Buchpräsentation:Funken des Forschens

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Das neue Jahrbuch des Historischen Vereins versammelt zwölf hochinteressante Kapitel zu Geschichte und Kultur: kunsthistorische Analysen, Sittengemälde, Krimis und Porträts

Von Anja Blum

Wunderschön dunkelgrün-glänzend wie der Forst sind sie - und nehmen mittlerweile im Regal eine beachtliche Breite ein: die Jahrbücher des Historischen Vereins für den Landkreis Ebersberg. Die zwanzigste Ausgabe ist gerade erschienen und der Vorsitzende Bernhard Schäfer freute sich sichtlich bei der Präsentation - denn zum Jubiläum durfte der Band "wieder einmal etwas dicker sein". Eine Selbstverständlichkeit sind die 300 Seiten nicht, ist die Herausgabe des Jahrbuchs doch stets die größte Investition des Vereins. Mit etwa 10 000 Euro schlug sie 2017 zu Buche, eine Summe, an die der Verkaufserlös bei weitem nicht heranreichte. Trotz Unterstützung von Landkreis und Gemeinden wies die Bilanz des Vereins 2017 ein Minus von 180 Euro auf. "Die Jahrbücher sind aber unser Aushängeschild", sagte Schäfer, "deswegen sollten wir hier nicht sparen". Allerdings kündigte er an, dass man über eine maßvolle Erhöhung des Mitgliedsbeitrags nachdenke: Momentan liegt dieser bei 25 Euro pro Person, darin ist das aktuelle Jahrbuch, Kostenpunkt 20 Euro, inbegriffen, und auch die Teilnahme an den Veranstaltungen ist für Mitglieder kostenlos.

Für die Präsentation der Jubiläumsausgabe hatte der Historische Verein drei prominente Referenten eingeladen: die drei neuen Kreisheimatpfleger Natascha Niemeyer-Wasserer, Thomas Warg und Sepp Huber. "Land um den Ebersberger Forst - Beiträge zur Geschichte und Kultur" lautet auch wieder der Titel der neuesten Sammlung, anhand derer die drei Referenten die Zuhörer im Sitzungssaal des Landratsamts mit auf einen unterhaltsamen historischen Spaziergang nahmen. Zwölf Kapitel enthält die 20. Ausgabe - und die drei Referenten waren voll des Lobes. Auch dank dieser Jahrbücher werde das Netz an Informationen über die Geschichte des Landkreises immer engmaschiger geknüpft, sagte Historiker Warg. "Zwar schreiben oft die gleichen Autoren über ähnliche Themen, aber das bedeutet nur, dass sie sich weiterentwickeln, dass sie entweder noch weiter in die Tiefe beziehungsweise Breite gehen oder ihren Fokus verschieben, zum Beispiel auf eine andere prominente Figur."

Zusätzlich zur Lektüre des ersten Beitrags empfahl Kunsthistorikerin Natascha Niemeyer-Wasserer gleich noch eine Veranstaltung: Am Tag des offenen Denkmals im September solle man sich unbedingt die Turmkapelle von Sankt Andreas in Oberpframmern ansehen - und vorher den Artikel von Gerald Dober und Lisa Marie Otto lesen. Darin nämlich widmen sich der Kunsthistoriker aus Wasserburg und die Restauratorin aus Chemnitz den spätromanischen Wandmalereien, die an den Wänden des Kirchenraums zum Vorschein gekommen sind, "einfach, weil der Putz so langsam abgebröckelt ist". Zwar seien die Malereien in der Turmkapelle nur sehr bruchstückhaft erhalten, so Niemeyer-Wasserer, doch es lohne sich, genauer hinzusehen: "Man muss sich hier erst einmal einschauen, und wenn man etwas über das Thema weiß, ist es erstaunlich, wie viel man entdeckt." Außerdem sei geplant, die Fresken mit Informationstafeln zu bestücken, "die dann erst recht für Genuss und Diskussionsstoff sorgen". So manche spannende Frage, etwa zur Entstehungszeit der Malereien, werde nämlich auch in der neuen kunsthistorischen Analyse nicht abschließend beantwortet.

Die Aufklärung eines alten Irrtums verspricht der Aufsatz von Otmar Langwadt, Bauingenieur aus Markt Schwaben. Er beschäftigt sich mit dem Wappen seines Heimatorts, das ein weißer Falke mit weit aufgespannten Flügeln ziert. Dabei legt der Autor dar, dass die Herkunft des Wappens nicht, wie lange angenommen, auf Falkenstein bei Flintsbach im Landkreis Rosenheim zurückgeht, sondern auf Falkenberg bei Moosach im Landkreis Ebersberg. "Dort nämlich lag damals der zuständige Verwaltungssitz", erklärte Warg.

Bilder der Vergangenheit: Restauratorin Lisa Otto und die Fresken in Oberpframmern. (Foto: Christian Endt)

Ein schönes Schlaglicht auf Ebersberger Vorfahren und ihre Zeitumstände wirft Christopher Kast, Historiker aus Oberpframmern. Er blickt zurück ins Jahr 1478, auf einen Prozess zwischen einem Münchner Maler und dem Abt Sebastian Häfele. Letzterer hatte den Lohn für Arbeiten am Kloster Ebersberg nicht bezahlt - laut Warg ein schier unerhörter Umstand. "Dieser Abt ist ansonsten nämlich bestens bekannt für sein segensreiches, auch wirtschaftlich vorbildliches Wirken." Doch letztlich habe der Maler seine acht Gulden aus Ebersberg selbstverständlich erhalten.

"Wie ein Krimi" zu lesen ist laut Niemeyer-Wasserer Hans Hubers Beitrag über das Örtchen Bruck als eine Hochburg des Protestantismus. Der Ex-Schulrektor aus Taglaching widmet sich den Herren von Maxlrain und von Pienzenau, die der neuen Lehre Luthers sehr zugewandt waren. "Da erfährt man auch ganz viel über den damaligen Alltag, zum Beispiel wird ausgiebig geschimpft über die Verrohung der katholischen Pfarrer", so die Kunsthistorikerin.

Thomas Freller, Historiker aus Jagstzell, treibt in einer Miszelle seine spannenden Forschungen zum Malteserorden weiter. Diesmal zeigt er das Kloster Ebersberg als "Spielball spätabsolutistischer Kirchenpolitik". Da dieses Ordenshaus ja auf eine höchst bewegte Geschichte zurückblickt, gab Thomas Warg, geschult von unzähligen Stadtführungen, den Zuhörern seiner Präsentation ganz nebenbei noch eine schöne Eselsbrücke mit: "Das ist wie im ABC: Erst waren dort die Augustiner, dann kamen die Benediktiner, später die Jesuiten und zum Schluss die Malteser."

Afrikaforscher Kurt Heuser. (Foto: Veranstalter/oh)

Einen kleinen Exkurs unternahm Warg bei seiner Vorstellung des Beitrags über Anton von Hofstetten von Falkenberg, der im Jahr 1819 Abgeordneter des ersten bayerischen Landtags war. Dessen Autor Peter Maicher, bis 2009 als dessen Direktor selbst dem Landtag verbunden, war Warg nämlich bereits vor Jahrzehnten begegnet - Maicher war junger Referendar in Zorneding, Warg sein Schüler. "Und ohne ihn würde ich heute nicht hier stehen, denn er hat in mir damals schon den Funken zum Forschen gezündet", schwärmte der Historiker.

Zwei interessante Biografien liefern Martin Ziller, Heimatforscher aus Dorfen, und Monika Mündel, pädagogische Mitarbeiterin des Waldmuseums Ebersberg. Ersterer beleuchtet das außergewöhnliche Leben des königlichen Kammersängers und Gutsbesitzers Heinrich Vogl, der einige Zeit im Landkreis gelebt hat: "Heute singt er Tristan, morgen fährt er Mist an." Das zweite wunderschöne Porträt widmet sich Schwester Pascalina, "einer Römerin aus Ebersberg": Wie Niemeyer-Wasserer erklärte, wollte die junge Josefine Lehnert eigentlich als Missionsschwester nach Afrika gehen, doch der Erste Weltkrieg kam dazwischen. Also führte sie den Haushalt des italienischen Nuntius Eugenio Pacelli in München - und folgte ihm, dem späteren Papst, als Privatsekretärin und Ratgeberin in den Vatikan. "Schwester Pascalina war eine sehr rührige, kluge und einflussreiche Frau." Die Historie der Kirche Sankt Josef in Kirchseeon legt der Ebersberger Geschichtsforscher Hans Sichler in einer Chronik mit Fotodokumentation dar.

Die schlecht besoldeten Lehrer sollten sich nicht zum "Hanswurst" machen müssen, deshalb forderte Anton von Hofstetten für sie mehr Geld. (Foto: Veranstalter/oh)

Nur einen Aufsatz stellte der dritte Kreisheimatpfleger Sepp Huber vor - doch dafür war er genau der Richtige: Lorenz Wachinger, Theologe und Psychologe aus München, sowie die beiden Pädagogen Willi Kneißl aus Gelting und Werner Schmidt aus Markt Schwaben haben altbairische Sprichwörter, Redensarten und Wetterregeln gesammelt. "Weit feit's, sag'n d' Leit, d' Leit wiss' n an Dreck, es feit so weit net", lautet der richtungsweisende Titel des Beitrags. Huber als neuer oberster Brauchtumswächter lobte den oft hintergründigen Sinn solcher "komprimierter Weisheiten" und beklagte doch den fortschreitenden Verlust des Dialekts. "Damit wird er degradiert zu musealer Präsenz und verliert seine Bedeutung als praktische Hilfe im Leben", sagte Huber. Er selbst habe als Landwirt die alten Bauernregeln zum Beispiel immer zu schätzen gewusst. Und nicht nur das: Der Wahlspruch seines Vaters, den dieser sich im Zweiten Weltkrieg zugelegt habe, - "Liaba fümf Minut'n feig, als mei Lebtag dot" - besitze auch noch heute seine Gültigkeit - und zwar im Straßenverkehr.

Zu guter Letzt beinhaltet das Jahrbuch wieder zwei Sonderbeiträge: Antje Berberich, Leiterin des Ebersberger Stadtarchivs, berichtet von Kurt Heuser, geboren 1903 in Straßburg, gestorben 1975 in Ebersberg - und macht damit auf eine von ihr geplante Ausstellung aufmerksam: Der Autor, Forscher und Künstler von internationalem Rang soll im Herbst 2018 mit einer Dokumentation im Ebersberger Rathaus wieder in Erinnerung gebracht werden. Außerdem möchte sie das Stadtarchiv zu einer "Wissenschaftlichen Forschungsstätte Kurt Heuser" machen: "In absehbarer Zeit wird sämtliches Material aus dem Nachlass für Studenten, Literaten, Filmwissenschaftler und Afrikaforscher verfügbar gemacht", kündigte sie an. Das könnte die erste öffentliche Forschungsstätte dieser Art im Landkreis sein.

Der Kapplmairbauer, Vater von Autor Lorenz Wachinger, 1935 mit Knecht und zwei Söhnen. (Foto: Veranstalter/oh)

Beschlossen wird das 20. Jahrbuch des Historischen Vereins mit einer tiefen Verneigung vor Max Krammer, dem 2017 verstorbenen Kreisheimatpfleger. Unter dem Titel "Ein Leben für die Heimat" sind drei Ansprachen dokumentiert, die beim Trauergottesdienst in der Pfarrkirche Ebersberg gehalten wurden. Zu Wort kommen Bürgermeister Walter Brilmayer, Landrat Robert Niedergesäß und Martin Wolzmüller, Geschäftsführer des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege. Alle drei würdigen in bewegenden Worten Krammers unschätzbar wertvolles und unglaublich umfassendes Wirken für die Geschichte und Kultur des Landkreises. Der Historische Verein verlor in Krammer nicht nur ein langjähriges Mitglied, sondern auch einen wichtigen Partner.

"Land um den Ebersberger Forst - Beiträge zur Geschichte und Kultur", Jahrbuch des Historischen Vereins für den Landkreis, Nummer 20: erhältlich in den Buchhandlungen des Landkreises, im Museumsladen in Grafing oder beim Verein selbst unter (08092) 33 63 73 oder www.ebersberger-historie.de. Der Preis beträgt 19,90 Euro.

© SZ vom 27.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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