Benefizkonzert:Gehauchte Musik

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Vor vollem Haus spielten die Musiker in der Auferstehungskirche um Spenden für das Berliner Schloss. (Foto: Christian Endt)

Benefizkonzert für Berliner Schloss begeistert das Publikum

Von Claus Regnault, Ebersberg

Wie kann eine bayerische Kleinstadt dazu kommen, in der Fülle der Spendenangriffe auf unseren Geldbeutel eine Aktion ausgerechnet zugunsten der Renovierung eines Berliner Schlosses zu veranstalten? Das Berliner Stadtschloss war der Sitz des preußischen Königshauses. Sollen dort irgendwelche Nachkommen Träumen vom großen Friedrich nachhängen dürfen? Gemach, gemach: Dieses schöne Schloss soll Ort des Humboldt Forums werden, des größten Kulturprojekts der Bundesregierung. Generalintendant Hartmut Dorgerloh hat dessen Sinn so beschrieben: "Wir gestalten hier einen neuartigen Ort, an dem sich unsere Nation als Teil der Welt begreift". Es soll am Ende dazu beitragen, "dass der Anteil jener Menschen sinkt, die Angst davor haben, dass in die Nachbarwohnung ein Ausländer einzieht".

Spenden hat also auch für uns Bayern tiefen Sinn. Demgemäß die Auferstehungskirche voll besetzt, unter anderem mit fünf Bürgermeistern der sogenannten Kulturschiene von Vaterstetten bis Ebersberg, ferner Ex-Landrat Gottlieb Fauth, Vaterstettens Ex-Bürgermeister Peter Dingler und Landrat Robert Niedergesäß. Als Schirmherr der von Wilfried Gillmeister organisierten Veranstaltung hatte der Landrat einen großen Schirm mitgebracht - dieser könne, aufgespannt und umgedreht, als Gefäß für die Spenden dienen. Die Festansprache der ehemaligen stellvertretenden Ministerpräsidentin Christa Stewens war besonders bemerkenswert. Sie schilderte den Werdegang des Schlosses bis zu seiner Sprengung im Jahr 1950 zugunsten des Marx-Engels-Platzes und des Staatsratsgebäudes der DDR ("Palast der Republik"). Sie ging dabei von der Kindheitserinnerung an den mächtigen Schreibtisch des Großvaters Ernst Telschow aus, der zu allen Stationen dieses damaligen Generalsekretärs der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft vom Schloss nach Göttingen und später nach München mitgewandert war. Als der "Palast der Republik" 1990 wegen Asbestverseuchung geschlossen und 2006 abgerissen worden war, entstand der Plan für den Wiederaufbau des Schlosses. Zwischen den Wortbeiträgen etablierte sich die Musik. Das Spiel des Streichquartetts der Heuer-Familie und der Solisten Adam Ambarzumjan, Klarinette und Bassetthorn, Georg Lamprecht, Klarinette, Judith Geister, Blockflöte, Jakob Skudlik, Orgel und Sebastian Lugmayr, Bassbariton, gestaltete sich zu einem Fest.

Während die beiden Werke des großen Friedrichs II, seine Symphonie Nr. 4 in A-Dur und Flötenkonzert Nr. 3 in C-Dur, doch ein wenig ereignislos in Barock-Mustern verharrten, wurden Felix Mendelsohns Konzertstücke Nr. 1 und 2 für Klarinette und Bassetthorn zu erfrischenden Beispielen seiner Genialität. Das erste Konzertstück soll er sogar in Bayern als Dank für ein von ihm geliebtes Dampfnudelgericht komponiert haben. Beide Klarinettisten entfalteten virtuose Könnerschaft, und dies, obwohl sie vorher keine Dampfnudeln kredenzt bekommen hatten.

Etwas mühsam gerieten zwei Ausschnitte aus Mendelsohns Humboldt-Kantate "Aus alter grauser Nacht" und "Und wie der große Bau der Welt", Rezitative, die der im Werden begriffenen Bariton-Stimme Lugmayrs Einiges abverlangten. Jakob Skudlik gestaltete Bachs berühmte Toccata und Fuge in d-Moll eindrucksvoll, hatte aber in der Hausorgel der Auferstehungskirche ein kaum zureichendes Instrument für deren Majestät.

Der absolute Höhepunkt des Abends war Mozarts "Klavierquintett in A-Dur KV 581". Mozart hat es für seinen Freund, den Klarinettisten Stadler geschrieben und diesem gewidmet. Er selbst beschrieb den Reiz von Stadlers Klarinette als "sanften süßen Hauch" (zitiert nach Einstein "Mozart", Seite 229). Natürlich fand der meisterliche Klarinettist Adam Ambarzumjan für dieses zauberhafte Stück den "Stadler-Ton", welcher sich nur im zweiten Trio des Menuetts in den kräftig bäuerischen Tonfall des Alpenvorlands wandelt. Aber das Seltsame und Berückende war, dass auch die begleitenden Streichinstrumente diese "Hauch-Qualität" erzielten. So zog das Quintett in einer zarten, zärtlichen Transparenz und Subtilität wie ein Traum an unseren Ohren vorbei. Was die Heuers an Übereinstimmung der fast körperlosen Tongebung dabei leisteten, war atemberaubend. Bei der Zugabe, dem "Ungarischen Tanz Nr. 1" von Brahms, wurden wir dann ordentlich wieder geweckt. Begeisterter Beifall, wie ihn auch die Interpreten der vorhergehenden Stücke empfangen hatten, beim Mozart in Ovationen gesteigert. Ein großer Abend!

© SZ vom 17.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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