu kommunizieren. Wer unter Stress zusammenzubrechen drohe, "den brauche ich gar nicht erst hinschicken", sagt Hußmann. Auch dann nicht, wenn die Eltern das unbedingt wollten. Denn natürlich gebe es die auch, die Überehrgeizigen; solche, die sich beschweren, wenn die Tochter nur 24 von 25 möglichen Punkten bekommen hat. "Das sind die Schattenseiten", sagt Hußmann. "Ich rate jedem, sich das mal vorher anzuschauen, auch den Eltern, um zu sehen, wie das ist." Die Begabten aber, Kinder, die vielleicht vorhaben, die Musik zu ihrem Beruf zu machen, "die können unheimlich profitieren", sagt Hußmann. Sie selbst genieße den Austausch, mit Juroren, mit anderen Lehrern, "das ist wie eine große Familie."

© SZ vom 25.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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