Bewegte Geschichte:Vom Melkkurs zur Genotypisierung

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Die Arbeit in Grub hat sich in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend gewandelt

Von Petra Schnirch

Der Erste Weltkrieg ging gerade zu Ende, die Not in der Bevölkerung nach den entbehrungsreichen Jahren war groß. Eine der größten Herausforderungen war die Bekämpfung des Hungers. Hans Attinger, Landesinspektor für Tierzucht, erwies sich in dieser Zeit als Visionär: Auf seine Initiative hin kaufte der bayerische Staat am 5. Oktober 1918 die jahrhundertealte Schwaige Grub gemeinsam mit Hergolding zu einem Preis von 3,13 Millionen Mark. Mit Schulungen, einer Beratung, aber auch mit Versuchen sollten Leistung und Gesundheit von Nutztieren verbessert werden.

Ein Viertel der Rinder wurde damals noch zur Arbeit gebraucht. Dies war der Beginn des Standorts der Landesanstalt für Landwirtschaft (LFL) in Grub, das hundertjährige Bestehen wird am Wochenende groß gefeiert. Grub sei die Keimzelle für viele Entwicklungen in der Tierzucht der vergangenen Jahrzehnte, sagt LFL-Sprecherin Sabine Weindl. In den ersten Jahren ging es aber vor allem darum, Standards für Viehhaltung und Hygiene zu vermitteln.

Von 1923 an fanden Melkkurse in größerer Zahl statt, Ziel waren ein höherer Ertrag und die Verringerung von Eutererkrankungen. Auch die richtige Fütterung war ein großes Thema. Zuvor waren, zur Hochzeit der Inflation, unter schwierigen Bedingungen die notwendigen Gebäude errichtet worden. Im September 1923 öffnete das "Institut für praktische Tierzucht" schließlich ohne großes Brimborium. Auch Räume zur Unterbringung der Kursteilnehmer wurden geschaffen. Für Mitarbeiter entstanden später die für Grub so typischen Arbeiterhäuschen entlang der Straße. Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg gab Ludwig Dürrwaechter wichtige Impulse, um Grub zu einer Versuchs- und Forschungsanstalt auszubauen, sein Nachfolger Wilhelm Zorn stärkte vor allem die Futterberatung.

Wissen, das heutzutage als selbstverständlich gilt, war vor Jahrzehnten noch Neuland. Lange seien Schweine mit gedämpften Kartoffeln gefüttert worden, schildert Sabine Weindl. Man habe geglaubt, dass sie andere Kost nicht vertrügen. Irgendwann sei man draufgekommen, dass sich auch Getreide dafür eigne. Wichtig war aber auch, dass die Erträge gestiegen waren - zuvor wurden die Körner vor allem zum Brotbacken benötigt.

Eine wichtige Verbesserung in den Siebziger- und Achtzigerjahren war laut Weindl die Modernisierung der Stallungen. "Früher wurden sie für die Menschen gebaut, die darin arbeiten." Inzwischen spielten die Bedürfnisse der Tiere eine größere Rolle, als Beispiel nennt sie die Außenklimaställe. In Grub werde damit experimentiert, wie und wo sich die Tiere am wohlsten fühlen, zum Beispiel, welche Lagerstätten und welche Temperaturen sie bevorzugten. Ein großer Schritt ist laut Weindl unter Mitwirkung der Landesanstalt bei der genomischen Selektion gelungen.

Schon bei 16 Monate alten Bullen könne man inzwischen Prognosen über die Robustheit ihrer Nachfahren anstellen, dies erleichtere die Züchtung enorm. Das eigene Versuchsschlachthaus ermöglicht es den Wissenschaftlern zudem, etwas für die Fleischqualität zu tun. Beispiel: das gefürchtete "Schrumpfschnitzel". Vor einigen Jahren sei der Tropfsaftverlust ein großes Thema gewesen, schildert Weindl. Die Forscher hätten schließlich herausgefunden, dass die Züchtung von Schweinen mit hohem Magerfleischanteil die Tiere auch sehr stressanfällig gemacht habe. Als dieser Zusammenhang entdeckt wurde, habe man reagieren können.

Ein großes aktuelles Forschungsprojekt ist die "Braunvieh-Vision" - mit dem Ziel, die Gesundheit der Tiere zu verbessern. Dazu werden umfangreiche Daten in Praxisbetrieben erhoben und die erfassten Tiere gleichzeitig genotypisiert. Noch immer gibt es aber auch ganz praktische Kurse in Grub, etwa einen Schafscherkurs für Anfänger. 2003 war die Landesanstalt für Tierzucht mit fünf anderen Anstalten und den Versuchsgütern in der LFL mit Verwaltungssitz in Freising aufgegangen. Ältestes Institut war die 1900 in Weihenstephan gegründete Landesanstalt für Bodenkultur und Pflanzenbau - noch vor einer Verbesserung der Viehhaltung stand damals das Urbarmachen der Böden im Fokus.

Am Standort in Grub arbeiten aktuell 156 Mitarbeiter. Sie kümmern sich um 346 Rinder, darunter 137 Milchkühe, 924 Schweine in der Leistungsprüfungsanstalt und 334 Schafe, 184 sind Mutterschafe. An einer solchen Forschungsstätte wird natürlich auch immer wieder gebaut: Geplant sind momentan die Erweiterung der gemischten Kälber- und Rinderhaltung und der Neubau eines Technikums zur Rinderhaltung.

© SZ vom 06.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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