Besonderes Angebot im Landkreis Ebersberg:Hausbesuch bei den Gutsherrn

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Beim Tag des offenen Denkmals können Gäste hinter die Kulissen von Sonnenhausen, Herrmannsdorf und Georgenberg blicken - die Kreisheimatpfleger machen's möglich

Von Michaela Pelz

Wer hätte nicht einmal im Leben den heimlichen Wunsch gehabt, in einem Schloss zu wohnen? Oder sich zumindest ansehen zu können, wie es sich so in einem hochherrschaftlichen Hause lebt? Im Landkreis Ebersberg gab es dazu jetzt Gelegenheit. Am Tag des offenen Denkmals konnte man gleich drei Gutshöfe besuchen, alle in der Gemeinde Glonn gelegen: Sonnenhausen, Herrmansdorf und Georgenberg. Zu verdanken war dies dem eleganten Brückenschlag der drei Kreisheimatpfleger Thomas Warg, Natascha Niemeyer-Wasserer und Sepp Huber zwischen dem diesjährigen bundesweiten Motto "Modern(e): Umbrüche in Kunst und Architektur" und den Gegebenheiten der Region mit den genannten, um die Jahrhundertwende entstandenen Landgütern. Dafür hatte der Finanzier, Baron Adolf von Büsing-Orville, von Beruf Erbe, bekannte Architekten verpflichtet, etwa Friedrich von Thiersch und Wilhelm Spannagel.

Im Speicher von Gut Georgenberg finden heute Veranstaltungen statt. (Foto: Christian Endt)

Zum Geldgeber kennt Georg Schweisfurth auch direkt eine Anekdote: Lange Zeit sei nämlich die Schreibweise des Namens unklar gewesen, weswegen man angenommen habe, es handle sich um einen Vorfahren der Büssing-Dynastie, bekannt für Busse und Lastwagen. Erst durch die Recherchen von Chronist Hans Huber aus Taglaching habe sich herausgestellt, dass der "Büsing", der sich 1899 im Landkreis ansiedelte und dort nach und nach 38 Häuser und Höfe kaufte oder baute, einer Familie von Schnupftabakproduzenten entstammte.

In der Kapelle von Georgenberg wird gern geheiratet. (Foto: Christian Endt)

Schweisfurth, der Sonnenhausener Gutsherr, erzählt dies, während er mit den Besuchern und Mitwirkenden, darunter Bürgermeister Josef Oswald, Chronist Hans Obermair sowie Landrat Robert Niedergesäß in der um 1900 entstandenen Reithalle des früheren Gestüts steht, das sein Vater vor gut 35 Jahren erwarb. Ursprünglich als Zentrale der Herrmannsdorfer Landwerkstätten genutzt, ist die Anlage seit gut 20 Jahren ein Hotel für Tagungen und Veranstaltungen aller Art. Darunter auch Konzerte - dank der hervorragenden Akustik eben dieser Halle, die zwar luftig anmutet, aber über ein zwei Meter dickes Dach verfügt. Dass hier manches anders scheint als es tatsächlich ist, wissen die rund hundert aufmerksam Lauschenden schon aus den Erläuterungen von Niemeyer-Wasserer. Zwar sähen die zwölf Gebäude mit unterschiedlicher Giebelhöhe so aus, als seien sie nach und nach entstanden, "doch das ist in Wirklichkeit Konzept". Die Anlage soll bewusst nicht symmetrisch sein, deswegen gibt es auch nur beim Kopfbau im Ostflügel einen Turm mit Haube - "im Barock undenkbar!"

Auf Gut Sonnenhausen ist die alte Reithalle nun ein Veranstaltungssaal. (Foto: Christian Endt)

Gerne hätte die Kunsthistorikerin nach dem Kindermalworkshop, in dem bei einem Gespräch über "Bibi und Tina" das Pferdegestüt von 1901 gezeichnet und koloriert wurde, eben diese Ansicht von außen malen lassen. Das wiederum wird leider vom Wetter verhindert - zehn Grad und Dauerregen sind dafür keine perfekte Ausgangslage. Auch die geplante Wanderung mit Niedergesäß muss daher in ein Guts-Hopping per Auto umgewandelt werden. Dabei hatte sich der Vaterstettener, in seinen Zeiten als Bürgermeister selbst ab und an als Stadtführer tätig, zur Vorbereitung schon in die Geschichte der Besiedelung eingearbeitet, wie er schmunzelnd verrät. Jetzt geht es also nach Herrmannsdorf zum denkmalgeschützten Herrenhaus, erbaut 1901. Die Besonderheit dieses außen neobarocken Gebäudes: Karl und Gudrun Schweisfurth nutzen es als Wohnhaus für sich und die drei Töchter. Dabei werden unter den Stuckdecken auch gerne legendäre Parties gefeiert, die denen von früher in nichts nachstehen. Im Eingangsbereich, der im Gegensatz zu den eher schlichten Nebenräumen viele Jugendstildetails aufweist, erklärt sie: "Ursprünglich hatte man vom ersten Stock einen bombastischen Ausblick ins Atrium. Weil wir aber wie eine normale Familie leben wollten, wurde nachträglich eine Wendeltreppe eingebaut - alles andere ist symmetrisch". Die Hausherrin empfängt zusammen mit ihrer Nichte Sophie Schweisfurth, seit 2018 Geschäftsführerin der Landwerkstätten, die vom Besuch des britischen Thronfolgers samt interessantem Austausch über landwirtschaftliche Fragen berichtet.

Gastgeber Georg Schweisfurth, Kreisheimatpflegerin Natascha Niemeyer-Wasserer, Glonns Bürgermeister Josef Oswald, Kreisheimatpfleger Thomas Warg und Landrat Robert Niedergesäß (von links) begrüßen die Gäste. (Foto: Christian Endt)

Den Fotos dieser Begegnung lässt Thomas Warg gut weitere 50 Bilder folgen, mit denen der Journalist seinen hoch spannenden Vortrag über das alltägliche Leben "der guten oiden Zeit" illustriert. Er spricht über Fortbewegung per Ochsenfuhrwerk und die Nonnenfalterplage im Eberberger Forst, zeigt Fotos der Kreisklinik, der ersten Feuerwehren und von Schulklassen mit 50, 60 Kindern. Außerdem erstaunt er die Zuhörenden mit der Information, dass es vor und nach dem Ersten Weltkrieg ein Zölibat für Lehrerinnen gab.

Gut Sonnenhausen. (Foto: Christian Endt)

Gerne hätte man noch viel mehr Geschichten gehört, aber es steht ja noch ein dritter Besuch an, der auf Gut Georgenberg. Hier zeigt einer der vier Söhne der Inhaberfamilie Weil zunächst den früheren Heuboden. Vereinzelt ist dieser geöffnet - demnächst am 25. Oktober bei der "Schäfermesse". Den dann kredenzten Lammspezialitäten geht eine Andacht in der hofeigenen Kirche voraus, und genau dorthin lenken die Besucher jetzt ihre Schritte. Hatte man vorher gebannt dem Profi-Stadtführer Warg gelauscht, zeigt Weil senior nun, dass auch Laien sehr wohl Geschichte fesselnd verpackt zum Besten geben können. Ursprünglich hatten nämlich hier nach Römern, Germanen und Bajuwaren die Kelten gehaust, deren höchstes heiliges Tier der Drache war. Um zu demonstrieren, dass nach der Zerstörung der heidnischen Kultstätte ein anderer Glaube dominierte, nannte man den Ort rund um das neue Bethaus fortan "Georgenberg" - in Anspielung an den Drachentöter.

Auch die Treppe im Herrenhaus von Herrmannsdorf ist beeindruckend, wurde jedoch nachträglich eingebaut. (Foto: Christian Endt)

Die von den Weils vor 23 Jahren aufwendig restaurierte Kirche ist ein wunderbar passender Rahmen für die Jakobneuhartinger Zithermusik. Wie auch die zwölf Mann starke Abordnung der Bairer Blasmusik und die "wuiden" Musiker der Blech-Bagage haben sie, engagiert und betreut von Brauchtumsspezialist Sepp Huber, ab morgens die Besucher auf den drei Höfen mit ihrem Können begeistert. Schöner wäre gewesen, sie hätten es bei Biergartenwetter tun können, bedauert der dritte Kreisheimatpfleger. Dennoch haben laut Wargs Zählungen rund 1300 Personen den Weg nach Sonnenhausen, Herrmannsdorf und Georgenberg gefunden, um sich von den engagierten Gastgeberfamilien, ihren Mitarbeitern und gut 20 Stadtführern viel zeigen und erzählen zu lassen. Am Ende dieses ereignisreichen Nachmittags taucht dann der Gedanke auf, wie schön es wäre, könnte man auf dem Heimweg wie Georg Schweisfurth (der sich dabei auf seine Leute und die Gäste freut) "die letzten 998 Meter der Zufahrt genießen". Andererseits: Erstünde man dank Lottogewinn ein solches Anwesen im Landkreis, müsste man vielleicht selbst beim nächsten Tag des offenen Denkmals Gastgeber sein. Und dafür vorher aufräumen.

© SZ vom 10.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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