Bilanz 2017:Knausriger als erlaubt

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Zoll ermittelte im Landkreis 34 Mal wegen Mindestlohn-Prellerei

Im Landkreis Ebersberg gibt es weiterhin Unternehmen, die ihren Beschäftigten weniger als die gesetzlich vorgeschriebenen 8,84 Euro pro Stunde zahlen. Davon geht die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten aus. Die NGG München verweist dabei auf eine Bilanz der Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim zuständigen Hauptzollamt Rosenheim. Im Landkreis Ebersberg leiteten die Beamten im vergangenen Jahr insgesamt 34 Ermittlungsverfahren gegen Arbeitgeber ein, die gegen das Mindestlohngesetz verstoßen haben.

Nach Einschätzung der Gewerkschaft ist das jedoch lediglich die "Spitze des Eisbergs". Die Dunkelziffer liege deutlich höher. "Es kann nicht sein, dass im dritten Jahr nach seiner Einführung noch immer viele Menschen unterhalb des gesetzlichen Minimums verdient haben", kritisiert Mustafa Öz, Geschäftsführer der NGG München. Wie groß das tatsächliche Ausmaß der Mindestlohn-Prellerei sei, zeige eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Danach erhielten im Jahr 2016 bundesweit rund 1,8 Millionen Beschäftigte weniger als den Mindestlohn. Besonders betroffen ist das Hotel- und Gaststättengewerbe: Dort bekamen damals 38 Prozent der Mitarbeiter einen Lohn, der unterhalb des gesetzlichen Minimums lag, so eine Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung.

Gewerkschafter Öz beklagt zugleich eine mangelnde Kontrolldichte beim Zoll. Dies zeige gerade der Blick auf das Gastgewerbe. "2017 wurden im gesamten Bereich des Rosenheimer Zolls 273 Betriebe der Branche geprüft. Allein im Landkreis Ebersberg gibt es nach Angaben der Arbeitsagentur jedoch 239 Hotels, Gaststätten und Restaurants", so Öz weiter. Bei der Zollstatistik beruft sich die NGG München auf eine Auswertung des Bundesfinanzministeriums für die Bundestagsabgeordnete Beate Müller-Gemmeke (Grüne). Danach prüfte das Hauptzollamt Rosenheim im vergangenen Jahr quer über alle Branchen hinweg insgesamt 1636 Arbeitgeber auf Schwarzarbeit, Lohn-Prellerei und Steuerhinterziehung. Für die Verstöße gegen den gesetzlichen Mindestlohn verhängten die Kontrolleure Bußgelder in Höhe von rund 41 200 Euro."Wir brauchen deutlich mehr Kontrollen, um betrügerischen Chefs das Handwerk zu legen", fordert Öz. Dafür müsse die Finanzkontrolle personell kräftig aufgestockt werden. Kein Verständnis hat der Gewerkschafter für die Klagen der Arbeitgeber, die Dokumentationspflichten brächten zu viel Bürokratie. "Das genaue Aufschreiben der Arbeitszeit ist absolut nötig. Darauf schaut der Zoll bei den Kontrollen auch zuerst. Nur wenn die Arbeitszeiten erfasst werden, lässt sich Lohnbetrug verhindern." Das Mindestlohngesetz sei kein Papiertiger. Es sichere in der Region Tausenden Beschäftigten ein Existenzminimum.

Anfang 2019 steht die nächste Erhöhung des Mindestlohns an. Die NGG - zugleich Mitglied der Mindestlohnkommission - plädiert für ein deutliches Plus: "Aus 8,84 Euro muss rasch etwas Zweistelliges werden", sagt Öz. Kritik übt er an den Verantwortlichen der Hotel- und Gaststättenbranche. Nur ihrer "Tarifflucht" sei es zu verdanken, dass viele Beschäftigte im Gastgewerbe überhaupt mit der Lohn-Untergrenze abgespeist würden.

© SZ vom 23.05.2018 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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